# taz.de -- Jahrestag von Hitler Machtübernahme: Auf Geschichtstour
       
       > Vor 80 Jahren zogen die Nazis triumphierend durchs Brandenburger Tor. Was
       > wissen Berlinbesucher über die verhängnisvolle Geschichte dieses
       > Januartages?
       
 (IMG) Bild: Besucher betrachten die Open-Air-Ausstellung zum 30. Januar 1933 am Brandenburger Tor.
       
       ## Wolfgang Schweighofer, 39
       
       Ich bin Oberstleutnant des österreichischen Bundesheeres, wir sind gerade
       mit dem Generalstab in Berlin und besuchen das Verteidigungsministerium,
       viele andere Ministerien und Gedenkstätten. Gerade komme ich vom
       Holocaust-Mahnmal. Ich finde, dass in Deutschland der Geschichte des
       Nationalsozialismus mehr gedacht wird als in Österreich. Im Fernsehen kommt
       bei uns zur Machtergreifung vielleicht eine kleine Sendung in der Nacht.
       Sonst wird das historische Datum gar nicht groß wahrgenommen. Ich finde
       schade, dass das in Österreich zu kurz kommt, und habe den Eindruck, dass
       sich die junge Generation nicht mehr groß damit auseinandersetzt. Wir haben
       einen ziemlichen flapsigen Umgang mit dem Thema. Dann muss man sich auch
       nicht wundern, dass Leute wie Jörg Haider und Co. stark werden. Ich glaube,
       dass in Deutschland die kritische Öffentlichkeit so stark ist, dass so
       etwas nicht möglich wäre.
       
       ## June-Young Kim, 23
       
       Ich habe keine Ahnung, was heute vor 80 Jahren in Berlin passiert ist. Ich
       komme aus Südkorea und bin auf Europareise. Gestern bin ich in Berlin
       angekommen. Morgen geht es schon wieder weiter nach Amsterdam. Ich habe
       keine Zeit, mich intensiver mit der Geschichte von Berlin zu befassen. Aber
       mich interessiert auch eher das Berlin von heute.
       
       ## Nurit Alush, 31
       
       Ich habe heute Geburtstag. Heute, am Tag von Hitlers Machtergreifung. Mein
       Freund und ich sind für vier Tage nach Berlin gekommen – der
       Nationalsozialismus ist für uns Israelis ein Teil unserer Geschichte. Das
       ist auch für die jungen Menschen bei uns noch dauerpräsent. Wir sind gerade
       auf dem Weg zu einem modernen Museum hier beim Brandenburger Tor, ich habe
       vergessen, wie das heißt. Wir sind zum ersten Mal hier. Aber nicht nur
       wegen der Geschichte, sondern auch wegen des Nachtlebens. Das ist beides
       interessant.
       
       ## Gabriele Landes, 66
       
       Ich bin heute zum Tag der Machtergreifung der NSDAP aus Steglitz
       hergekommen, um eine Geschichtstour zu machen. Meinen Mann interessiert das
       nicht, aber mich bewegt es sehr. Ich habe mir gerade die Porträtausstellung
       beim Brandenburger Tor angesehen, von den Menschen, die das Naziregime
       verdrängt hat. Ich bin fassungslos, wie viel Chaos dieser Mann anrichten
       konnte. Seit Jahren besuche ich einen Judaistikkurs an der Freien
       Universität. Fast jede Woche fahre ich in das Jüdische Viertel. Es ist
       unfassbar, dass diese Menschen einen Stern tragen mussten. Wenn ich ein
       Jude wäre, hätte ich so viel Hass auf die Deutschen, dass ich hier gar
       nicht herkommen würde. Ich frage mich immer, wie das nur passieren konnte.
       Ich frage mich, ob ich den Mut gehabt hätte, Juden bei mir zu verstecken.
       
       ## Frederick Baier, 62
       
       Was vor 80 Jahren in Berlin los war? So alt bin ich dann auch wieder nicht!
       Eigentlich wollte ich mit meinen beiden Töchtern in Berlin Geburtstag
       feiern. Wir kommen aus der Nähe von London. Sie haben beide gerade
       Geburtstag. Der einen wurde aber der Pass gestohlen, darum hat die andere
       eben ihren Freund mitgenommen. Aber das macht nichts. Wir kommen sowieso
       noch mal im Frühling her. Zu dieser Jahreszeit sieht Berlin schon sehr
       verloren aus. Wir wollen auch ein bisschen Geschichte mitbekommen.
       Natürlich verbindet man Berlin automatisch mit der Nazizeit. Wenn ich das
       Brandenburger Tor sehe, fallen mir gleich die riesigen Hakenkreuze ein. Das
       ist das klassische Bild von Berlin. Aber ich würde nicht sagen, dass Hitler
       Teil der Popkultur ist. Die Juden könnten sagen, dass er das ist, wenn sie
       das wollen. Uns steht das nicht zu. Das ist wie mit den Schwarzen, die sich
       gegenseitig „Nigger“ nennen.
       
       30 Jan 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Martin Rank
 (DIR) Andrea Rodi
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Holocaust
 (DIR) Schwerpunkt Nationalsozialismus
       
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