# taz.de -- Bundestag ändert Sorgerecht: Hohes Konfliktpotential
       
       > Ledige Väter haben die Möglichkeit, die gemeinsame Sorge für das Kind zu
       > beantragen. Das vereinfachte Verfahren sehen Verbände mit Sorge.
       
 (IMG) Bild: Häufig ist es nicht so einfach und schön: Vater mit Kind im Schnee.
       
       BERLIN taz | Das Matriarchat im Familienrecht ist zu Ende: Ab diesem
       Frühsommer können ledige Väter, die bisher kein Sorgerecht hatten, beim
       Familiengericht die gemeinsame Sorge beantragen. Das beschloss der
       Bundestag am Donnerstagabend.
       
       Die Mutter hat dann maximal sechs Wochen Zeit, zu widersprechen. Sie muss
       dabei plausibel machen, dass die gemeinsame Sorge dem Wohl des Kindes
       widerspricht. Sieht das Gericht das anders, kann es die gemeinsame Sorge
       auch gegen den Willen der Mutter verordnen.
       
       Bisher hatte die Mutter eines unehelichen Kindes quasi ein Vetorecht, denn
       ohne ihre Zustimmung wurde die gemeinsame Sorge nicht eingerichtet. Das
       neue Recht gilt auch für ältere Kinder. Bei diesen kann die
       Widerspruchsfrist für die Mutter vom Gericht verkürzt werden.
       
       ## Nicht ganz zufrieden
       
       Rainer Sonnenberger vom Väteraufbruch für Kinder ist dennoch nicht ganz
       zufrieden: „Wir wollen die gemeinsame Sorge ab der Geburt – zusammen mit
       der Vaterschaftsanerkennung.“ Sonnenberger ist sicher, dass die jetzige
       Regelung wieder vor Gericht landen wird. „In den ersten sechs Wochen
       entscheidet die Mutter so viel, da wollen wir ein Mitspracherecht haben“.
       Der Name des Kindes, die Religion, eine eventuelle Beschneidung, frühe
       Operationen – all das können die Väter immer noch nicht mitbestimmen. „Wir
       hätten lieber kein Gesetz als dieses“, erklärt er. Dann wäre die Tür offen
       geblieben für eine wirklich gleichberechtigte Lösung.
       
       Auch der Verband alleinerziehender Mütter und Väter (VaMV) ist unzufrieden,
       aber aus anderen Gründen. „Wir begrüßen es natürlich, wenn Väter sich
       stärker in der Familie engagieren wollen“, sagt Edith Schwab, Chefin des
       Verbands. „Aber wir sind dagegen, dass für eine sehr kleine Menge von
       streitigen Fällen ein Gesetz gemacht wird, das völlig außerhalb der
       jetzigen Regelungen steht.“
       
       Besonders das sogenannte „vereinfachte Verfahren“, das das Gesetz vorsieht,
       sieht sie kritisch: „In diesen hochstreitigen Fällen entscheidet das
       Gericht nach Aktenlage? Das geht nicht“, so Schwab. In jedem
       Sorgerechtsstreit würden alle gründlich angehört: Jugendamt, Eltern,
       Verwandte, Lehrerinnen – nicht zuletzt auch das Kind. Ausgerechnet in den
       Konfliktfällen bleibt diese gründliche Prüfung nun aus, kritisiert der
       Verband.
       
       Ähnlich sah es auch die SPD im Bundestag, sie stimmte gegen das Gesetz. Die
       Linke war ganz auf der Linie des Väteraufbruchs und enthielt sich, die
       Grünen stimmten mit der Koalition.
       
       ## Konfliktpotential schadet den Kindern
       
       Ein „Ende der Zahlväter“, wie es manche Medien verkünden, bedeutet das
       Gesetz nicht. Das Sorgerecht wird unabhängig vom Unterhalts- und
       Umgangsrecht verhandelt. Der Elternteil, bei dem das Kind lebt, muss nun
       grundlegende Entscheidungen wie die Namensgebung, religiöse und
       medizinische Entscheidungen, die Schulwahl und eventuelle Umzüge mit dem
       anderen Elternteil abstimmen.
       
       Da die gemeinsame Sorge vor allem in Konfliktfällen verordnet wird,
       erwarten die JuristInnen, dass viele strittige Einzelentscheidungen wieder
       vor dem Familiengericht landen werden, weil die beiden Sorgeberechtigten
       sich nicht einigen können. Ob das dann dem Wohl des Kindes entspricht,
       bezweifelt etwa der Bundesverband der Psychologinnen und Psychologen. „Bei
       extrem hohem Konfliktniveau ist die gemeinsame Sorge kontraindiziert, weil
       die Belastung für die Kinder zu hoch wird“, heißt es in einer
       Stellungnahme.
       
       1 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Heide Oestreich
       
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