# taz.de -- Haushaltskrise in Ruanda: Die goldenen Jahre sind vorbei
       
       > Der Westen kürzte die Hilfe für Ruanda wegen dessen Unterstützung für
       > Rebellen im Kongo. Das Land schlittert nun in eine Wirtschaftskrise - mit
       > politischen Folgen.
       
 (IMG) Bild: Blühende Landschaften in Ruandas Hauptstadt Kigali: Jetzt fehlen die Devisen
       
       KIGALI taz | Mit ordentlicher Handschrift aktualisiert Innocent Higiro die
       Währungskurse auf der Tafel seiner Wechselstube. 660 ruandische Franc
       bekommt man heute für einen US-Dollar in Higiros kleinem, verwinkeltem
       Laden im ersten Stock des großen Einkaufszentrums im Stadtzentrum von
       Kigali, der Hauptstadt Ruandas. „Wir leben in verrückten Zeiten“, sagt er.
       
       Ruandas Währung verfällt allmählich, seit viele westliche Geberländer im
       Sommer 2012 Teile ihrer Entwicklungshilfe für Ruanda einfroren. „Es gibt
       kaum mehr Dollar auf dem Markt“, sagt Higiro, eigentlich promovierter
       Wirtschaftswissenschaftler.
       
       Ruanda galt jahrelang mit seiner Antikorruptionspolitik und positiven
       Wirtschaftsentwicklung als Musterland der Entwicklungshilfe in Afrika. Doch
       letztes Jahr änderte sich alles: Eine UN-Expertengruppe beschuldigte
       Ruanda, in der Demokratischen Republik Kongo die Rebellenarmee M23
       (Bewegung des 23. März) zu unterstützen.
       
       21 Millionen Euro bilaterale Budgethilfe, davon 7 Millionen im laufenden
       Haushaltsjahr fällig, setzte Deutschland deswegen im Juli aus. Schweden,
       die Niederlande und Großbritannien zogen nach. Die USA strichen 200.000
       Dollar Militärhilfe. Der Löwenanteil der Einfrierungen entfiel mit 135
       Millionen Dollar auf die Weltbank. Insgesamt fehlen für das Finanzjahr
       2012/2013 12 Prozent des ruandischen Staatshaushalts.
       
       ## "Den Gürtel enger schnallen"
       
       Wechselstubenbesitzer Higiro handelt auch mit Mineralien und unterhält ein
       Transportunternehmen: mit Lastwagen, die Diesel und andere Importwaren vom
       kenianischen Ozeanhafen Mombasa nach Ruanda bringen. Viele seiner Kunden
       seien ebenfalls Händler, sagt er, und sie alle leiden unter dem schlechten
       Wechselkurs. „Deswegen steigen jetzt die Benzinpreise und die
       Lebensmittelpreise, und alles, was man sonst so einkauft, wird teurer. In
       10 Jahren habe ich noch nie so was erlebt. Wir müssen alle den Gürtel enger
       schnallen.“
       
       Ein Stockwerk tiefer befindet sich Ruandas größtes Kaufhaus. Hier findet
       die aufstrebende Mittelschicht Kühlschränke, Waschmaschinen und Rasenmäher.
       Auf einem großen Flachbildschirm über der 24-Stunden-Express-Kasse läuft
       ein Popsong. Im Video werden blühende Landschaften gezeigt. Traktoren auf
       Maisfelder, die Methangasstation im Kivusee, neue Reihenhaussiedlungen mit
       Vorgärten. Dazu singt ein Popstar ein Loblied auf den Agaciro-Fonds.
       
       Agaciro bedeutet „Würde“ und steht für Ruandas Rezept gegen die Krise. Die
       Idee: Jeder Ruander zahlt freiwillig in einen Staatsfonds ein, der das Loch
       im Staatshaushalt stopfen soll. „Warum soll ein Bürger eines anderen Landes
       die Verpflichtung haben, uns für immer durchzufüttern?“, sagte Ruandas
       Präsident Paul Kagame bei der Eröffnung des Solidaritätsfonds im Oktober.
       Man sehe: Unterstützung von außen könne jederzeit enden.
       
       ## Jeder spendet für "Agaciro"
       
       So kleben in Geschäften, Banken, Hotels, im Friseursalon die
       Agaciro-Aufkleber mit Web-Adresse und Kontonummer. Es ist, als würde das
       ganze Land in einer Lotterie mitspielen. Fast täglich meldet die
       Staatszeitung den Jackpot: bisher über 10 Milliarden Franc, umgerechnet
       über 11 Millionen Euro. Per Twitter werden die jüngsten Einzahler
       gepriesen: Die Universität von Kigali, die Gemeinde Kicukiro, Angestellte
       im Agrarministerium, Flüchtlinge im Exil, ruandische Blauhelme in Darfur.
       Es ist wie ein Wettbewerb, wer am meisten für die „Würde“ der Nation
       spendet. Selbst Oppositionelle lassen sich breitschlagen. „Es wird sicher
       darauf geguckt, wer denn nicht einzahlt“, sagt einer.
       
       Doch im Alltag sind die Auswirkungen der Krise schmerzlich. Vor allem für
       die Mittelschicht. Banken vergeben Kredite nur noch mit gewaltigen Zinsen.
       Der Staat – der größte Arbeitgeber im Land – stellt niemanden mehr ein. Das
       trifft vor allem Hochschulabsolventen.
       
       ## Die FDLR-Miliz profitiert
       
       Es geht das Gefühl um, dass die Stabilität des Landes auf der Kippe steht.
       Dies ist auch den Diplomaten in Kigali nicht entgangen. Hinter
       vorgehaltener Hand geben Europäer und Amerikaner zu: Man habe einen Fehler
       begangen, die Hilfsgelder einfach einzufrieren, ohne klare Bedingungen
       aufzustellen, wann und nach welchen Kriterien sie wieder freigegeben werden
       können. Wie wolle man denn messen, dass Ruanda die Unterstützung der
       M23-Rebellen im Kongo wirklich eingestellt habe? Zumal Kagame nach wie vor
       eisern beschwört, die Anschuldigungen seien nicht wahr.
       
       Für die Stabilität der Region ist eine Wirtschaftskrise in Ruanda
       kontraproduktiv. Um zu überleben, wanderten schon immer Ruander in den
       Ostkongo ab. Ein hoher Kommandeur der ruandischen Hutu-Miliz FDLR
       (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas), die vom Dschungel Ostkongos
       aus Kagames Regime stürzen wollen, bestätigt gegenüber der taz: „Die
       Isolation Ruandas und die Aussetzung der Hilfsgelder ist für uns positiv.“
       Immer mehr junge arbeitslose ruandische Hutu würden sich im Kongo der FDLR
       anschließen.
       
       1 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
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