# taz.de -- Kolumne Gott und die Welt: Man tut sich schwer
       
       > Europäische Meisterdenker ins Kino geschickt: Hegel würde an Tarantinos
       > „Django Unchained“ leiden, Hannah Arendt hätte keine Freude an Spielbergs
       > „Lincoln“.
       
 (IMG) Bild: Wäre zu farbenblind für Herrn Hegel: Szene aus „Django Unchained“.
       
       Die Befreiung der Sklaven und die Emanzipation der Schwarzen hat nicht nur
       Öffentlichkeit und Politik aufgewühlt, sondern auch PhilosophInnen zu
       Reflexionen und Bekenntnissen gedrängt. Dem deutschen Meisterdenker Georg
       Wilhelm Friedrich Hegel ist zu bescheinigen, dass er in dieser Frage schon
       in den 1830er Jahren völlig richtig lag.
       
       Für ihn galt, dass „aus der Abstammung […] kein Grund für die Berechtigung
       der Menschen zur Freiheit oder Knechtschaft geschöpft werden“ kann. „Der
       Mensch“, so Hegel in seiner „Enzyklopädie“, Paragraf 393, in der er sich
       mit den menschlichen Rassen befasst, „ist an sich vernünftig; darin liegt
       die Möglichkeit der Gleichheit des Rechtes aller Menschen, die Nichtigkeit
       einer starren Unterscheidung in berechtigte und rechtlose
       Menschengattungen.“
       
       Daher lassen sich in dem feuernden Held Tarantinos, Django, und seinem
       Partner, dem Düsseldorfer Zahnarzt und Kopfgeldjäger Dr. King Schultz,
       individuelle Vollstrecker eines unbestreitbaren Menschenrechts sehen, denn,
       so Hegel, „der Sklave hat das Recht, jeder Zeit seine Fesseln zu zerbrechen
       […] sein Recht ist unverjährbar“.
       
       ## Rassistische Fantasien
       
       So sehr Hegel freilich im Rechtlich-Moralischen recht hatte, so obsessiv
       waren seine rassistischen Fantasien. In den „Vorlesungen über die
       Philosophie der Geschichte“ räsonnierte er über ein „afrikanisches
       Prinzip“: „[…] es ist als etwas ganz Verbreitetes und Erlaubtes betrachtet,
       Menschenfleisch zu essen. Bei uns hält der Instinkt davon ab, wenn man
       überhaupt beim Menschen vom Instinkte sprechen kann. Aber bei dem Neger ist
       dies nicht der Fall […]; für den sinnlichen Neger ist das Menschenfleisch
       nur Sinnliches, Fleisch überhaupt.“
       
       Das wird man mit Nachsicht betrachten, nimmt man zur Kenntnis, dass eine
       Ikone der Zivilgesellschaft, die ebenfalls durch einen neuen Film wieder
       bekannte Philosophin Hannah Arendt, mit alledem auch ihre Schwierigkeiten
       hatte. Hätte sie doch zweifellos zu Lincolns – in Spielbergs Film
       realistisch gezeigten – Gegnern gehört; seine kompromisslose Konsequenz bei
       der Sklavenbefreiung wäre ihr zu weit gegangen. 1957 erzwang der damalige
       US-Präsident Eisenhower durch den Einsatz schwer bewaffneter
       Nationalgardisten den höchstrichterlich beglaubigten Zugang schwarzer
       Schüler zu einer bisher Weißen vorbehaltenen Schule in Little Rock,
       Arkansas.
       
       In einem 1958 verfassten, 1959 unter dem Titel „Little Rock und die
       Gleichheit aller Bürger“ publizierten Text kritisiert Arendt dieses
       Vorgehen, weil politische Rechte wie das Wahlrecht neben den
       unveräußerlichen Menschenrechten, etwa zu heiraten, „zweitrangig“ seien.
       Dabei ist an Arendts antirassistischer Haltung kein Zweifel möglich: Jahre
       zuvor hatte sie in ihrem Buch über die Ursprünge totaler Herrschaft
       nachgewiesen, dass jener Rassismus, der zum Holocaust führte, im Zuge des
       Kolonialismus in Afrika entstanden war.
       
       ## Grauen vor Afrika
       
       Doch schwang auch bei dieser luziden Einsicht das Grauen vor Afrika, jenem
       „Herz der Finsternis“ (Joseph Conrad) mit. Fürchteten doch die Buren ihrer
       Meinung nach die Schwarzen, weil diese „weltlos“ seien. Schließlich erklärt
       Arendt die „furchtbaren Metzeleien“ der Europäer in Afrika damit, dass sich
       diese „in die Tradition des afrikanischen Kontinents selbst […] einfügen.
       Ausrottung feindlicher Stämme“, so die Denkerin kennerisch, „war von eh und
       je das Gesetz afrikanischer Eingeborenenkriege gewesen.“
       
       Steven Spielberg hat dem Befreier der amerikanischen Schwarzen in seinem
       Film ein Denkmal gesetzt und folgt damit dem Westernregisseur John Ford,
       der schon 1939 (!) einen liebevollen Film über „Young Mr. Lincoln“ gedreht
       hatte. Beide Regisseure zeigen in ihren kritischen, humorvollen Porträts
       einen Mann, der durchaus nicht jener Charakteristik entspricht, die ein
       weiterer Meisterdenker 1862 in einem Artikel über den amerikanischen
       Bürgerkrieg lieferte.
       
       Sei doch Lincoln – meinte der damals vierundvierzig Jahre alte Karl Marx
       über den neun Jahre älteren Präsidenten – nicht die Ausgeburt einer
       Volksrevolution gewesen, vielmehr habe ihn lediglich das „Spiel des
       allgemeinen Stimmrechts“ an die Spitze geworfen, „einen Plebejer, der sich
       vom Steineklopfer bis zum Senator in Illinois hinaufgearbeitet, ohne
       intellektuellen Glanz, ohne besondere Größe des Charakters, ohne
       ausnahmsweise Bedeutung – eine Durchschnittsnatur von gutem Willen“.
       
       Amerikaner und Afrikaner – europäische MeisterdenkerInnen taten und tun
       sich schwer mit ihnen.
       
       4 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Micha Brumlik
       
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