# taz.de -- Sexuelle Gewalt im Kongo: Vergewaltiger in Uniform ohne Strafe
       
       > Im November überfiel die vor Rebellen fliehende Armee die Kleinstadt
       > Minova und vergewaltigte unzählige Frauen. Den Opfern steht keiner bei.
       
 (IMG) Bild: Besiegt, betrunken und brutal: Regierungssoldaten in Minova nach ihrem Rückzug vor der M23.
       
       MINOVA taz | Es ist dunkel in der kleinen fensterlosen Lehmhütte, dabei
       scheint draußen die Sonne. Kaindo Bwira sitzt auf einem Schemel, ihr fünf
       Monate altes Baby auf dem Schoß. Die 22-Jährige ist eine hübsche Frau: Die
       krausen Haare sind zu einem Zopf gebunden. Sie hat zarte Gesichtszüge und
       große, dunkle, traurige Augen. Doch sie blickt kaum auf. Sie redet leise –
       flüstert gar nur, als sie erzählt, was sich im November in der Kleinstadt
       Minova am Kivu-See im Ostkongo zugetragen hat.
       
       „Wir hatten im Radio gehört, dass die Armee von den Rebellen geschlagen
       wurde und sich hierher zurückzieht“, berichtet sie. „Wir bekamen Angst und
       versteckten uns im Haus.“ Bei Einbruch der Dunkelheit habe eine Kugel das
       Türschloss gesprengt. Soldaten seien eingedrungen, hätten Geld, Telefone
       und das Radio gestohlen. Wenig später seien erneut Soldaten erschienen.
       Dieses Mal stahlen sie die Bettwäsche, Matratzen, Kleidung. Als es bereits
       dunkel war, kam eine dritte Gruppe: „Sie sahen, dass es nichts mehr zu
       rauben gab, dann nahmen sie mich mit Gewalt“, erzählt Bwira.
       
       Was sich im November 2012 in Minova ereignete, grenzte an Anarchie: Nachdem
       Kongos Armee die Schlacht gegen die Rebellenbewegung M23 (Bewegung des 23.
       März) um die Millionenstadt Goma verloren hatte und aus der Stadt die
       Flucht ergriff, schlugen Tausende demoralisierte Soldaten ungeordnet in
       Minova auf. Sie plünderten Läden und Häuser, betranken sich, kifften,
       schossen ziellos in die Luft – und vergewaltigten Frauen und Mädchen. Auch
       in anderen Orten wüteten und plünderten sie.
       
       Der frisch ernannte Heereschef von Kongo, Generalleutnant François Olenga,
       musste mit Militärpolizei aus der 2.000 Kilometer entfernten Hauptstadt
       Kinshasa nach Minova einfliegen, „um für Ordnung zu sorgen“, wie er damals
       sagte. Wenige Tage später standen die Soldaten wieder halbwegs nüchtern in
       Reih und Glied zur Parade stramm. Viele wurden festgenommen.
       
       ## „Die Armee war die schlimmste bewaffnete Gruppe“
       
       Spricht man heute die Offiziere in Minova auf die Übergriffe ihrer
       untergebenen Soldaten an, dann seufzen sie und zucken mit den Schultern:
       „Wir haben uns vor unseren eigenen Einheiten im Haus versteckt“, gibt der
       eine zu. „Meine Männer waren außer Rand und Band“, sagt der andere. „Die
       Armee war in diesen Tagen die schlimmste bewaffnete Gruppe im Land“, gibt
       wieder ein anderer zu. In einem sind sich alle einig: „Wir hatten die
       Kommandogewalt verloren.“
       
       Im örtlichen Krankenhaus von Minova zeigt Chefarzt Ghislain Kasongo die
       Statistik: Allein 95 behandelte Fälle innerhalb einer Woche damals. „Die
       Dunkelziffer ist sicher höher, weil nicht alle Frauen zu uns kamen“, fügt
       er hinzu. Die Jahresstatistik der Vergewaltigungsfälle 2012 stieg in seinem
       Bezirk auf 473. Zum Vergleich: 2011 waren es 342. Er muss immer wieder
       feststellen: „Sobald viele Soldaten da sind, steigt die Zahl der
       Vergewaltigungen stark an.“
       
       Die UN-Menschenrechtskommission nahm Ermittlungen auf und sprach in einem
       Bericht von „mindestens 126“ Vergewaltigungen durch Soldaten in Minova und
       Umgebung. Eine weitere Untersuchung durch die UN-Mission im Kongo (Monusco)
       ist im Gange, Menschenrechtsorganisationen haben Aussagen der Opfer
       aufgenommen. Damit erhöhte sich der Druck auch auf die kongolesische
       Militärstaatsanwaltschaft, gegen die eigene Truppe zu ermitteln.
       
       ## Die Militärstaatsanwaltschaft ist eine Ruine
       
       Der Militärmagistrat von Minova sitzt in einem halb zerfallenen
       Backsteingebäude im Zentrum des Ortes. Auf dem wackeligen Schreibtisch in
       dem leeren Büro liegen drei rosarote Aktenordner. Der Rest des
       einsturzgefährdeten Gebäudes ist leer – nicht einmal Steckdosen sind
       vorhanden. „Wir haben zwei Soldaten verhaftet und die Ermittlungen zu einem
       dritten Fall laufen noch“, sagt der Magistrat, der seinen Namen nicht
       nennen will.
       
       Auf die Frage, wie es sein könne, dass bei so vielen Vergewaltigungen nur
       drei Täter ermittelt werden konnten, zuckt er mit den Schultern: Die Taten
       seien in der Dunkelheit begangen worden, die meisten Frauen könnten die
       Täter nicht identifizieren. „Es war ein großes Chaos damals“, erklärt der
       Magistrat. Mehr will er dazu nicht sagen.
       
       Kongos Armeeführung arbeitet das Geschehen auf eigene Art auf. Am
       vergangenen Sonntag wurden über 700 Soldaten von ihren Offizieren in Minova
       in einer Kirche zusammengetrommelt, um ihre Sünden zu beichten und zu
       schwören, solche Taten nie wieder zu begehen. Dann ließen sie sich segnen.
       
       14 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Simone Schlindwein
       
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