# taz.de -- Geschlossene Heimunterbringung "Haasenburg": Doppeltes Spiel mit Hausregeln
       
       > Die brandenburgischen "Haasenburg"-Heime, in denen auch Hamburger
       > Jugendliche festgehalten werden, verwenden offenbar weiterhin von den
       > Behörden monierte, autoritäre Hausregeln. Offiziell sind sie längst
       > abgeschafft.
       
 (IMG) Bild: Auch nicht schön, aber wenigstens transparent: das frühere geschlossene Heim in der Hamburger Feuerberstraße.
       
       HAMBURG taz | 15 Hamburger Jugendliche waren im Dezember in den drei Heimen
       der brandenburgischen Haasenburg GmbH untergebracht. Zwei kamen im Januar
       nach Hamburg zurück, einer von ihnen, der 15-jährige Nikolas*, gab der taz
       ein Interview. Er verbrachte anderthalb Jahre seines jungen Lebens im „Haus
       Müncheberg“, einem früheren Schulgebäude, das zum Heim umgebaut wurde.
       Dieses habe die strengsten Regeln der Haasenburg, berichtete er. Der Träger
       gebe an die Behörden die Hausordnung eines anderen Hauses heraus.
       
       Unter Punkt 7 der „Allgemeinen Regeln der Haasenburg“ steht: „Wenn die
       Jugendlichen wartend in der Reihe stehen, ist der Mund geschlossen und der
       Blick nach vorn gerichtet. Es wird ca. eine Armlänge Abstand zum Vordermann
       gelassen!“ Der Heimträger hatte der taz im Dezember eine andere Hausordnung
       geschickt. Auf die erneute Frage, ob in den Häusern verschiedene Regeln
       gelten, antwortete er nicht.
       
       ## Hamburgs Sozialbehörde weiß von nichts
       
       Auch die Hamburger Sozialbehörde erklärte, nichts von einer alten
       Hausordnung zu wissen. In der aktuell gültigen Fassung sei Punkt 7 nicht
       enthalten. Nur auf nochmalige Nachfrage räumte die Behörde ein, dass es
       nach Angaben des Brandenburger Trägers „in früherer Zeit“ solche Regeln
       gab.
       
       Die offizielle Aufsicht für die Haasenburg, die in drei Häusern insgesamt
       56 Plätze mit Freiheitsentzug vorhält, hat das Landesjugendamt Brandenburg.
       Es räumt ein, die alten Hausregeln, die man für „nicht angemessen“ halte,
       zu kennen. Sie würden aber „spätestens seit 2010 nicht mehr benutzt“.
       
       Doch der taz liegt die Kopie eines Schriftsatzes ans Brandenburgische
       Oberlandesgericht vor, in dem zu lesen ist, dass eben diese Regeln noch
       Ende November 2012 angewandt wurden. Die Jugendlichen müssten diese bei der
       Neuaufnahme abschreiben, wird dort ein Teamleiter zitiert, denn „was durch
       den Kopf und die Hand gehe“ sei leichter zu befolgen.
       
       Nochmals gefragt, antwortet das Landesamt, man könne „nicht ausschließen,
       dass in den Jahren 2011 und 2012 einzelnen Jugendlichen im Haus Müncheberg
       die ’Allgemeinen Hausregeln der Haasenburg‘ zur Abschrift gegeben wurden“.
       Allerdings sei die Änderung der Hausordnung mit dem Träger verabredet
       worden. Und man gehe davon aus, dass der sich daran hält.
       
       ## Wer nicht spurt, muss strammstehen
       
       Auch andere frühere Haasenburg-Insassen, wie die heute 20-jährige Julia,
       die ihre Erlebnisse auf einer eigenen Homepage darstellt, berichten, dass
       die Firma nach außen anders agiere als nach innen. Nikolas schilderte im
       taz-Interview einen beklemmenden Alltag. Er habe die meiste Zeit in seinem
       Zimmer verbracht, in dem er nicht auf dem Bett sitzen oder am Fenster habe
       stehen dürfen. Bei Regelverstößen habe er eine „Auszeit“ bekommen, einmal
       sogar zwei Stunden stramm stehen müssen. Und gleich am ersten Tag sei er
       von zwei Erziehern gewaltsam zu Boden gebracht worden, weil er in einer
       uneinsehbaren Nische saß.
       
       Die Haasenburg GmbH äußert sich nur allgemein zu den Vorwürfen. Denn es sei
       aus Gründen des Sozialdatenschutzes nicht gestattet, zu einzelnen Klienten
       Stellung zu nehmen, schreibt Pressesprecher Hinrich Bernzen. Die
       geschilderten Situationen kämen dem Träger jedoch aus der Beschwerde eines
       Jugendlichen vor dem Oberlandesgericht Hamburg bekannt vor. Dort hätten
       sich die behaupteten Sachverhalte explizit nicht bestätigt. Bernzen sagt:
       „Im Gegenteil: Das Gericht sah die Einrichtung und die Maßnahmen als
       geeignet und richtig an.“ Zudem habe das Landesjugendamt Brandenburg die
       Vorwürfe vor Ort im Heim überprüft und „keinen der Vorwürfe bestätigt
       gesehen“.
       
       Doch nach Auskünften von Anwälten bezieht sich der Gerichtsbeschluss nur
       auf die Frage, ob ein Minderjähriger geschlossen untergebracht werden darf.
       Die von einem Jugendlichen vorgebrachten Sachverhalte sind damit nicht
       widerlegt.
       
       Nikolas ist im Besitz eines Gutachtens, das im Rahmen seines
       Beschwerdeverfahrens eingeholt wurde und der taz in Auszügen bekannt ist.
       Darin ist die Aussage einer Haasenburg-Mitarbeiterin festgehalten, nach der
       er tatsächlich zweieinhalb Stunden in seinem Zimmer stehen musste.
       
       ## "Sonst werden wir dir helfen"
       
       Der taz liegt zudem die Erklärung eines ehemaligen Mitarbeiters vor, wonach
       solche „Auszeiten“, in denen man mit dem Jugendlichen im stehenden Zustand
       eine Krise bespricht, bis zu sieben Stunden gedauert hätten. „Wenn der
       Jugendliche sich hinsetzte, haben wir gesagt: ’Bitte stell dich in die
       Mitte des Raums mit Blick zur Tür, ansonsten werden wir dir helfen.‘“
       
       Die taz befragte auch das Landesjugendamt zu einzelnen Vorwürfen. Das
       äußert sich differenziert. Der Vorwurf der zweistündigen Auszeit sei
       bekannt und mehrfach überprüft. Ein solches Geschehen lasse sich aber
       „nicht verifizieren“. Auch ein Vorfall, bei dem Nikolas nicht am Fenster
       stehen durfte, lasse sich weder aus räumlichen Gegebenheiten noch aus den
       Abläufen der Einrichtung nachvollziehen.
       
       Allerdings hielten befragte Haasenburg-Mitarbeiter Situationen für denkbar,
       in denen „Jugendlichen kurzeitig verboten wird, sich am Fenster
       aufzuhalten“, wenn sie sich dadurch einer „wichtigen Gesprächssituation
       entziehen“ oder Gefahr bestehe, dass sie Scheiben einschlagen.
       
       ## 75 Minuten Freizeit am Tag
       
       Auch die Schilderung, dass Jugendliche nicht auf dem Bett sitzen oder
       liegen dürfen, sei dem Amt bekannt. Es komme nach Auskunft der Einrichtung
       vor, dass Jugendliche „gelegentlich“ aufgefordert würden, „beispielweise
       ihre Hausaufgaben am Tisch und nicht am Bett zu erledigen“. Dies sei
       angemessen. Und weiter: „In ihrer Freizeit dürfen die betreuten
       Jugendlichen die Möbel in ihren Zimmern ohne Einschränkung nutzen.“ Der taz
       liegen aber zwei Wochenpläne von Nikolas vor, nach denen das tägliche
       Zeitfenster für „Freizeit/Duschen“ auf eine Stunde und 15 Minuten begrenzt
       ist.
       
       Von mehreren Jugendlichen hat die taz ferner erfahren, dass sie nur eine
       halbe Stunde am Tag an die frische Luft gekommen seien. Dazu schreibt das
       Amt, es gebe keine Zeitbeschränkung für den Aufenthalt im Freien.
       Allerdings dürften Jugendliche, die intensiv betreut werden, sich nicht
       ohne Begleitung im Freien bewegen. Sprich: Wenn sie rausgehen, bindet das
       Personal.
       
       Die taz fragte das Landesjugendamt auch, ob es ausgeschlossen sei, dass es
       in der Haasenburg zu entwürdigenden Maßnahmen kommt. Die Kontrollbehörde
       antwortete, dies sei strukturell und konzeptionell gesichert. Dem
       Fehlverhalten einzelner Beschäftigter lasse sich allerdings „in keiner
       Einrichtung vollständig vorbeugen“.
       
       Auf das Interview reagierte auch ein ehemaliger Mitarbeiter, der nicht mit
       Namen genannt werden möchte. Die Jugendämter seien nicht ausreichend
       informiert. „Keiner hat eine Ahnung, was die Jugendlichen erleiden müssen“,
       schreibt er. „Und wenn sie den Mund aufmachen, werden sie als Lügner
       hingestellt.“
       
       * Name geändert
       
       15 Feb 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kaija Kutter
       
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 (DIR) Schwerpunkt Haasenburg Heime
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