# taz.de -- „Nachtzug nach Lissabon“-Verfilmung: Hinein ins Pathos der Liebe
       
       > Bille August hat den beliebten Roman „Nachtzug nach Lissabon“ mit Jeremy
       > Irons verfilmt. Uninspiriert, doch am Ende bleibt die Selbstfindung.
       
 (IMG) Bild: Immerhin bleibt am Ende die späte Selbstfindung: Jeremy Irons und Martina Medeck am Bahnhof von Lissabon.
       
       Ein einsamer Berner Altphilologe hält eines Tages eine junge Portugiesin
       vom tödlichen Sprung in die Aare ab. Das Erlebnis sowie ein rares Buch mit
       den philosophischen Notizen eines gewissen Amadeu Inácio de Almeida Prado,
       das ihm ein Berner Antiquar in die Hände drückt, veranlassen den
       Melancholiker Raimund Gregorius plötzlich, sein gelehrsames Leben vom Ende
       her zu sehen.
       
       Schock und reflektierende Lektüre machen ihm gleichermaßen das Verrinnen
       der Zeit und seine unausgelebten Träume bewusst. Wie in Trance lässt er der
       Irritation eine Tat folgen und bricht nach Lissabon auf, um dem echten
       Amadeu Prado nahezukommen.
       
       In seinem Bestseller „Nachtzug nach Lissabon“ kuriert der Schweizer
       Schriftsteller Pascal Mercier sein skurril weises Alter Ego von der
       lähmenden Behäbigkeit, indem er ihm die Fallhöhe eines großen politischen
       Dramas vor Augen führt. Prado, der Lissaboner Aristokratensohn, Arzt und
       Schriftsteller, gehörte einer Gruppe von Untergrundkämpfern gegen den
       Diktator Salazar an, dessen Folterregime in der Nelken-Revolution 1974 ein
       Ende gesetzt wurde.
       
       Bille August, ein dänischer Volker Schlöndorff, gilt mit seinen
       Romanadaptionen wie „Das Geisterhaus“ und „Fräulein Smillas Gespür für
       Schnee“ als Experte für Melodramen vor zeithistorischer Kulisse, in denen
       die Selbstfindung mit einer Prise Philosophie gewürzt wird.
       
       ## Alles oder Nichts
       
       Auch „Nachtzug nach Lissabon“ ist von Pascal Mercier – unter seinem
       bürgerlichen Namen Peter Bieri ein renommierter Bewusstseinsphilosoph – als
       aufstörende Zeitreise angelegt, als Spurensuche nach den Überlebenden einer
       großen Ära. Das gedruckte Buch (wie bei Umberto Eco, Carlos Ruiz Zafón,
       Cornelia Funke und anderen ein bestsellertüchtiger Bildungsfetisch) dient
       als Ariadnefaden hinein ins Pathos der Liebe in Zeiten des Alles oder
       Nichts.
       
       Doch Bille August fällt zur visuellen Umsetzung der labyrinthischen
       Erzählweise wenig ein. Jeremy Irons tapst als sympathischer älterer Herr
       Gregorius durch ein erstaunlich klein dargestelltes Lissabon. In kurzen
       prägnanten Episoden brillieren Charlotte Rampling als Prados strenge
       Schwester und Christopher Lee als dessen greiser Lehrer.
       
       Die Rückblenden illustrieren den Fortgang des persönlichen Dramas – am Ende
       eine schlichte Dreiecksgeschichte unter den Spitzenrevolutionären Jack
       Huston und August Diehl um Mélanie Laurent, die einzige Frau im Untergrund.
       Eine ergreifende Phantasmagorie über die letzte Diktatur in Westeuropa will
       diese uninspirierte Verfilmung nicht sein.
       
       Immerhin bleibt am Ende die späte Selbstfindung, die „Nachtzug nach
       Lissabon“ zum Feelgoodmovie erwärmt. Während nämlich der historische Prado
       an der Liebe scheiterte, könnte der tapsige Intellektuelle Raimund
       Gregorius zu Martina Gedecks romantischem Augenaufschlag nach Lissabon
       zurückkehren.
       
       ## „Nachtzug nach Lissabon“. Regie: Bille August. Mit Martina Gedeck, Bruno
       Ganz u. a. Schweiz/Deutschland/USA 2013, 111 Min.
       
       7 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Claudia Lenssen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Volker Schlöndorff
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 (DIR) August Diehl
       
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