# taz.de -- Streit um NS-Archäologie: Die Wikinger schlagen zurück
       
       > Die Landesmuseen von Bremen und Schleswig-Holstein streiten über die
       > adäquate Aufarbeitung von NS-Geschichte. Anlass sind nicht zur Verfügung
       > gestellte Exponate für die Bremer Ausstellung „Graben für Germanien“.
       
 (IMG) Bild: Die Wikinger und wir: das Oseberg-Schiff in der Ausstellung "Lebendige Vorzeit". Ab heute ist das Modell in Bremen zu sehen.
       
       BREMEN | taz Wenn Kulturstaatsminister Bernd Neumann am heutigen Samstag
       die Ausstellung „Graben für Germanien“ im Bremer Landesmuseum eröffnet,
       wird erstmals umfassend die Bedeutung der Archäologie im „Dritten Reich“
       beleuchtet. Zugleich zeigt ein heftiger Streit um Leihobjekte, wie sehr
       diese Thematik auch für aktuelle Verwerfungen anfällig ist: Kurz vor
       Ausstellungsbeginn veröffentlichte das Schleswig-Holsteinische Landesmuseum
       eine Presseerklärung, mit der es sich gegen „infame Lügen“ seitens der
       Bremer Ausstellungsmacher zur Wehr setzen will.
       
       Uta Halle, Bremer Landesarchäologin und Initiatorin der
       „Germanien“-Ausstellung, hatte im taz-Interview das Fehlen von Leihobjekten
       aus dem Wikinger-Museum Haithabu bedauert. Und erklärt: „Mein dortiger
       Kollege möchte keine Verknüpfung des heutigem Images von Haithabu mit der
       NS-Geschichte.“
       
       Haithabu gehörte zu den spektakulärsten Grabungserfolgen der NS-Zeit. Das
       „SS-Ahnenerbe“ investierte dort über die Hälfte seines gesamten
       Grabungs-Etats – es galt, die „nordgermanischen“ Wikinger als welterobernde
       Vorfahren für sich in Anspruch zu nehmen.
       
       Das alles wird vom Schleswig-Holsteinischen Landesarchäologen Claus von
       Carnap-Bornheim nicht bestritten – wohl aber eine Verweigerungshaltung. Man
       habe die Bremer Kollegen nach Kräften unterstützt, lässt von
       Carnap-Bornheim erklären, schon bei ihrem der Ausstellung zu Grunde
       liegenden Forschungsprojekt: „Sie erhielten Zugang zu allen Archiven.“
       
       Von einem Boykott der Ausstellung könne keine Rede sein: Das Archäologische
       Landesmuseum Schleswig-Holstein habe 12 Exponate ausgeliehen, darunter
       merowingische Gürtelschließen und das Modell des Oseberg-Schiffs. Acht
       speziell aus dem Wikinger-Museum Haithabu angefragte Objekte blieben
       allerdings zu Hause.
       
       Warum? Das Landesmuseum verweist auf mangelnde „Reisefähigkeit“ der
       Objekte, auf grundsätzliche Nicht-Ausleihbarkeiten – argumentiert im Fall
       eines rund 1.000 Jahre alten Prunkschwerts aber auch inhaltlich: „Die
       Anfrage erschien uns nicht ganz schlüssig.“ Das Schwert wurde 1908 gefunden
       und stehe „zunächst in keinem Zusammenhang mit dem Dritten Reich“.
       
       „Zunächst“? Für die NS-Rezeption der Wikinger-Funde spielt das Schwert eine
       große Rolle. Im „Dritten Reich“ zählte es zu den häufig abgebildeten
       „Germanen“-Trophäen und zierte das Cover von Herbert Jankuhns populärem,
       1937 erschienenem Buch „Haithabu, eine germanische Stadt der Frühzeit“, das
       bis 1986 immer wieder nachgedruckt wurde. Jankuhn rückte als Chefausgräber
       von Haithabu in den persönlichen Stab von SS-Chef Himmler auf.
       
       Ein flüchtiger Austellungsbesucher hätte in Bremen jedoch den Eindruck
       gewinnen können, das wichtige Schwert sei ein NS-Fund, befürchtet von
       Carnap-Bornheims Kollege Ralf Bleile, Leiter des Archäologischen
       Landesmuseums Schleswig-Holstein.
       
       Auch Dirk Mahsarski, Jankuhn-Forscher und Mitkurator der Bremer
       Ausstellung, zieht Kritik aus Schleswig-Holstein auf sich, auch ihm wird
       eine „infame Lüge“ vorgeworfen: Mahsarski hatte eine breite öffentliche
       Diskussion der NS-Geschichte Haithabus eingefordert und in der taz
       bedauert, dass „die NS-Prägung des Ortes Besuchern nicht vermittelt“ würde
       – trotz seiner Bedeutung auch für die heutige rechtsextreme Szene. Wird die
       also vermittelt? „Nein“, bestätigt Bleile. Man fokussiere sich auf die
       Vermittlung der frühmittelalterlichen Lebenswelt, die Forschungsgeschichte
       bleibe insgesamt außen vor.
       
       Das Leitbild seines Hauses sei nichtdestoweniger eindeutig. „Mit dieser
       Vergangenheit kann es keinen Frieden geben“, erklärt Bleile – ein
       Anspielung auf die Zeit, die dem Wikinger-Museum im Nachgang zum
       taz-Interview vorwarf, „einen faulen Frieden mit der braunen Vergangenheit
       gemacht“ zu haben. Das sei ebenso „haltlos“ wie der von Bleile so
       verstandene Vorwurf aus Bremen, sich insgesamt nicht mit den Einflüssen des
       Nazi-Regimes auf die Archäologie in Schleswig-Holstein auseinanderzusetzen.
       „Damit“, sagt Bleile, „gehen wir seit mehr als zwei Jahrzehnten ganz
       offensiv um.“
       
       8 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Henning Bleyl
 (DIR) Henning Bleyl
       
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 (DIR) Museum
       
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