# taz.de -- Doppelte Staatsbürgerschaft: Erzwungener Identitätskonflikt
       
       > Ein Politik-Kurs der Gesamtschule Ost erstellt eine Broschüre zum Thema
       > doppelte Staatsbürgerschaft. Nur drei von 20 SchülerInnen hätten diese
       > gerne.
       
 (IMG) Bild: Sind viel mehr als bloß deutsch: Izzet, Furkan, Samar und Sabesan (von links).
       
       Den „mit Abstand besten Beitrag“ von 235 eingereichten Bewerbungen lieferte
       ein Politik-Kurs der Gesamtschule Ost beim bundesweiten Wettbewerb
       „Demokratisch handeln“ ab. Dies sagte den Schülern persönlich am Montag
       Adrienne Köhler, die Regionalbeauftragte des unter anderem vom
       Bundesbildungsministerium geförderten Programms. Köhler war zu der
       Pressekonferenz gekommen, auf der die Schüler zusammen mit ihrem Lehrer
       Hans-Wolfram Stein eine Broschüre vorstellten, die aus ihrem Projekt zur
       doppelten Staatsbürgerschaft entstanden war. Diese wurde jetzt in
       10.000-facher Auflage gedruckt und kann als Unterrichtsmaterial bestellt
       werden.
       
       „Wer ist Deutscher?“, lautet der Titel des Hefts, auch in den Texten wird
       fast ausschließlich die männliche Form verwendet. „Ein Fehler“, räumt der
       pensionierte Lehrer Stein ein, geschuldet dem Umstand, dass im Kurs
       ausschließlich Jungen säßen. Nur vier von den 20, die noch an dem Projekt
       arbeiten, haben keinen Migrationshintergrund. Doch wer von den anderen
       einen deutschen Pass hat und aus welchen Gründen, das habe anfangs für
       Überraschungen gesorgt, erzählt Stein. Einer der Schüler hat einen
       ghanaischen Vater, der zum Zeitpunkt seiner Geburt die deutsche
       Staatsbürgerschaft inne hatte, sein Sohn war damit automatisch ebenfalls
       Deutscher. „In den USA wäre es selbstverständlich, dass jemand mit dunkler
       Hautfarbe US-Bürger ist, aber hier sind erst mal die Kinnladen herunter
       geklappt.“
       
       Andere in dem Kurs wiederum hätten gerne die deutsche Staatsbürgerschaft,
       ohne dafür ihre andere aufgeben zu müssen, so wie es derzeit das Gesetz
       vorschreibt. Betroffen sind davon allerdings lediglich der 15-jährige
       Samar, dessen Eltern aus Pakistan kommen, und der gleichaltrigen Izzet, der
       einen türkischen Pass hat. Beide finden die geltende Regelung ungerecht.
       Jemand aus dem Iran bekäme automatisch den Doppelpass, berichtet Samar von
       den Recherchen der Schüler, weil der Iran es seinen ehemaligen BürgerInnen
       so schwer macht, den iranischen Pass abzugeben. Auch EU-Ausländer dürften
       beide Pässe behalten, während ihm dies verwehrt bliebe, sagt Samar.
       
       Etwa in der Hälfte aller Fälle würde die Doppelstaatlichkeit anerkannt,
       bestätigt die ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesende Bremer
       Integrationsbeauftragte Silke Harth. Die seit dem Jahr 2000 bestehende
       Optionspflicht, nach der man sich für einen Pass entscheiden muss, zwinge
       die jungen Leute in einen Identitätskonflikt, sagt sie. „Der Doppelpass ist
       ja auch eine Möglichkeit, seine Zugehörigkeit zu mehreren Kulturen
       auszudrücken.“ Außer Izzet und Samar meldet sich aber nur Furkan auf die
       Frage, wer gerne noch einen weiteren Pass hätte. „Ich habe türkische
       Wurzeln“, erzählt der 18-Jährige, „ich gehöre auch zur Türkei.“ Diese
       Identität würde ihm auch von anderen zugewiesen. „Ich werde auf der Straße
       komisch angeguckt, weil ich schwarze Haare habe und türkisch aussehe.“
       Seinem Mitschüler Sabesan, dessen Eltern aus Sri Lanka stammen, hingegen
       reicht der deutsche Pass. „Ich lebe seit meiner Geburt hier“, sagt er. Zwar
       fühle er sich „nicht unbedingt als Deutscher“, aber seine Zukunft sieht er
       hier. So sehen es auch die anderen, mit dem Land ihrer Eltern verbindet sie
       zu wenig.
       
       Sind die anderen, die nur eine Sprache sprechen und keine Wurzeln in fernen
       Ländern haben, eigentlich neidisch auf diese Besonderheit? „Nein“,
       antwortet der 16-jährige Nico. „Die Länder, aus denen die kommen,
       interessieren mich ja auch nicht so.“
       
       11 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Eiken Bruhn
       
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