# taz.de -- Frauenbataillon der Volksbühne Berlin: Rollentausch in der Postapokalypse
       
       > Mit der Inszenierung „Das Duell“ nach Tschechow beerdigt Regisseur Frank
       > Castorf in der Volksbühne Berlin mindestens mal das System Mann.
       
 (IMG) Bild: Außen erzählt die Kamera, was innen in der Hütte geschieht: Sophie Rois (Mitte hinten) als liederlicher Säufer in der Kaukasus-Kulisse.
       
       „Schulden?! Was?!“ Doppelt und dreifach durchschaubar ist die gespielte
       Empörung, mit der Sophie Rois in der Rolle eines liederlichen Russen die
       Bezahlung seiner Schulden von sich weist. „Das wird nicht bezahlt.“ In so
       einem Moment wünscht man sich, bestimmte Bilder der Inszenierung von Frank
       Castorf ausschneiden und, sagen wir mal, unter die
       „Tagesthemen“-Berichterstattung zu Zypern mixen zu können.
       
       Und auch wenn Silvia Rieger, die streng wie eine Domina den nüchternen
       Wissenschaftler Koren gibt, der leider keine anderen als rassistische
       Erkenntnisse findet, mal wieder analysiert: „Die Deutschen haben dich
       verdorben.“ Das gilt für jeden, der in Korens Augen kein nützliches
       Mitglied der Gesellschaft ist.
       
       Man könnte also behaupten, es geht um das deutsch-russische Verhältnis der
       Gegenwart und seine lange, unter anderem literarische Vorgeschichte im
       jüngsten Volksbühnen-Spektakel. Vorlage ist eine Erzählung von Anton
       Tschechow, „Das Duell“, die irgendwo im Kaukasus spielt.
       
       ## Ausgiebig auf dem Sofa liegen
       
       Auf der Bühne, von Alexandra Denic eingerichtet, sieht der Kaukasus aus wie
       eine ewig staubende und rauchende Kohlenhalde, mit Zwiebelkirchturm, Hütte
       und unterirdischen Verschlägen. Innen wird ausgiebig auf dem Sofa gelegen,
       Suppe gegessen, Schnaps getrunken, werden Intrigen und Fluchten geplant.
       Außen sieht man das alles in Filmbildern auf einem Billboard neben dem
       Kirchturm. Ölfässer stehen auch noch rum, Grenzen sind unpassierbar,
       ziemlich postapokalyptisch, dieser Bühnen-Kaukasus.
       
       Die russische Literatur hat Frank Castorf schon in den neunziger Jahren
       geholfen, den Ballast an Ideologien, Projektionen und Vorurteilen kenntlich
       zu machen, der als ziemlich lebendiger Untoter das Ost-West-Verhältnis
       prägt. Das Überraschende dieser früheren Passagen durch das vermeintlich
       weit Entfernte, um in der Nähe rauszukommen, aber hat „Das Duell“ nicht
       mehr. Von einzelnen Stichworten angetriggert, erwartet man ständig ein Mehr
       an Bezügen und gedanklichen Verquickungen, als sich dann einstellen wollen.
       
       Stattdessen ist man mit einer viel banaleren Schwierigkeit konfrontiert.
       Erst mal zu kapieren, wer denn die Männer sind, die diesmal bis auf eine
       Ausnahme (Hermann Beyer als alter Armeearzt) von Frauen gespielt werden.
       Ohne Programmzettel wäre ich zum Beispiel nicht draufgekommen, dass Kathrin
       Angerer nicht nur Kathrin Angerer, sondern auch einen Diakon spielt.
       
       ## Ein ganzer Kerl, der macht zwei Tage durch
       
       Klar, da liegen ein paar Gags im Genderrollenmix. Ist schon grandioser
       Slapstick, wie Sophie Rois den Stolz des Säufers karikiert, weil er nicht
       nur einen, sondern zwei Tage durchgemacht hat, und seine Geliebte (Lilith
       Stangenberg) derweil aus dem Bett drängelt, bis sie auf den leeren Flaschen
       darunter landet – „nu häng doch nicht schon wieder an der Flasche“.
       
       Es kommt auch zu gruseligen Augenblicken von schöner Absurdität, wenn
       Kathrin Angerer beschwörend die Bienen als Gleichnis heranzieht in einem
       langen Monolog zwischen Fahnen: „Die männliche Abart, so habe ich Sie
       verstanden, die Drohnen, die man töten muss, die bleiben doch am Leben, die
       fressen doch den Honig auf, die Männer, die demoralisieren und unterdrücken
       uns Bienen. Als Ergebnis haben wir die Vorherrschaft der Schwachen, der
       Männer, über die Starken, und die Degenerierung der Männer.“ Dass die Rede
       von Starken und Schwachen, von Nützlichen und Unnützen ständig in einen
       Taumel gerät, der den Schwachsinn ihrer Logik bloßlegt, gehört zu den
       erhellendsten Momenten der Inszenierung.
       
       Allein, das scheint doch wenig Ertrag für den Aufwand des fast
       vierstündigen Abends. Oft ist es allein die Dynamik der kreisenden
       Drehbühne, der aufgeladenen Musik und der zugespielten Filmzitate, die
       Spannung und Erwartung suggeriert. Die technischen Mittel greifen ins Große
       und Monumentale, die menschlichen Szenen davor verwuseln sich eher
       kleinteilig und verwirrend. Das ist möglicherweise eine Strategie, um das
       frustrierende Messen des eigenen Lebens an medialen Bildern zu
       thematisieren. Auf jeden Fall aber eine auf Dauer ermüdende Strategie.
       
       29 Mar 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katrin Bettina Müller
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Frank Castorf
 (DIR) Deutsches Theater
 (DIR) Theater
       
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