# taz.de -- Opferschutz für vergewaltigte Frauen: Spurensicherung ohne Brimborium
       
       > Schleswig-Holstein stellt als erstes Bundesland die Weichen für die
       > Einführung einer flächendeckenden anonymen Beweissicherung für
       > vergewaltigte Frauen, die es bislang nur in Großstädten gibt.
       
 (IMG) Bild: Wichtige Spurensicherung: Nach Straftaten können aus den unscheinbaren Fasern Beweise werden.
       
       HAMBURG taz | Schleswig-Holstein wird wohl demnächst als erstes Bundesland
       eine flächendeckende anonyme Spurensicherung für vergewaltigte Frauen
       einführen. Eine entsprechende Initiative der Piratenpartei sowie einen
       Zusatzantrag der Regierungskoalition hat der Kieler Landtag an den
       Sozialausschuss zur weiteren Ausgestaltung überwiesen. „Im Prinzip herrscht
       Einigkeit, dass das Anliegen völlig berechtigt ist“, sagt der Sprecher des
       Sozial und Gesundheitsministeriums Frank Strutz-Pindor. „Die Frage ist, wie
       flächendeckend ein hohes Niveau erreicht werden kann.“
       
       Die Initialzündung für den Landtagsabgeordneten der Piratenpartei, Wolfgang
       Dudda, hatte eine Fachtagung des Landesverband Frauenberatung zum Thema
       „Streitsache Sexualdelikte – Frauen in der Gerechtigkeitslücke“ gegeben.
       Denn dort wurde den Parlamentariern deutlich die Ausgangslage vor Augen
       geführt: Frauen, die Opfer sexualisierter Gewalt geworden sind, müssten
       sehr oft erst ihren seelischen Ausnahmezustand verarbeiten und ihre
       Traumatisierung überwinden, bevor es ihnen möglich ist, die Tortur einer
       Anzeigenerstattung über sich ergehen zu lassen.
       
       „Die sofortige Anzeigenerstattung verlangt das erneute Durchleben der Tat
       gegenüber einer fremden Person, ohne die Tat seelisch verarbeitet zu
       haben“, sagt Dudda. So sei auch zu erklären, dass nur ein Bruchteil der
       Fälle sexualisierter Gewalt gegen Frauen über 16 Jahren zur Anzeige komme.
       
       Doch für eine spätere Verurteilung des Vergewaltigers seien Frauen oft auf
       die ihre Aussage stützenden Spuren angewiesen, wenn nicht später vor
       Gericht die Situation „Aussage gegen Aussage“ eintreten solle oder sie mit
       entwürdigenden „Vergewaltigungsmythen“ wie Rache-Motiven konfrontiert
       werden möchten. Und diese Spurensicherung muss in der Regel binnen 24
       Stunden nach der Vergewaltigung erfolgen.
       
       Diese „Gerechtigkeitslücke“ möchte Dudda jetzt dadurch schließen, dass die
       Klinken im ganzen Land in die Lage versetzt werden, Spuren einer
       Vergewaltigung wie DNA-Absonderungen, Sperma-Rückstände und Faserpartikel
       anonymisiert sicherzustellen – was es schon in Hamburg, Bremen und Hannover
       gibt. „Die Spurensicherungssets kosten nach Auskunft der Polizei rund acht
       Euro“, sagt Dudda. Der Gebrauch sei durch die Polizei leicht vermittelbar.
       „Es müsste also nur eine Vereinbarung des Sozialministerium mit den
       Krankenhäusern zur Kostenübernahme abgeschlossen werden“, sagt Dudda.
       
       Der Leiter des Instituts für Rechtsmedizin am Universitätsklinikum
       Schleswig Holstein (UKSH), Professor Hans-Jürgen Kaatsch habe ihm
       versichert, mit seinem Team Schulungen der Ärzte an den Krankenhäuser
       vornehmen zu können, sagt Dudda. Die Lagerung der sichergestellten
       Körperspuren könnten mit einem chiffrierten Code fachgerecht an den beiden
       UKSH-Standorten in Lübeck und Kiel erfolgen. „Die Hoheit über die Chiffre
       soll jedoch das Opfer haben“, so Dudda.
       
       „Die Möglichkeit der anonymen Spurensicherung schließt also die
       Gerechtigkeitslücke“, sagt Dudda. „Wie viel leichter könnte ein
       Vergewaltigungsopfer in ein Strafverfahren gehen, wenn es weiß, dass seine
       Tatdarstellung durch gesicherte Spuren untermauert sind.“
       
       Die anonyme Spurensicherung und lagerung erleichtert es auch Frauen,
       Vergewaltiger, die aus dem persönlichen Umfeld stammen – was immerhin in
       mehr 66 Prozent der Täter der Fall ist –, erst später anzuzeigen und vor
       Gericht zu bringen. „Dann ist genügend Zeit gewesen, den sozialen Rückzug
       zu organisieren“, sagt Dudda, „so dass nicht auf einen Schlag das gesamte
       soziale Gefüge einstürzt.“
       
       Auch Ministeriumsprecher Strutz-Pindor hält eine „lebensnahe Lösung“ für
       unverzichtbar. „Über die gesicherten Spuren muss allein das Opfer
       entscheiden, was damit geschieht“, sagt er.
       
       1 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Kai von Appen
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Vergewaltigung
       
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