# taz.de -- Spurensicherung: Dickes Brett flächendeckende Hilfe
       
       > In ganz Schleswig-Holstein sollen Opfer von Gewalttaten anonym Spuren
       > sichern lassen können. Detailfragen sind aber weiterhin ungeklärt.
       
 (IMG) Bild: Bald auch, ohne dass Anzeige erstattet wird: Sicherung von Tatspuren.
       
       KIEL taz | Opfer einer Vergewaltigung wollen die Spuren der Tat eigentlich
       schnellstens tilgen: „Der erste Impuls ist duschen“, sagt Angela Hartmann
       vom Landesverband Frauenberatung in Schleswig-Holstein. Aber für ein
       mögliches Strafverfahren braucht es Beweise.
       
       Damit Dinge wie Spermaproben oder Bilder von Verletzungen gerichtssicher
       dokumentiert und aufbewahrt werden, muss heute in der Regel eine Anzeige
       vorliegen. Häufig sind Gewaltopfer direkt nach der Tat aber zu erschüttert,
       um sich für so einen Schritt zu entscheiden, vor allem, wenn der Täter aus
       dem Bekannten- oder Familienkreis stammt. Abhilfe schafft die „Anonyme“
       oder „Vertrauliche Spurensicherung“: Das Verfahren erlaubt es ÄrztInnen,
       Tatspuren auch ohne Anzeige zu dokumentieren. In Schleswig-Holstein sind im
       Prinzip alle Parteien im Landtag dafür, die Methode flächendeckend
       einzuführen. Aber seit gut einem Jahr wird über Details gestritten.
       
       Zurzeit können Gewaltopfer in den Rechtsmedizinischen Instituten der
       Uniklinik in Kiel und Lübeck sowie in Elmshorn als Außenstelle des
       Uniklinikums Hamburg-Eppendorf vertraulich Spuren sichern und speichern
       lassen. Geht es nach einem Gesetzesentwurf, der zurzeit von den
       Landtagsfraktionen beraten wird, soll es in jedem Kreis und in jeder
       kreisfreien Stadt in Schleswig-Holstein eine Anlaufstelle geben.
       
       Für Wolfgang Dudda von der Piratenfraktion und Katja Rathje-Hoffmann (CDU)
       – die treibenden Kräfte hinter dem Antrag, den am Ende möglichst alle
       Fraktionen mittragen sollen – wäre das sogar mehr, als sie am Anfang zu
       hoffen gewagt hatten. Beide sehen das breite Bündnis für die Opferhilfe als
       einen Beweis für die gute Zusammenarbeit im Parlament – nur passiert ist
       eben noch nichts.
       
       Das liegt auch daran, dass viele Sachfragen nicht geklärt sind. So sollen
       laut dem Antrags-Entwurf vor allem die „Kliniken der Regelversorgung“ für
       die Spurensicherung zuständig sein, also die kommunalen oder privaten
       Krankenhäuser. Bernd Krämer von der Krankenhausgesellschaft
       Schleswig-Holstein findet das Anliegen zwar gut, möchte die Last aber nicht
       allein bei den Kliniken sehen: Auch Praxen sollten einbezogen werden, sagt
       er. „Wir möchten vor allem, dass die Vorschriften klar sind“, so Krämer
       weiter. „Gerichtsfeste Dokumentation geht nicht nach Lust und Laune.“ Dabei
       spielten auch die Rechte des mutmaßlichen Täters eine Rolle: „Wenn es keine
       Spuren gibt, sollte auch das dokumentiert werden“, sagt Krämer. Sowohl für
       die fachliche Arbeit wie auch den richtigen Umgang mit Gewaltopfern brauche
       es Schulungen für das Personal.
       
       Und damit kommt die Kostenfrage ins Spiel. „So ein Spurensicherungs-Kit
       kostet vielleicht nur einige Euro, aber wenn man den Zeitaufwand und die
       Personalstunden mitrechnet, summiert es sich leicht auf einige Hundert“,
       fürchtet Krämer. Ungeklärt sind weitere Fragen: Wo genau sollen die Proben
       gelagert werden? Wer hat Zugang? Welche Fristen gelten bis zu ihrer
       Vernichtung?
       
       Nicht nur in Schleswig-Holstein wird über solche Fragen gestritten, das
       ergab eine bundesweite Umfrage der Landesarbeitsgemeinschaft der
       Frauennotrufe in Nordrhein-Westfalen aus dem Jahr 2011. Nordrhein-Westfalen
       führt bei der Zahl der Modellprojekte und regionalen Konzepte für die
       Spurensicherung, aber in fast allen Bundesländern gibt es Vorstöße (siehe
       Kasten). In einigen Orten tragen die Kliniken die Finanzlast, anderswo die
       Polizei, die Rechtsmedizin oder der örtliche Kriminalpräventive Rat.
       Extra-Kosten für Flyer, Öffentlichkeitsarbeit oder Beratung werden teils
       aus Spenden oder den allgemeinen Budgets der beteiligten Organisationen
       bezahlt.
       
       „Auf keinen Fall sollen am Ende die Opfer selbst zahlen müssen“, betont
       Angela Hartmann vom Landesverband Frauenberatung in Schleswig-Holstein. Sie
       könnte sich anstelle von Kliniken oder Praxen ein fahrbares Labor
       vorstellen, das zu den Frauen kommt. Das könne unter dem Strich günstiger
       sein als Standorte in allen Kreisen und kreisfreien Städten des Landes.
       
       Die lange Wartezeit auf einen Gesetzesentwurf sieht die Koordinatorin der
       Landesarbeitsgemeinschaft der Frauenberatungsstellen eher gelassen: „Wir
       sind es gewohnt, dicke Bretter zu bohren.“
       
       5 Mar 2014
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Esther Geisslinger
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Klinik
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Personalnot in Hamburger Kliniken: Hilferuf aus dem Krankenhaus
       
       Pflegepersonal an Kliniken zeigt immer häufiger Missstände und Engpässe an.
       Für die Gewerkschaft Ver.di ein Hinweis auf unhaltbare Zustände.
       
 (DIR) Opferschutz für vergewaltigte Frauen: Spurensicherung ohne Brimborium
       
       Schleswig-Holstein stellt als erstes Bundesland die Weichen für die
       Einführung einer flächendeckenden anonymen Beweissicherung für
       vergewaltigte Frauen, die es bislang nur in Großstädten gibt.