# taz.de -- Blow-Monkeys-Sänger über Thatcher: „Sie ermunterte zur Gier“
       
       > Mit souligen Popsongs schmähte Dr. Robert in den 80ern Maggie Thatcher.
       > Ihren Tod feiert er nicht. Aber versöhnliche Abschiedsworte gibt's von
       > ihm auch nicht.
       
 (IMG) Bild: „Sie war eine polarisierende Figur“: Thatcher-Gedenken in Indien.
       
       taz: Dr. Robert, im Blow-Monkeys-Song „The Day After You“ von 1987 singen
       Sie, offensichtlich an die damalige Premierministerin Maggie Thatcher
       gerichtet: „When You're not Around, We're gonna celebrate“. Und: ist Ihnen
       nun zum Feiern zumute? 
       
       Dr. Robert: Ich feiere den Tod anderer Menschen nicht. Mit dem „You“ in
       diesem Song war nicht allein Thatcher gemeint, sondern das, was sie
       repräsentierte.
       
       „The Day after You" befindet sich auf „She was only a Grocer's Daughter“.
       In mehreren Songs dieses Albums gibt es Anspielungen auf Thatcher. Was hat
       Sie dazu angetrieben, der „Eisernen Lady“ eine ganze Platte zu „widmen“? 
       
       Wir lebten damals in einer Zeit, in der sich die Gesellschaft spaltete. Ich
       schrieb lediglich über das, was um mich herum stattfand, und was die
       Menschen durchmachten.
       
       „The Day after You" wurde von der BBC aus ihrem Radioprogramm verbannt. 
       
       Ja, ist das nicht erbärmlich? Und nun zensieren sie [1][„Ding Dong! The
       Witch is Dead“!] 
       
       Es gibt noch viel beleidigendere, direktere Anti-Thatcher-Songs als die von
       Ihnen geschriebenen. Haben Sie Favoriten unter diesen Schmähliedern? 
       
       In meinen Augen ist [2][„Shipbuilding“], geschrieben von Elvis Costello und
       gesungen von Robert Wyatt, das beste all dieser Stücke. [3][„Ghosttown“ von
       den Specials] und [4][„A Town Called Malice“ von The Jam] sind ebenfalls
       großartig, aber „Shipbuilding" hat eine spezielle Atmosphäre.
       
       Bis heute hat es kein Politiker des Westens nach dem Zweiten Weltkrieg
       vermocht, eine ähnlich große Menge musikalischer Antworten auf seine
       Politik zu provozieren wie Thatcher. Sollte sie nicht eher als
       „Geburtshelferin“ einer blühenden britischen Gegenkultur während der
       Achtziger und frühen neunziger Jahre gepriesen werden? 
       
       Nein. Sie war eine polarisierende Figur, die zur Gier und zum Egoismus
       ermunterte, und die das Leben von Menschen zerstörte. Die Kunst mag unter
       solchen Umständen florieren, aber das ist nichts, für das man dankbar sein
       sollte. Meiner Meinung nach hatte Thatcher einen zynischen Blick auf die
       menschliche Natur.
       
       Die Melodien, die Sie für „She was only a Grocer's Daughter“ geschrieben
       haben, wären auch in einer Bar, in der ein Haufen Tory wählender Yuppies
       ihre Cocktails schlürften, nicht als störend empfunden worden. Die Vorliebe
       für eingängigen Pop, das Tragen schicker Klamotten, eine gewisse
       Blasiertheit: Ging es darum, die neuen Konservativen mit deren eigenen
       Waffen zu schlagen? 
       
       Es war die Idee, die Musik – und mit ihr die Botschaft – so vielen Menschen
       wie möglich nahezubringen. Aber für mich war es immer wichtig, gute Musik
       zu machen: nicht „Weinbar“-mäßig gut, sondern funky; nicht Sade, sondern
       Gil Scott Heron.
       
       Punk-Chronist Jon Savage [5][verwies jüngst in der taz] auf den
       affirmativen Charakter von einem Gutteil der 80er Jahre Popmusik.
       [6][Spandau Ballet] bezeichnete er als Thatcheristen, da sie die damals
       durchgesetzten Werte wie Konsumerismus und Elitismus repräsentierten. 
       
       Wie niedlich! Tatsächlich waren Spandau Ballet Unterstützer der Labour
       Party. Es gilt, Ausdruck und Flair nicht mit Konsumerismus und Elitsmus zu
       verwechseln. Ich kam über Oscar Wilde zum Sozialismus, einige taten dies
       über Woody Guthrie. Ich mag beide. Auf die Idee kommt es doch an.
       
       Die Blow Monkeys nahmen an der [7][Red Wedge Kampagne] teil, an der Seite
       von Paul Weller und Billy Bragg. Glaubten Sie damals wirklich, dass das
       Engagement von Musikern helfen würde, junge Menschen für die vom
       Wohlfahrtsstaat verkörperten Werte zu gewinnen und sie zu Labour-Wählern
       werden zu lassen? 
       
       Damals schon, ja. Ich möchte nur daran erinnern, dass meine Generation auch
       durch Musik politisiert wurde: The Clash, The Jam. Musik hatte eine
       Bedeutung. Das war, bevor „New Labour“ den „Markt“ umarmte. Wir hatten mit
       Red Wedge großartige Tourneen, fantastische Nächte. Es war toll,
       dazuzugehören.
       
       In Großbritannien regiert seit drei Jahren eine konservativ-liberale
       Koalition. Doch trotz der andauernden ökonomischen Misere, den
       Sozialkürzungen und der Unpopulariät von Cameron und Clegg ist kaum ein
       musikalischer Protest vernehmbar. Warum? 
       
       Es herrscht eine weitverbreitete Enttäuschung über „Parteipolitik“.
       Thatchers Kinder sehen nur machthungrige Politiker. Diese Politiker sind
       austauschbar. Sie streben keinen Wandel an, sie wollen bloß regieren. Und
       das Internet hat alles verändert; einiges zum Guten, aber es ist auch der
       große „Schnuller“. Es erkauft das Stillschweigen der Menschen.
       
       Haben Sie jegliche Hoffnung in die Labour-Partei aufgegeben? 
       
       Nein, da gibt es einige gute Leute. Aber die müssen mutig sein und es
       wagen, zu begeistern, voranzugehen und Dinge zu ändern. Die Herrschaft der
       Märkte gehört beschnitten, und die Grundversorgung muss zurück in die
       öffentliche Hand – wozu sollte Macht sonst nützlich sein.
       
       Morrissey schickt Thatcher nun mit [8][Beschimpfungen ins Grab.] Ist das in
       Ordnung? Oder halten Sie es eher mit Ex-Sex Pistols-Sänger John Lydon, der
       die Freudenpartys zum Tode Thatchers auf den Straßen von Liverpool,
       [9][Bristol und Brixton kritisierte]? 
       
       Mit Morrissey stimme ich selten überein und noch weniger mit Lydon. Dennoch
       habe ich den allerhöchsten Respekt vor ihrem Recht sich frei zu äußern. Und
       damals haben beide fantastische Musik gemacht.
       
       Aber wie sieht nun ein angemessener Abschied von Thatcher aus? Etwa so wie
       es [10][Aktivisten auf ihrer Facebook-Seite] vorschlagen: Stell Dich an die
       Trauermarsch-Route und drehe Dich schweigend um, wenn die Leiche
       vorbeigefahren wird? 
       
       Absolut. Dreht diesem staatlich finanzierten Debakel den Rücken zu! Sie
       hätten Thatchers Begräbnis dem privaten Sektor und hier dem billigsten
       Anbieter überlassen sollen. Das ist doch das, was sie gewollt hätte.
       
       17 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.youtube.com/watch?v=PHQLQ1Rc_Js
 (DIR) [2] http://www.youtube.com/watch?v=B6T9qp9XbRY
 (DIR) [3] http://www.youtube.com/watch?v=slmb4ZZ5pkY
 (DIR) [4] http://www.youtube.com/watch?v=6MtRlFixzyE
 (DIR) [5] /Jon-Savage-ueber-die-Eiserne-Lady/!114432/
 (DIR) [6] http://www.youtube.com/watch?v=hscFKrcruNE
 (DIR) [7] http://en.wikipedia.org/wiki/Red_Wedge
 (DIR) [8] http://true-to-you.net/morrissey_news_130409_01
 (DIR) [9] http://www.rollingstone.de/news/meldungen/article401064/john-lydon-man-sollte-thatchers-tod-nicht-feiern.html
 (DIR) [10] http://www.facebook.com/pages/Turn-Your-Back-on-Thatcher/163397390349663
       
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