# taz.de -- Kolumne Luft und Liebe: Zwangsjacken aus Spitze
       
       > Zwei Brüste, drei Körbchengrößen. Das Leben mit BHs ist kompliziert.
       > Verbrennen sollte man sie trotzdem nicht – höchstens tauschen.
       
 (IMG) Bild: Hoffentlich muss sie jetzt nicht zum Bus rennen.
       
       „Übrigens hab ich ja die schönsten Titten der Welt“, sagte meine Freundin
       A., als ich ihr erzählte, dass ich BHs shoppen war. „Hast du gerade gesagt,
       du hast schönere Brüste als ich?“, fragte ich. Wir einigten uns ziemlich
       schnell darauf, dass es viele schönste Titten der Welt gibt. Mindestens
       vier.
       
       Ich bin nicht so eine coole Sau wie meine Kollegin [1][Julia Seeliger], die
       sich ihre Unterwäsche per Crowdfunding finanzieren ließ. Einmal im Jahr
       gehe ich neue BHs kaufen, und ich muss alles selber bezahlen, und dieses
       ganze Anprobieren und Zurechtrücken dauert länger als ein Autokauf.
       
       Total lächerlich, [2][diese schwedische Wäschefirma], deren
       Mitarbeiterinnen auf ihren Namensschildern ihre Körbchengröße tragen
       sollten. Ja, meine Güte, natürlich ist das bekloppt und sexistisch. Aber
       vor allem ist es unprofessionell. Wenn es denn so einfach wäre, dass eine
       Frau nur eine Körbchengröße hat. Allein ich habe drei. Obwohl ich auch nur
       zwei Brüste hab. Aber je nach Hersteller, Modell und so weiter hab ich
       entweder Größe 70D oder 75C oder 85B.
       
       Der Tag, an dem eine Wäscheverkäuferin mich vermaß und mir erklärte, wie
       BH-Größen zustande kommen und dass es so etwas gibt wie Kreuzgrößen und
       dass viele Frauen genau zwischen zwei oder eben drei Größen liegen, dieser
       Tag hat mein Leben verändert. All die Jahre zuvor trug ich immer 75B, so
       wie alle Welt um mich herum immer 75B trug. Aber alle Welt kam auch abends
       nach Hause und riss sich die kneifenden, quetschenden Dinger vom Leib.
       
       „Warum trägst du die Teile überhaupt?“, hatte mich A. neulich erst gefragt,
       als ich abends zu ihr kam. Sie machte Kaffee, ich ließ mich aufs Sofa
       fallen und sagte, „sorry, ich muss mich erst mal ausziehen“, weil ich einen
       blöden, trägerlosen BH trug. „Warum ich die trage?“, sagte ich, „guck.“ Ich
       zog mein Oberteil hoch und hüpfte. „Ich möchte das nicht. Wenn es wackelt,
       tut es weh, ganz einfach“, sagte ich. A. nickte und betrachtete das
       Nachbeben. Ihr Glück, dass sie keine BHs braucht.
       
       Weil Brüste so unterschiedlich sind, ist auch die Geschichte mit der
       feministischen BH-Verbrennung bescheuert. Zugegeben, die 75Bs, die ich
       früher trug, diese Zwangsjacken aus Spitze, hätte ich am Tag meiner
       Körbchengrößenerleuchtung am liebsten verbrannt. Ich schenkte sie
       stattdessen einer Freundin, der sie passten. Ausziehen und tauschen statt
       verbrennen! (Da merkt man auch mal, aus welcher Zeit dieser
       Verbrennungs-Mythos kommt. Heute wird recycelt.) Meine neuen BHs aber, die,
       die machen, dass ich Treppen runterrennen kann oder dem Bus hinterher, die
       verbrenne ich sowieso nicht. Die wasche ich höchstens aus Versehen mit den
       falschen Farben zusammen.
       
       Irgendwann kam A.s Mitbewohner zu unserem Schönste-Titten-der-Welt-Gespräch
       dazu. Als er hörte, dass wir über BHs sprachen, verdrehte er die Augen. Es
       war dieser „Habt ihr keine anderen Probleme?“-Blick. „Sei froh, dass Männer
       keine Schwanzhalter brauchen“, fauchte A., und der Mitbewohner grinste:
       „Ich würde einfach den größten nehmen, den es gibt.“ Einer von uns lachte,
       zwei verdrehten die Augen.
       
       17 Apr 2013
       
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