# taz.de -- Wahl des italienischen Staatspräsidenten: Wenn-dann-Spiele in Rom
       
       > Vor der Wahl des Staatspräsidenten am Donnerstag präsentiert sich Italien
       > auf Facebook mit einem neuen Beziehungsstatus: „Es ist kompliziert“.
       
 (IMG) Bild: Nur eins ist klar: Giorgio Napolitano muss gehen.
       
       ROM taz | In einer Phase höchster politischer Unsicherheit hat Italiens
       Parlament den paradoxen Auftrag, den wohl einzig sicheren politischen Job
       auf nationaler Ebene zu vergeben: das Amt des Staatspräsidenten. Am
       Donnerstag treten Abgeordnete, Senatoren und 58 Vertreter der Regionen
       zusammen; den 1.007 Wahlmännern und -frauen obliegt es, den Nachfolger des
       scheidenden Giorgio Napolitano zu bestimmen.
       
       Sieben Jahre amtiert in Italien der Präsident, dem die Verfassung ähnliche
       Machtbefugnisse zuweist wie dem deutschen Bundespräsidenten. In Zeiten
       politischer Unüberschaubarkeit ohne klare Mehrheiten im Parlament aber
       wächst der „Presidente della Repubblica“ weit über die Rolle eines obersten
       Zeremonienmeisters hinaus: Er erteilt den Auftrag zur Regierungsbildung,
       und er entscheidet über die Auflösung des Parlaments samt Neuwahlen.
       
       Schon Giorgio Napolitano war dank dieser Befugnisse in den letzten zwei
       Jahren zum herausragenden Regisseur der italienischen Politik in der
       Eurokrise geworden. Napolitano entschied nach dem Scheitern der Regierung
       Berlusconi im November 2011 gegen sofortige Neuwahlen – sie hätten einen
       sicheren Sieg der Linken gebracht – und setzte dagegen bei den
       widerwilligen Parteien der Linken wie der Rechten die Technikerregierung
       Monti durch.
       
       Zentral wird die Rolle des Präsidenten erst recht gegenüber dem aus den
       Wahlen vom 24. und 25. Februar hervorgegangenen Parlament. Zwar verfügt die
       Allianz um die gemäßigt linke Partito Democratico (PD) im Abgeordnetenhaus
       über die absolute Mehrheit, doch im Senat herrscht ein völliges Patt
       zwischen den nunmehr drei politischen Blöcken: der Linken, der mit knapp 30
       Prozent fast gleich starken Berlusconi-Rechten und der Protestbewegung
       „Movimento5Stelle“ unter Beppe Grillo, die gut 25 Prozent erzielte.
       
       ## Die große Verweigerung
       
       Mit knapp 500 Stimmen stellt die Linke den größten Block in der
       Wahlversammlung; ihr fehlen nur ein paar Stimmen zur absoluten Mehrheit,
       die vom vierten Wahlgang an reichen würde, um den Präsidenten zu küren.
       Doch die Partei ist tief zerrissen über die weiteren politischen
       Perspektiven – und damit auch über die Auswahl eines passenden Kandidaten.
       
       Im Kern hat sie zwei Optionen: Entweder sie setzt auf ein
       Anti-Berlusconi-Bündnis und versucht, Grillos „5 Sterne“ auf ihre Seite zu
       ziehen. Oder aber sie verfolgt das Ziel, eine breite Links-Rechts-Allianz
       mit Berlusconi zu schmieden und eine Große Koalition im Namen des
       nationalen Notstands aufzulegen.
       
       Das Dilemma des PD-Chefs Pierluigi Bersani ist jedoch, dass Grillo sich ihm
       bisher hartnäckig verweigert; umgekehrt will Bersani und mit ihm die
       Mehrheit der Partei nichts von einem Zusammengehen mit Berlusconi wissen,
       auch wenn der sich seinerseits kooperationsbereit gibt.
       
       ## Prodi, Rodotà, D'Alema, Amato
       
       Zugleich schwellen die Konflikte in der PD in den letzten Tagen immer mehr
       an. Vor allem der junge Matteo Renzi, Bürgermeister von Florenz mit hohen
       Popularitätswerten, wirft Bersani vor, bloß kurzfristig auf die Wahl eines
       genehmen Präsidenten zu schielen, der dem PD-Chef dann die
       Regierungsbildung antragen soll.
       
       Je nach Option gibt es unterschiedliche Favoriten. Ein rotes Tuch für
       Berlusconi wäre zum Beispiel der frühere Regierungschef und
       EU-Kommissionspräsident Romano Prodi, aber auch der Jurist und langjährige
       Abgeordnete Stefano Rodotà. Der Rechten weitaus genehmer wären dagegen die
       früheren Ministerpräsidenten Massimo D'Alema und Giuliano Amato, die immer
       weitaus stärker den Dialog mit Berlusconi gepflegt haben als Prodi.
       
       Amato und D'Alema können deshalb keineswegs auf Stimmen aus dem
       Grillo-Lager zählen – Prodi oder Rodotà dagegen durchaus.
       
       18 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Michael Braun
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Italien
 (DIR) Wahl
 (DIR) Matteo Renzi
 (DIR) Enrico Letta
 (DIR) Giorgio Napolitano
 (DIR) Italien
 (DIR) Romano Prodi
 (DIR) Italien
 (DIR) Italien
 (DIR) Pier Luigi Bersani
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Neuer Chef der italienschen Linken: Matteo Renzi Superstar
       
       Der neue Vorsitzende der Partito Democratico ist anders als alle seine
       Vorgänger bei der italienschen Linken: jung, smart und rhetorisch begabt.
       
 (DIR) Neuer Ministerpräsident Italiens: Letta soll es machen
       
       Italiens Präsident Napolitano hat den sozialdemokratischen Politiker Enrico
       Letta zum Regierungschef ernannt. Die Nummer Zwei der Demokratischen Partei
       nahm das Amt an.
       
 (DIR) Kommentar Präsidentenwahl: Italiens Linke zerlegt sich
       
       Zwei Kandidaten, zwei Lager, nur Verlierer. Dass Giorgio Napolitano als
       Präsident einspringen musste, ist ein Waterloo für die Partito Democratico.
       
 (DIR) Italiens Staatsoberhaupt: Napolitano will weitermachen
       
       Ruhestand sieht anders aus: Weil auch im Wahlversuch Nr. 5 kein Nachfolger
       ermittelt werden konnte, erklärt sich der 87-jährige Präsident zu einer
       zweiten Amtszeit bereit.
       
 (DIR) Präsidentenwahlen in Italien: Auch Prodi scheitert
       
       Auch Romano Prodi ist bei seinem Versuch, neuer italienischer
       Staatspräsident zu werden, gescheitert. Er erhielt nur 395 der notwendigen
       504 Stimmen.
       
 (DIR) Kommentar Präsidentschaftskandidat Italien: Eine selbstmörderische Umarmung
       
       Sozialdemokraten und das Berlusconi-Lager haben sich auf Franco Marini als
       Präsidentschaftskandidaten geeinigt. Das wird mit einer Umarmung gefeiert,
       die Folgen hat.
       
 (DIR) Regierungskrise in Italien: Napolitano setzt auf Weise
       
       Italiens Präsident Napolitano kämpft will ein Expertengremium einsetzen,
       damit sich doch noch eine Regierung bildet. Einen vorzeitigen Rücktritt
       schließt er am Samstag aus.
       
 (DIR) Regierungskrise in Italien: „Unannehmbare Bedingungen“
       
       Vorerst hat Italien keine neue Regierung: Der Chef des
       Mitte-Links-Bündnisses, Pier Luigi Bersani, konnte keine Mehrheit hinter
       sich versammeln.