# taz.de -- Flüchtlingsalltag in der Kritik: Zugenähte Lippen als Protestform
       
       > Weniger Suizide, aber unverändert viele Selbstverletzungen: Eine
       > Initiative prangert die Folgen der deutschen Flüchtlingspolitik an.
       
 (IMG) Bild: Flüchtlingscamp am Berliner Oranienplatz: „zerstörerische Lebensbedingungen“.
       
       BERLIN taz | Im vergangenen Jahr sind die Selbstmorde von Flüchtlingen in
       Deutschland zurückgegangen, doch die Zahl der Selbstverletzungen und
       Selbsttötungsversuche blieb unverändert hoch. Das ist das Fazit der
       aktualisierten Dokumentation „Die bundesdeutsche Flüchtlingspolitik und
       ihre tödlichen Folgen“, die kürzlich von einer kleinen Gruppe der
       Antirassistischen Initiative Berlin (ARI) veröffentlicht wurde. Sie listet
       Vorfälle auf, die in der Regel keine Schlagzeilen machen.
       
       So brachte sich am 23. April 2012 ein iranischer Flüchtling in der
       Würzburger Asylunterkunft mit den Scherben einer zerbrochenen Flasche
       schwere Schnittverletzungen bei. Am 3. Mai letzten Jahres schluckte ein
       tunesischer Abschiebegefangener im Haftkrankenhaus der
       Justizvollzugsanstalt Leipzig vier Schrauben und einige Tage später einen
       zerbrochenen Löffel. Solche Vorfälle sind aus Flüchtlingsheimen und
       Abschiebegefängnissen aller Bundesländer dokumentiert.
       
       „Es sind die zerstörerischen Lebensbedingungen der Flüchtlinge in den
       Lagern und Heimen, die den Menschen oft keine andere Wahl lassen, als sich
       selbst zu verletzen“, erklärte Elke Schmidt der taz. Seit fast zwei
       Jahrzehnten sammelt sie mit MitstreiterInnen Nachrichten über Gewalt gegen
       Flüchtlinge. „Wir überprüfen alle Informationen und verlassen uns nicht nur
       auf eine Quelle“, versichert Schmidt. Laut der Dokumentation nutzen
       Flüchtlinge Selbstverletzungen zunehmend als Protestform.
       
       Aufgeführt sind verschiedene Hunger- und Durststreiks sowie das Zunähen der
       Lippen – Aktionen, mit denen Flüchtlinge öffentlich gegen ihre
       Lebensbedingungen protestierten.
       
       Zu den zentralen Forderungen der Flüchtlinge gehören die Abschaffung der
       Residenzpflicht und der Heime. Auslöser der bis heute andauernden Proteste
       war der Selbstmord des iranischen Asylbewerbers Mohammed Rahsepar im Januar
       2012 in einem Würzburger Flüchtlingsheim.
       
       17 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Peter Nowak
       
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