# taz.de -- Der sonntaz-Streit: „Der BH deformiert die Brust“
       
       > Ohne BH ist die Haltung besser, sagt der Sportmediziner Roullion. Auch
       > eine Dessousdesignerin plädiert für Oben Ohne. Ein Orthopäde
       > widerspricht.
       
 (IMG) Bild: Femen-Aktivistinnen, ohne Stütze, in Brüssel.
       
       Frauen brauchen keinen BH. Zu diesem Ergebnis kommt der französische
       Sportmediziner Jean-Denis Rouillon in einer Studie, die er vor kurzem in
       Frankreich vorstellte. Im sonntaz-Streit schreibt er: „Meine Ergebnisse
       sprechen deutlich dafür, dass BHs schlechte Auswirkungen auf die Brust
       haben.“
       
       Da die Teilnahme an der Studie freiwillig war, könne sie nicht
       repräsentativ für französische Frauen sein, räumt er ein. Allerdings habe
       er bei allen Probandinnen ohne BH deutliche Verbesserungen in der Haltung
       und der Form der Brust feststellen können: „Einerseits soll der BH die
       Brust in eine schöne, einheitliche Form bringen, andererseits deformiert er
       sie dauerhaft und macht sie abhängig von seiner Stützfunktion.“
       
       Rouillon will allerdings nicht generell Nein zu BHs sagen: „Die
       Entscheidung sollte Frauen selbst überlassen werden“. Am meisten freue ihn,
       dass das BH-Thema nun wieder breite Resonanz in den Medien finde: „Heute
       kann über solch ein Thema offener gesprochen werden als vor ein paar
       Jahren, der BH ist kein Politikum mehr.“
       
       Geneviève Belot hat an der Studie teilgenommen. Sie trägt seit fünf Jahren
       keinen BH mehr: „Dank Rouillons Studie lernte ich die Bedeutung einer
       ausgeprägten Brustmuskulatur schätzen. Ich verstehe nun, welchen Nutzen sie
       für die Brust hat und wie man sie trainieren kann.“ Sie arbeite selbst als
       Osteopathin und habe „jeden Tag mit Patientinnen zu tun, die aufgrund
       verschiedener Ursachen unter Rücken- und Schulterschmerzen leiden oder
       Atemprobleme haben, auch wegen ihres BHs.“
       
       ## Der BH macht abhängig
       
       Auch die Dessousdesignerin Stephanie Bebenroth sieht das Tragen des BHs
       kritisch. Sie schreibt: „Wie viele Maßnahmen der täglichen Hygiene und
       Pflege kann auch das Tragen von BHs zu einer Gewöhnung führen. Nehmen wir
       das Beispiel des Lippenpflegestifts: Benutzt man ihn dauerhaft, macht das
       die Haut abhängig.“ Warum sollte es sich mit dem BH nicht ähnlich
       verhalten? „Wenn man bedenkt, dass die Mehrzahl der Frauen keine passenden
       BHs trägt, kann das Weglassen des BHs in der Konsequenz doch nur gut sein.“
       
       Der Orthopäde Ulf Marnitz zweifelt jedoch an Rouillons Studie. Gerade bei
       Sportarten wie Trampolinspringen oder Tennis komme es „durch die Trägheit
       der Brust zu erheblichen Zugkräften, die nicht nur bindegewebsschädlich
       sind, sondern die Patientin auch aus dem Gleichgewicht bringen können“, so
       der Mediziner. Ab Körbchengröße C benötigten Frauen auch bei der Büroarbeit
       einen gut sitzenden BH, um „von den Brüsten nicht nach vorne gezogen“ und
       in eine „gebeugte Zwangshaltung“ zu verfallen, schreibt Marnitz.
       
       Die taz-Leserin Anne-Luise Lübbe arbeitet als Dessousverkäuferin und hält
       die Studie für mangelhaft, da Frauen mit 80-prozentiger Wahrscheinlichkeit
       ihre richtige BH-Größe nicht kennen. „Als Bra-Fitterin habe ich schon viele
       Frauen bei ihrer persönlichen BH-Geschichte begleitet. Ich habe gesehen, in
       welchem Maße ein passender BH die Brust sogar bei älteren Frauen dauerhaft
       festigen und Rückenschmerzen lindern oder verhindern kann.“
       
       Die meisten Frauen trügen jedoch BH-Größen und -Schnitte, die ihre Brust
       dauerhaft verformen können. Ein zu weites Unterbrustband und ein zu kleines
       Cup kommen am häufigsten vor. Das führe zu Rückenschmerzen und hängenden
       Brüsten, da das Gewebe durch die zu kleinen Cups in Richtung Achsel
       verdrängt werde. Die Haut bleibe jedoch am Platz und wird leerer.
       
       ## Der Muskel reicht nicht in die Brustspitze
       
       „Bei sehr schweren Brüsten kann der Brustmuskel das Gewicht der Brust nicht
       halten, da der Muskel nicht bis in die Brustspitze reicht“, schreibt Lübbe.
       „Mit altersbedingt schwindender Elastizität der Haut und durch die
       Schwerkraft wird die Haut ohne BH stärker gedehnt. Sie ist stärkeren
       Bewegungen ausgesetzt, die zu feinen Rissen führen, ähnlich wie bei
       Schwangerschaftsstreifen. Nicht BHs an sich, sondern unpassende BHs sind
       ungesund.“
       
       Auf unserer Facebook-Seite vergleicht ein taz-Leser den BH mit dem
       Kopftuch: „In Deutschland ärgert Mensch sich über Frauen, welche sich von
       den Männern zwingen lassen, ein Kopftuch zu tragen. Und bemerken dabei
       nicht, wie sehr wir uns an eigene Kleiderzwänge gebunden haben, die uns gar
       nicht mehr auffallen.“ Das Tragen von BHs sei „eine gesellschaftlich
       gegebene Norm“. Man betrachte Brüste „als zwei Objekte, die hinter
       möglichst viel Stoff gehören.“
       
       Die sonntaz-Frage beantworten außerdem Eustache Deschamps, französischer
       Poet aus dem 14. Jahrhundert, Angela Diwisch, Sexualtherapeutin, Catherine
       Hakim, Soziologin und taz-Leserin Elena Frense – in der aktuellen sonntaz
       vom 20./21. April 2013.
       
       20 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Liza Kroh
 (DIR) Anne-Sophie Balzer
       
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