# taz.de -- Die Wahrheit: Kekskrümel auf dem Spitzenkleid
       
       > Der Tower von London hat seinen Schrecken längst verloren. Früher wurden
       > dort die Gefangenen in dunklen Verliesen aufbewahrt ...
       
       Der Tower von London hat seinen Schrecken längst verloren. Früher wurden
       dort die Gefangenen in dunklen Verliesen aufbewahrt, aber eine Hinrichtung
       im Tower stand nur den privilegierten Mitgliedern der Gesellschaft zu.
       Lediglich im Jahr 1312 gelang ein paar Gefangenen der Ausbruch.
       
       Heutzutage brechen Menschen in den Tower ein. Einer ist neulich über das
       Eingangstor und über ein Innentor geklettert und hat ein schweres
       Schlüsselbund aus einer Schatulle entwendet, die entgegen den Vorschriften
       unverschlossen war. Ein Schlüssel zum Saal mit den Kronjuwelen war
       allerdings nicht dabei, die Schlüssel passten nur für die Zugbrücke, den
       Konferenzraum und das Restaurant.
       
       Peinlich war die Sache dennoch, zumal das Wachregiment, die berühmten
       „Beefeaters“ mit ihren Bärenfellmützen, den ganzen Vorfall beobachtet
       hatten. Sie konnten den Dieb aber nicht verfolgen, weil sie strikte
       Anweisungen hatten, ihren Wachtposten nicht zu verlassen.
       
       So musste man geschwind die Schlösser auswechseln lassen, damit der Dieb
       nicht zurückkommen und unter den Augen der Fleischfresser die Kekse aus dem
       Restaurant klauen konnte. Die Soldaten hatten zwar die Polizei zu Hilfe
       gerufen, doch die ließ sich nicht blicken, weil sie anderweitig beschäftigt
       war – vermutlich mit einem anderen dreisten Keksdieb. Dieser hatte nämlich
       eine Dose mit Gebäck aus dem Polizeirevier in Devon gestohlen.
       
       Die Beamten waren über den Verlust ihres Pausensnacks so erbost, dass sie
       den Diebstahl offiziell als Verbrechen anzeigten. Allerdings wollten sie
       nicht, dass die Öffentlichkeit Wind von ihrem Missgeschick bekam, doch
       aufgrund des Gesetzes über Informationsfreiheit drang die Geschichte nach
       außen. Die Polizisten mussten zugeben, dass sie bei ihrer Fahndung bisher
       keinen Schritt weitergekommen seien.
       
       Aus den Polizeirevieren in Devon sind voriges Jahr aber noch ganz andere
       Sachen geklaut worden, die Liste ist lang: zwei Polizeiwesten, der
       Tankdeckel eines Kleinwagens, ein Wettschein, zwei Haarspangen und ein
       Spitzenkleid. Was treiben die Beamten in ihrer Mittagspause?
       
       Keiner der 28 gestohlenen Gegenstände ist je wieder aufgetaucht, die
       Polizei steht vor einem Rätsel. Höchstwahrscheinlich handelte es sich bei
       den Fällen um Insider-Jobs. Knapp tausend britische Polizisten sind nämlich
       vorbestraft. Das ist aber nur die Spitze des Eisbergs, denn die Statistik
       enthält nur Taten, die im Amt begangen wurden. Die Verbrechen, die Leute
       verübt haben, bevor sie die Seiten wechselten und in den Polizeidienst
       eintraten, sind nicht aufgelistet.
       
       Aber auch so ist die Bandbreite der Taten beeindruckend, sie umfasst
       Drogenhandel, häusliche Gewalt, Geldfälschung, Raubüberfall, Einbruch und
       auch Diebstahl. Ob Kekse unter dem Diebesgut waren, geht aus der Statistik
       nicht hervor, ist aber aufgrund des Falls von Devon wahrscheinlich.
       
       Den dortigen Beamten müsste es doch möglich sein, ihren diebischen Kollegen
       zu überführen. Laut Beschreibung trägt er Haarspangen und hat Kekskrümel
       auf seinem Spitzenkleid.
       
       21 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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