# taz.de -- NS-Lager Sandbostel: Mehr als nur Gedenken in „Klein Belsen“
       
       > 68 Jahre nach der Befreiung gibt es eine neue, umfassende Ausstellung zum
       > Lager für Kriegsgefangene in Sandbostel. Überlebende und ein Befreier
       > haben sehr lange dafür werben müssen
       
 (IMG) Bild: Erst Arbeitsdienst-, dann für Kriegsgefangenenlager: Baracken des Lagers "Sandbostel".
       
       SANDBOSTEL taz | „Als wir das Lager endlich erreicht hatten, bot sich uns
       ein Bild des Grauens. Berge von Leichen fanden wir vor, mehr als
       siebentausend ausgemergelte KZ-Häftlinge und viele Tausend Kriegsgefangene.
       Die versuchten in dem Chaos zu retten, was zu retten war“, erinnert sich
       Dr. Hans Engel. Der 98-jährige Militärarzt gehörte zu den ersten, die das
       Kriegsgefangenlager Sandbostel am 29. April 1945 betraten. Die britischen
       Truppen waren so entsetzt über die verheerenden Zustände, dass sie das
       Kriegsgefangenenlager fortan Klein Belsen nannten. „In Anlehnung an das KZ
       Bergen Belsen. Das wurde ebenfalls von britischen Truppen befreit“, erklärt
       der Mediziner.
       
       Hans Engel, ein Rentner aus London, ist in Hamburg aufgewachsen. Am
       Bismarck-Gymnasium in Eimsbüttel machte er 1935 sein Abitur. Danach musste
       der Sohn jüdischer Eltern als „Nichtarier“ Hamburg verlassen. Zehn Jahre
       später kam er mit den britischen Truppen zurück nach Norddeutschland und
       versuchte Menschenleben zu retten. „Die Situation war verheerend, wir haben
       Ärzte, Schwestern und Helfer aus der näheren Umgebung zwangsrekrutiert, um
       die Überlebenden zu pflegen und aufzupäppeln.“
       
       Stalag XB Sandbostel hieß das Kriegsgefangenenlager im Militärjargon. Das
       35 Hektar große Areal liegt rund zehn Kilometer von der Kleinstadt
       Bremervörde und gut zwei Kilometer von dem kleinen Dorf Sandbostel
       entfernt. Konzipiert wurde es 1932 als Lager für den freiwilligen
       Arbeitsdienst, „1939 dann erweitert und zum ’Gefangenen Stammlager B des
       Wehrkreises X‘ umdeklariert“, sagt Andreas Ehresmann, Leiter der
       [1][„Gedenkstätte Lager Sandbostel“]. Der Historiker ist verantwortlich für
       die neue Ausstellung, die in zwei der fünfundzwanzig noch erhaltenen
       Gebäude des ehemaligen Lagers untergebracht sind.
       
       Während in der einen Baracke die Geschichte bis zur Befreiung am 29. April
       1945 aufgearbeitet wird, kann man im zweiten Teil der Ausstellung lernen,
       wie das Lager nach dem Ende des 2. Weltkrieges genutzt wurde: erst als
       britisches Internierungslager für die SS-Schergen und NS-Funktionäre, dann
       als Gefängnislager der niedersächsischen Justiz und schließlich als
       Aufnahmelager für junge, männliche DDR-Flüchtlinge. 1974 wurde das Areal
       privatisiert, bevor 1992 die historischen Bauten unter Denkmalschutz
       gestellt wurden.
       
       Dafür hatte sich auch Engel eingesetzt: „Ich habe mehrfach kritisiert, dass
       es weder ein Denkmal noch eine Ausstellung über die bedrückende Geschichte
       des Lagers gab“, sagt er. Er gehört genauso wie Roger Cottyn, ein
       ehemaliger belgischer Kriegsgefangener, und Klaus Volland, Initiator der
       Aufarbeitung der Lagergeschichte, zu den Ehrenmitgliedern des „Verein
       Dokumentations- und Gedenkstätte Sandbostel“. Der wurde 1992 gegründet und
       setzte gegen unterschiedlichste Interessen durch, dass in Sandbostel nicht
       nur der Toten gedacht, sondern sich auch mit der Geschichte des Lagers
       auseinandergesetzt wird.
       
       Die ist oft menschenverachtend, manchmal skurril und oft umstritten. Die
       Realität im Kriegsgefangenenlager hatte viele Facetten. Die schöneren haben
       die Nazis noch selbst in Szene gesetzt: mit Fotoalben, die Gefangene im
       Lagerladen genauso kaufen konnten wie Rauchwaren und Seife, mit
       Sportturnieren, der Bibliothek und einer Theatergruppe.
       
       Doch zu dieser Seite der Lagerrealität hatte nur ein Bruchteil der
       Insassen, zumeist die Offiziere, Zutritt. Die Mannschaften lebten unter
       ganz anderen Bedingungen, und innerhalb des Lagers gab es eine klare
       Hierarchie, wie der ehemalige belgische Kriegsgefangene Roger Cottyn
       berichtet. Belgier und Franzosen seien gegen Typhus geimpft worden, die
       Russen hingegen nicht. „Sie starben wie die Fliegen und ich sah morgens und
       abends die Wagen mit den Leichen durch das Lager fahren“, sagt Cottyn.
       
       Ganz oben in der Lagerhierarchie standen britische Soldaten und Besatzungen
       von aufgebrachten Handelsschiffen, danach kamen Franzosen und Belgier sowie
       Serben und Italiener. Zum Schluss kamen die Polen und ganz am Ende standen
       die Rotarmisten. Die kamen oft schon geschwächt und krank im Lager an, wie
       ein Schwerpunkt der Ausstellung verdeutlicht.
       
       Deshalb starben besonders viele russische Gefangene. Hinzu kam die kaum
       existente medizinische Versorgung, die schlechte Ernährung und auch der
       eine oder andere brutale Wachsoldat. „Mehr als 5.162 Verstorbene sind
       nachweisbar, doch die tatsächliche Zahl dürfte deutlich höher liegen“, sagt
       Historiker Ehresmann. Allerdings auch deutlich niedriger als die
       sowjetische Angabe von 46.000 ermordeten Rotarmisten.
       
       Gezeigt wird in der neuen Ausstellung auch die Bedeutung der Gefangenen für
       die regionale Wirtschaft. „Ohne die Arbeitskraft der Kriegsgefangenen wären
       die Bauern der Region genauso wenig über die Runden gekommen wie viele
       Industrieunternehmen in Bremen“, erklärt Andreas Ehresmann. Rund 650
       Arbeitskommandos mit je etwa dreißig Gefangenen gab es zwischenzeitlich
       parallel im Einsatz, so hat der Historiker Jens Binner im Auftrag der
       Dokumentationsstelle recherchiert. Die Verwaltung, die diese
       Arbeitseinsätze organisieren, koordinieren und auch abrechnen musste,
       befand sich im Vorlager und viele Dokumente wurden mit dem Anrücken der
       Befreier verbrannt.
       
       Dort war auch die Kommandantur und die Desinfektion untergebracht – im
       Gegensatz zu den Gefangenenbaracken, die aus Holzfertigteilen und etwas
       Beton konstruiert waren, in Backsteingebäuden. Die existieren noch, während
       das Gros der mehr als 120 Baracken hingegen abgebrannt oder abgerissen
       wurde. Nur noch knapp zwei Dutzend der 43 Meter langen Baracken stehen
       noch; davon elf gleich gegenüber von der Gedenkstätte. Dort hat ein
       Militariahändler alte Helme, Koppeln, Gasmasken und Ähnliches gelagert, die
       durch geborstene Scheiben, eingestürzte Dachpartien und umgefallene
       Seitenwände gut zu sehen sind. Bei Hans Engel löst das nur ein mürrisches
       Kopfschütteln aus – er hält wenig von dem Ambiente des Gedenkens. Für ihn
       ist entscheidend, dass 68 Jahre nach der Befreiung Klein Belsen eine neue
       umfassende Ausstellung hat. Dafür hat er lange gekämpft. Der Rest kann ja
       noch kommen
       
       Am 29.April 2013 ab 11.30 eröffnen Kulturstaatsminister Bernd Neumann und
       die niedersächsische Kultusministerin Frauke Heiligenstadt die neue
       Dauerausstellung
       
       24 Apr 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.stiftung-lager-sandbostel.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Knut Henkel
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Schwerpunkt Nationalsozialismus
       
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       Kriegsgefangenlager, 1945 starben hier 2.700 KZ-Häftlinge. Heute befinden
       sich auf dem Gelände ein Heim für "Neufundlaender in Not" - und eine
       Gedenkstätte. Von der war die Bevölkerung anfangs nicht begeistert.