# taz.de -- Kunst im Kino: Den ganzen Trubel ausgesperrt
       
       > Claudia Schmid hat den Bildhauer Richard Deacon zwei Jahre lang mit der
       > Kamera begleitet. Das Ergebnis heißt „Richard Deacon. In Between“.
       
 (IMG) Bild: Richard Deacon, Congregate, 2011, Edelstahl.
       
       Das Hängen des fantastischen Holzgerippes unter die Decke des
       Flagshipstores in Singapur ist Millimeterarbeit. Wie in der Werkstatt in
       London, wo die extrem verformten Holzteile zur Skulptur verschraubt wurden,
       beeindruckt auch hier ihre wirklich monumentale Dimension.
       
       Doch kaum ist der Aufbau vorbei und das Objekt hängt frei im Raum, da ist
       es dort auch schon verschwunden. So hoch ist der Raum – und unten sind die
       Regale und Vitrinen mit all den köstlichen Louis-Vuitton-Täschchen,
       Accessoires und Kleidern. Wer schaut da schon nach oben?
       
       Es hilft auch die Empore nicht viel, die den Betrachter dem Kunstwerk ein
       ganzes Stück näher rückt. In diesem Raum wird das Hochamt des Konsums
       gefeiert. Wie ehedem in den christlichen Kathedralen liefert die Kunst auch
       im Flagshipstore nur den glanzvollen Rahmen. „Der Künstler im Zeitalter des
       Neofeudalismus“ könnte der Film heißen, den diese eindrückliche Szene
       beschließt. Tatsächlich ist sein Titel „Richard Deacon. In Between“.
       
       Der 1949 in Bangor in Wales geborene Richard Deacon ist ein Künstler von
       Weltrang. Seitdem er in den 80er Jahren als einer der herausragenden
       Bildhauers Großbritanniens reüssierte (1987 erhielt er den Turner Prize),
       arbeitet und experimentiert er mit Stahl, Holz, Keramik, Glas, Verbundstoff
       oder Leder. Diese Materialien fräst, faltet, vernietet oder bindet er zu
       mächtigen Skulpturen zusammen, die dabei sehr organisch und leicht, fast
       schwerelos erscheinen.
       
       Er habe nie gedacht, dass er von seiner Arbeit würde leben können, sagt
       Deacon im Film. In den 70er Jahren, als er seine Karriere begann,
       existierte in Großbritannien kein Kunstmarkt. Heute liegt der Kurswert
       seiner Arbeiten, die in Privaträumen nicht unterzubringen sind, im
       sechsstelligen Bereich. Da bleiben nur Museen – oder Käufer wie die
       französische Luxusmarke mit der Semiöffentlichkeit ihrer exklusiven
       Filialen weltweit. Auch das gehört dann zu den fälligen Kosten von Größe.
       
       ## Neugierig-forschender Dialog mit dem Künstler
       
       Zwei Jahre lang hat die Künstlerin und preisgekrönte Filmemacherin Claudia
       Schmid den britischen Bildhauer begleitet. Ihre Dokumentation ist weniger
       ein Porträt des Künstlers als ein neugierig forschender Dialog mit ihm.
       Dazu muss sie – anders als Corinna Belz bei ihren Gerhard-Richter-Film –
       selbst gar nichts sagen. Sie hat die Kamera und er die Worte und
       Kunstwerke, wenn sie sich im Atelier, am Schreibtisch, im Museum, in der
       Brennerei oder Gießerei treffen und Einblick in den Entstehungsprozess der
       Konzepte, Objekte und Ausstellungen nehmen.
       
       Warum ist es eigentlich immer sehenswert und spannend, Kunst und Künstlern
       im Film, genauer noch: im Kino zu begegnen? Weil – trotz der öffentlichen
       Rezeption als Publikum – der ganze Lärm, der ganze Trubel der
       Ausstellungsbesucher und Vernissagengäste ausgesperrt ist und der Film
       wirklich die reine Meditation über das Kunstwerk ist, als das wir uns
       Kunstbetrachtung idealerweise vorstellen? Weil wir dem Kunstwerk in der
       Großaufnahme so nahe kommen wie nie? Und uns in Details vertiefen, in Ecken
       und Winkel der Objekte kriechen, die uns sonst gar nicht zugänglich sind?
       Und dabei einen Überblick über das Werk und seine Entstehung gewinnen, den
       ein Ausstellungsbesuch nie liefern kann?
       
       Die Vielzahl der Kunstdokumentationen im Kino, angefangen bei Gerhard
       Richter über Anselm Kiefer, Georg Baselitz bis demnächst Max Beckmann,
       scheinen jedenfalls anzuzeigen, dass das Kunstwerk im Zeitalter seiner
       technischen Reproduzierbarkeit seine wahre Aura überhaupt erst erlangt.
       Nämlich in der intellektuellen wie ästhetischen Präzisierung des
       künstlerischen, genauer: bildhauerischen Einfalls, wie sie Claudia Schmid
       in den zwei Jahren ihrer filmischen Auseinandersetzung mit „Richard Deacon.
       In Between“ beispielhaft gelingt.
       
       ## „Richard Deacon. In Between“. Buch und Regie: Claudia Schmid, D 2012, 90
       Min.
       
       24 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Brigitte Werneburg
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Turner-Prize
 (DIR) Malerei
       
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