# taz.de -- Kommentar Grünen-Parteitag: Einfach nur vernünftig
       
       > Diesen Grünen würde man sofort alle Kontoauszüge kopieren, damit sie die
       > Steuererklärung machen. Über die großen Fragen diskutieren sie aber nicht
       > mehr.
       
 (IMG) Bild: Frech, aber vernünftig – und auch irgendwie niedlich sind die Grünen
       
       Faulheit kann man diesen Grünen nun wirklich nicht vorwerfen: 2.600
       Änderungsanträge fürs Wahlprogramm, telefonbuchdicke Papierstapel,
       Diskussionen bis in die Nacht. Die Delegierten des Parteitags in Berlin
       fräsen sich Kapitel für Kapitel durchs Wahlprogramm, sie prüfen jede Zeile,
       sie diskutieren und streiten. Diese Ernsthaftigkeit ist angenehm.
       
       Aber streiten sie auch? Nein, über große Fragen streiten die Grünen von
       heute nicht mehr.
       
       Die Partei weicht nur Millimeter von dem soliden und gegenfinanzierten Kurs
       ab, den frühere Parteitage beschlossen haben. Und den die Parteispitze um
       Jürgen Trittin sorgsam vorbereitet und orchestriert hat.
       
       Ihr Angebot an die Wähler ist durch und durch vernünftig: Sie werben für
       die Energiewende, für soziale Korrekturen wie den Mindestlohn, für besser
       ausgestattete Schulen und vieles mehr. Um das zu finanzieren, muten sie
       Besserverdienenden moderate Steuererhöhungen zu.
       
       Das ist okay, das ist Mainstream-tauglich. Nur wagemutig ist es nicht.
       Routiniert stimmen die Delegierten alles weg, was als Verrücktheit
       ausgelegt werden könnte. Den Spitzensteuersatz nicht auf 49, sondern auf 53
       Prozent erhöhen? Du liebe Güte, denkt dran, was die CDU, FDP und die
       Bild-Zeitung daraus machen würden.
       
       Brav wirkt das, fast angestrengt bürgerlich, keineswegs aber rebellisch,
       gar – in Anführungsstrichen – frech. Diesen Grünen würde man sofort alle
       Kontoauszüge kopieren, damit sie die Steuererklärung machen.
       
       Nun sind Fleiß, Vernunft und finanzielle Solidität kein schlechtes Motiv,
       wenn irgendwie noch Eurokrise ist. Doch was nervt, ist, wie die Grünen ihre
       Attitüde sympathischer Streitlust vor sich hertragen. In den 2.600 Anträgen
       verbirgt sich kein echter Streit, nirgends, was nicht schlimm wäre, wenn
       die Grünen einfach sagen würden, dass sie alle sehr zufrieden mit dem
       Wahlprogramm sind.
       
       Doch stattdessen wird munter Streitlust inszeniert. Grüne erklären gerne,
       die Zeiten der Flügelarithmetik seien vorbei. Doch führten die Realos
       dieses Mal eindeutig das absurdeste Theaterstück auf. Sie halten sich, das
       muss man dazu sagen, qua Definition für vernünftiger als die Linken.
       
       Mehrere Realo-Strategen lancierten vor dem Parteitag ihre Anträge zur
       Finanz- und Steuerpolitik an die Medien. Sie gaben Interviews, warnten vor
       Umverteilungsorgien zum Schaden der Wirtschaft, erzeugten also den
       größtmöglichen Wirbel.
       
       Doch ihre Forderungen waren wolkig formuliert, auf dem Parteitag zogen sie
       gleich reihenweise Anträge zurück und erweckten auch sonst nicht den
       Eindruck, sie seien ernsthaft an Kursänderungen interessiert. Wohlwissend,
       dass sie die Abstimmungen sowieso verlieren würden.
       
       Ein Zwergenaufstand also, der von vornherein nichts anderes wollte als ein
       paar Schlagzeilen. Motzen ohne Inhalt. Um – ausnahmsweise – mal mit Claudia
       Roth zu sprechen: Das ist grüne Streitkultur at it's best.
       
       28 Apr 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Schulte
       
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