# taz.de -- NSU-Prozess in München: Presseplatz wird nachverlost
       
       > Es gibt neue Pannen bei der Medienplatzvergabe beim NSU-Prozess. Auch der
       > große Platztausch hat bereits begonnen. Ein Staatsrechtler äußert heftige
       > Kritik.
       
 (IMG) Bild: Welches Medium bin ich? Und wenn ja, wie viele?
       
       MÜNCHEN / BERLIN / KÖLN dpa | Auch das neue Akkreditierungsverfahren für
       den NSU-Prozess wird von Pannen und Problemen überschattet. Das
       Oberlandesgericht München [1][räumte Fehler bei der Auslosung der Plätze
       ein.] Ein Platz soll deshalb nachverlost werden. „Der Prozessbeginn am
       Montag ist dadurch nicht gefährdet“, betonte OLG-Sprecherin Andrea Titz.
       Die umstrittene Platzvergabe beschäftigt zudem ein weiteres Mal das
       Bundesverfassungsgericht.
       
       Das OLG hatte die [2][50 Medienplätze am Montag verlost (pdf)], nachdem das
       Verfassungsgericht die ursprüngliche Vergabe nach zeitlicher Reihenfolge
       der Anfragen beanstandet hatte. Ein Notar nahm die Ziehung vor. Das OLG
       räumte am Dienstag Pannen bei der Auslosung ein. „Wir haben das nach bestem
       Wissen und Gewissen durchgeführt. Und diese beiden Fehler, die aufgetreten
       sind, sind bedauerlich“, sagte OLG-Sprecherin Andrea Titz dem Bayerischen
       Fernsehen.
       
       Nach einem Bericht der ARD-Tagesschau landete bei der Verlosung die
       Bewerbung des MDR-Hörfunks versehentlich im Korb für die
       öffentlich-rechtlichen Fernsehsender. Außerdem sei in diesem Topf auch das
       Los eines freien WDR-Mitarbeiters gewesen, der zunächst nicht mitbekommen
       hatte, dass sich die ARD als Pool bewirbt. Doch seine Bewerbung sei
       trotzdem im Loskorb geblieben – und wurde auch gezogen. Der WDR-Mitarbeiter
       will nun auf seinen Platz verzichten.
       
       „Da die Unterlagen und die Loskörbe noch unverändert gesichert aufbewahrt
       sind, kann die Verlosung dieses einen Sitzplatzes noch diese Woche durch
       den Notar Prof. Dr. (Dieter) Mayer durchgeführt werden“, erklärte Titz. Es
       gehe um eine Platz für deutschsprachige Medien mit Sitz im Inland.
       
       ## -Gruppe und verzichten vorerst auf Klagen
       
       Am Dienstag ging in Karlsruhe die Verfassungsbeschwerde des freien
       Journalisten Martin Lejeune ein, wie das Gericht bestätigte. Er hatte seine
       Reservierung aus dem ersten Akkreditierungsverfahren bei der Neuverlosung
       der Plätze am Montag verloren. Die Welt-Gruppe und die Zeit wollen vorerst
       auf eine Klage verzichten, um den Prozessbeginn am 6. Mai nicht zu
       gefährden.
       
       [3][Lejeune rügt unter anderem,] dass „den im vorigen Vergabeverfahren
       erfolgreichen Journalisten der Platz nicht einfach wieder weggenommen
       werden“ dürfe. Außerdem seien freie Journalisten nicht ausreichend
       berücksichtigt worden. Das Verfassungsgericht hatte jedoch ausdrücklich die
       Möglichkeit eröffnet, dass das Oberlandesgericht die Presseplätze komplett
       neu vergibt. Im ersten Anlauf waren keine türkischen Medien zum Zug
       gekommen, obwohl acht von zehn Mordopfern des Nationalsozialistischen
       Untergrunds (NSU) aus der Türkei stammten.
       
       Zeit und Welt hatten – wie auch der Berliner Tagesspiegel und die
       tageszeitung (taz) – rechtliche Schritte erwogen. Alle waren beim Losen
       leer ausgegangen. Zeit-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo [4][sagte aber dem
       Radiosender Bayern 2], jede Klage würde den Prozessbeginn weiter verzögern.
       „Wir werden darauf verzichten (...) weil es ein viel höheres Gut gibt als
       unsere eigene Zufriedenheit, nämlich, dass die Angehörigen der Mordopfer
       endlich ihrem Verfahren beiwohnen können.“
       
       ## Erneute Prozessverschiebung befürchtet
       
       Der Chefredakteur der Welt-Gruppe, Jan-Eric Peters, teilte mit, eine
       spätere Klage sei „wegen des Präzedenz-Charakters“ keineswegs
       ausgeschlossen. „Das Auswahlverfahren des Münchner Gerichts hat gravierende
       Mängel mit absurden Folgen offenbart, die uns bei einer Klage gute Chancen
       eröffnen.“ Die Tagesspiegel-Chefredakteure Stephan-Andreas Casdorff und
       Lorenz Maroldt erklärten, dass sie eine Klage erwägen. Das Losverfahren sei
       unnötig, sein Ergebnis lächerlich.
       
       Einige der Redaktionen ohne feste Reservierung können unter Umständen
       trotzdem aus dem Gerichtssaal berichten, denn Tauschen ist diesmal erlaubt.
       Die dpa-Gruppe etwa stellt einen der ihr zugelosten Plätze den
       Nachrichtenagenturen Agence France-Presse (AFP) und Thomson Reuters für
       eine gemeinsame Poolberichterstattung zur Verfügung. Die Online-Redaktion
       der Frauenzeitschrift Brigitte will ihren Platz verlagsintern mit dem
       Magazin Stern teilen. Die Zeitungsgruppe Straubinger Tagblatt/Landshuter
       Zeitung tritt ihren Platz an die Nachrichtenagentur AP ab.
       
       Die Rechtsanwältin Angelika Lex – sie vertritt die Witwe eines
       NSU-Mordopfers als Nebenklägerin – befürchtet nun eine erneute
       Prozessverschiebung.
       
       ## Harte Kritik von Papier
       
       Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier,
       hat unterdessen das Oberlandesgericht München wegen der Vergabe der
       Presseplätze im NSU-Prozess kritisiert. Das nun angewandte Losverfahren sei
       zwar juristisch unanfechtbar, sagte er der Zeitung Die Welt. Es könne aber
       „gleichwohl nicht befriedigen“. Papier sprach von „Merkwürdigkeiten“, die
       in der Natur des Losens lägen.
       
       Der Berliner Rechtsanwalt Mehmet Daimagüler, der beim NSU-Prozess in
       München zwei Opferfamilien vertritt, äußerte ebenfalls Unverständnis über
       das jüngste Akkreditierungsverfahren. „Das Ergebnis ist absolut
       unbefriedigend“, sagte er dem Kölner Stadt-Anzeiger. „Man sollte meinen,
       dass ein Gericht im 21. Jahrhundert, insbesondere bei einem Prozess wie
       diesem, über ein Minimum an Medienkompetenz verfügt.“
       
       Der Staatsrechtslehrer Papier plädierte dafür, die Möglichkeit einer
       Videoübertragung zu nutzen. „Ich persönlich hätte die Pressebank deshalb
       von vornherein dergestalt erweitert, dass ich eine Videoübertragung in
       einen Nachbarraum für die akkreditierten Journalisten eröffnet hätte“,
       sagte Papier.
       
       Für ein so außergewöhnliches Verfahren seien die gesetzlichen Vorschriften
       über das Verbot von Fernseh- und Tonaufnahmen aus der Hauptverhandlung nach
       Sinn und Zweck zu interpretieren. „Und dabei hätte man nach meiner
       Auffassung zu dem Ergebnis kommen können, dass eine solche begrenzte
       Übertragung innerhalb des Gerichts ohne Aufzeichnungsmöglichkeit möglich
       ist.“
       
       Die Chancen, eine Videoübertragung in Karlsruhe einzuklagen, schätzt Papier
       allerdings als gering ein. „Nach meiner Auffassung ist eine solche
       Übertragung kein zwingendes rechtliches Gebot. Sie wäre aber eine Frage der
       pragmatischen Klugheit.“
       
       1 May 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.justiz.bayern.de/gericht/olg/m/presse/archiv/2013/03940/index.php
 (DIR) [2] http://dpaq.de/myNR5
 (DIR) [3] /Presse-Auslosung-im-NSU-Prozess/!115447/
 (DIR) [4] http://www.inforadio.de/programm/schema/sendungen/int/201304/30/188779.html
       
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