# taz.de -- De Maizière beim Kirchentag: Der skeptische Thomas
       
       > Der Verteidigungsminister spricht auf dem Kirchentag über die Speisung
       > der Fünftausend: Leiblichkeit solle in der christlichen Kirche ihren
       > Platz haben.
       
 (IMG) Bild: Protestierende Pazifisten gehen in der Masse der Protestanten unter, die wissen wollen, was Thomas de Maizière zu sagen hat
       
       HAMBURG taz | Dass die Bibelarbeit des Bundesverteidigungsministers im
       Michel nicht ohne Proteste ablaufen wird, ist schon vor der Kirche zu
       sehen. Auf kurzen Bierbänken gegenüber dem Kirchenportal verzehren drei
       PazifistInnen den Rest ihres Frühstücks. An der Wand lehnt ein Banner:
       „Militärmission abschaffen“.
       
       Drinnen will sich Thomas de Maizière (CDU) über die Frage „Was braucht der
       Mensch?“ Gedanken machen. Er hat sich dazu die Geschichte der Speisung der
       Fünftausend aus dem Johannes-Evangelium ausgesucht. Doch dazu kommt es
       erstmal nicht. Von der Empore hält ein junger Mann mit Zopf ein Tuch
       „Bundeswehr abschaffen“. Eine alte Frau verweist auf einen Mann, der
       dringend „dona nobis pacem“ singen wolle. Ein junge Frau, die sich mit
       ihrer Gitarre zu einem Lied vordrängt, wird gerade noch gebändigt. De
       Maizière schlägt vor: „Wir singen am Schluss alle gemeinsam dona nobis
       pacem.“
       
       Einer bunt gescheckten Gruppe auf der anderen Seite des Saals reicht das
       nicht: Sie singen leider unverständlich von Kriegsverbrechen, garniert mit
       einem ironischen Hallelujah. Ihr Chor wird im allgemeinen Beifall erstickt.
       „Hier sind ganz viele, die zur Bibelarbeit kommen wollten“, sagt de
       Maizière. Noch mehr Beifall. Thema durch.
       
       Zur Speisung der Fünftausend hat der Minister noch einige Geschichten
       wundersamer Speisungen im Alten Testament gefunden – angefangen beim Manna
       im Buch Mose über die Geschichte vom nicht leer werdenden Mehltopf bim
       Propheten Eliah und einer Geschichte aus dem Buch der Könige, in der 100
       Mann von zwei Broten satt wurden. Die Botschaft in dieser strukturellen
       Ähnlichkeit richte sich an die Juden, sagt de Maizière. „Es ist der gleiche
       Gott, der für Euch sorgt.“
       
       ## Platz für Leiblichkeit
       
       Die Speisung der Fünftausend liest de Maizière als eine Geschichte der
       Überraschungen. Jesus, dem zu dieser Zeit schon der Ruf des Messias
       vorauseilte, habe sich um Allzumenschliches gekümmert: „erst das Fressen“
       frei nach Brecht. „Leiblichkeit sollte in der christlichen Kirche ihren
       Platz haben“, findet de Maizière.
       
       Indem er die Jünger gefragt habe, was zu tun sei, um die Hungrigen satt zu
       machen, habe er sie in das Wunder eingebunden. „Wir müssen bereit sein, uns
       in die Pflicht nehmen zu lassen“, heißt das. „Ohne unser Mittun gibt es
       keine Wunder.“
       
       Beim Publikum kommt gut an, dass de Maizière auf die Rolle des Kindes
       verweist, das die fünf Brote und zwei Fische verkauft, die am Ende alle
       satt machen. Das einfache Denken der Kinder bewirke mehr als das Reden und
       Handeln der Erwachsenen, sagt er. Dafür gibt es Beifall.
       
       ## „Keiner geht bei Christus verloren“
       
       Am Ende bleibt von dem Essen sogar noch was übrig, was von den Jüngern in
       zwölf Körben gesammelt wird. Nichts gehe bei Christus verloren, sagt de
       Maizière. Daraus werde die Botschaft „keiner geht bei Christus verloren“.
       De Maizière räumt ein dass die Botschaft auf einem „physikalisch
       unmöglichen“ Ereignis fuße. „Ob es Wunder gibt?“, fragt er. „Ich weiß es
       nicht, ich bin ein skeptischer Thomas.“
       
       Doch die Geschichte ist noch nicht zu Ende: Als alle satt sind, entzieht
       sich Jesus, statt mit der Moral nach dem Fressen zu kommen. Er steigt auf
       einen Berg, um in de Maizières Lesart in Kontakt mit Gott zu treten und
       sich zugleich der Heroisierung zu entziehen. Denn die Menge will ihn zu
       ihrem König ausrufen. „Jesus sucht nicht die Begeisterung der Masse –
       sondern die Nachfolge in Freiheit“, sagt der CDU-Mann. Und: „Wir sind oft
       mit Gott allein.“
       
       Zum Schluss der Bibelstunde singen alle „Lobet den Herren“ und – der
       Verteidigungsminister hat sein Versprechen nicht vergessen – dona nobis
       pacem.
       
       5 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Gernot Knödler
       
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