# taz.de -- Rechtsextremismus: Bremens schwache Rechte
       
       > Rechte Gewalt ist in Bremen rückläufig, berichtet der Senat über
       > Rechtextremismus in den letzten fünf Jahren – und verteilt Lorbeeren an
       > Zivilgesellschaft und Antifa
       
 (IMG) Bild: "Eindrucksvoll" nennt der Senatsbericht diese antifaschistische Demo im April in der Neustadt
       
       In Bremen waren rechtsextreme Gewalttaten 2012 auf dem niedrigsten Stand
       der letzten fünf Jahre. Unter insgesamt 127 rechten Straftaten im
       vergangenen Jahr waren vier Gewalttaten. Das geht aus dem „Fünften Bericht
       über Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit im Lande Bremen“ hervor,
       den Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) voraussichtlich am Dienstag vorstellen
       wird – einen Tag, nachdem in München der NSU-Prozess beginnt. Ein
       Berichtsentwurf liegt der taz vor, er umfasst die Neonazi-Aktivitäten und
       Gegenaktivitäten im Land in den Jahren 2008 bis 2012.
       
       Danach seien rechtsextreme Straftaten und Fremdenfeindlichkeit in Bremen
       „nach wie vor nicht sonderlich auffällig“, Neonazis „vergleichsweise
       gering“ vertreten. Gewalttaten von Neonazis nahmen seit 2008 stetig ab, der
       Anteil der fremdenfeindlichen Delikte dagegen nahm zu: Bezogen auf die
       Gesamtkriminalität „Rechts“ lag im Jahr 2008 der prozentuale Anteil der
       Gewaltdelikte noch bei 7,09 Prozent, 2012 sank er auf 3,15 Prozent.
       
       Opferberatungen allerdings warnen regelmäßig davor, bei diesen Zahlen
       auszublenden, dass viele Betroffene von rechter Gewalt nicht zur Polizei
       gingen, da sie Angst vor weiterem „Ärger“ mit den Tätern hätten oder
       befürchteten, von der Polizei nicht sensibel genug behandelt zu werden.
       
       An der Weser dürfte das Verfahren wegen des rechtsextremen Angriffs gegen
       eine linke Ultra-Gruppe im „Ostkurvensaal“ 2007 nicht gerade zu Anzeigen
       ermutigt haben. An die 20 Rechtsextreme waren beteiligt, 2011 wurden sieben
       von ihnen nach einem Tatgeständnis zu Geldstrafen verurteilt.
       
       Zusammengetragen wurden die Ergebnisse des Berichts aus den betroffenen
       Senatsressorts – keine eigene Forschung also, sondern eine Bündelung des
       vorhandenen Wissens der Behörden, inklusive der Leerstellen. So konnte die
       Bitte der Bürgerschaft nicht ausreichend erfüllt werden, insbesondere „die
       Verbreitung von Fremdenfeindlichkeit und Rechtsextremismus in der
       sogenannten Mitte der Gesellschaft“ zu untersuchen. Dafür lägen in Bremen
       „keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse vor“, heißt es in dem
       Berichtsentwurf.
       
       Das ist keine Überraschung: Schon 2008 wiesen Oliver Decker und Elmar
       Brähler in der Untersuchung „Bewegung in der Mitte“ über rechtsextreme
       Einstellungen darauf hin, dass „die Fallzahl für Bremen so gering“ sei,
       dass der Stadtstaat bei den Vergleichen der Bundesländer herausgenommen
       wurde. Auch der Innensenator sieht, dass für Bremen ein eigenes
       Forschungsprojekt nötig wäre, wofür aber „weder Zeit noch Mittel zur
       Verfügung standen“.
       
       Eine solche Studie jedoch hätte eventuell das Phänomen „Bürger in Wut“
       (BIW) analytisch genauer erfassen können, um zu erklären, warum gerade in
       Bremen und Bremerhaven rechtslastige Parteien Zuspruch gewinnen, so wie
       einst lange die DVU. Mit der begrifflichen Einordnung der BIW, die 2011
       erneut mit einem Sitz in die Bremische Bürgerschaft einzog, ist der Bericht
       vorsichtig. Nicht erwähnt wird, dass die BIW zeitweilig der Europapartei
       „Europäische Allianz für Freiheit“ angehörte, in der auch der rechtsextreme
       „Vlaams Belang“ und die rechtslastige „Freiheitliche Partei Österreichs“
       noch vereint sind.
       
       Indes wird im Bericht keine pauschale Entwarnung gegeben, weil etwa die
       Mitgliederzahl der NPD trotz der Vereinigung mit der DVU nur auf 50
       Parteibuchbesitzer anwuchs oder die neue Partei „Die Rechte“ bisher keine
       Struktur in Bremen hat. Vorsichtig wird vielmehr zu „Die Rechte“ angemerkt,
       dass der Bundesvorsitzende Christian Worch durchaus auch hier angesehen sei
       und Unterstützung „zukünftig nicht auszuschließen“ sei. Immerhin
       unterhielten drei Hooligangruppen, die „Standarte Bremen“, „Nordsturm
       Brema“ (NS-HB) und die „City-Warriors Bremen“, persönliche Verbindungen zur
       rechten Szene. Ebenso bestünden Verbindungen von Rechtsextremen zu „Outlaw
       Motorcycle Gangs“, zu Rocker-Clubs wie den „Red Devils“, die als
       Unterstützer der Hells Angels fungieren. Konkrete Zahlen werden nicht
       benannt.
       
       Klar als rechtsextrem eingeordnet wird die noch recht junge „Identitäre
       Bewegung“. Die Identitären hätten eine „nationalistische, fremden- und
       insbesondere islamfeindliche Einstellung“. Die rechtsextrem-militanten
       „Hammerskins“, von denen eine der ersten Gruppen an der Weser vor Jahren
       gegründet wurde, werden nicht erwähnt.
       
       Ausführlich aufgeführt werden indes unterschiedliche Bremer
       Präventions-Projekte und Interventionen gegen Fremdenfeindlichkeit und
       Rechtsextremismus: Der „Lokale Aktionsplan“, das Geschichts-Theater-Projekt
       „Aus den Akten auf die Bühnen“ oder „köfte kosher“, bei dem jüdische und
       muslimische Kinder ein Denkmal für Neonazi-Opfer schufen. Die schwache
       Bremer rechte Szene sei „ganz besonders auch Ausdruck und Ergebnis des
       enormen zivilgesellschaftlichen Engagements“. Verwiesen wird dabei auch auf
       die Positionen des Astas der Uni Bremen gegen Burschenschaften, auf das
       „Ladenschluss“-Bündnis oder die Antifa-Aktivitäten gegen den Naziaufmarsch
       im April 2011 in der Neustadt: „Eindrucksvoll war das breite Bündnis
       ,Keinen Meter‘“, heißt es in dem Papier.
       
       Unerwähnt bleibt dabei die Kritik der AktivistInnen an Stadt und Polizei,
       der Knüppel- und Pfefferspray-Einsatz, die rechtswidrigen Inhaftierungen
       oder die Bespitzelung von DemonstrantInnen durch den Verfassungsschutz.
       Zumindest aber auf dem Papier herrscht wohl Einigkeit zwischen radikalen
       Linken und dem Senat: Der Bericht zeige, so heißt es darin, „dass es keinen
       Anlass gibt, bei den Anstrengungen zur Bekämpfung des Rechtsextremismus
       nachzulassen.“
       
       5 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Andreas Speit
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
 (DIR) Jean-Philipp Baeck
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