# taz.de -- Die zerstrittene SPD: Raserin, Tempodrossler, Maulstopfer
       
       > Die SPD streitet übers Tempolimit. Dabei könnte der Sololauf von
       > Parteichef Gabriel einen positiven Nebeneffekt haben – den des
       > Rollenwechsels.
       
 (IMG) Bild: Es scheint, als wahlkämpfe jeder vor sich hin, wie es ihm gefällt: Andrea Nahles, Peer Steinbrück, Sigmar Gabriel.
       
       BERLIN taz | Er ist einfach eine Rampensau, er liebt Alleingänge, schnelle
       Seitenwechsel, flinke Volten. Wäre SPD-Chef Sigmar Gabriel Fußballer, so
       ließe er sich am ehesten mit Arjen Robben oder Rafael van der Vaart
       vergleichen. Während die aber immer wieder mal einen reinmachen, vergeigt
       Gabriel seine Sololäufe regelmäßig.
       
       Das neueste Beispiel: Tempolimit. Eine kleine, unbedarfte Interviewäußerung
       von Gabriel macht seit Mittwoch die SPD nervös. Gefragt nach seiner Meinung
       zur Grünen-Forderung nach einer Geschwindigkeitsbegrenzung, sagte er:
       „Tempo 120 auf der Autobahn halte ich für sinnvoll, weil alle
       Unfallstatistiken zeigen, dass damit die Zahl der schweren Unfälle und der
       Todesfälle sinkt.“
       
       Rumms, das saß. Mit der Partei abgesprochen war sein Vorstoß wie so oft
       nicht.
       
       Zeitgleich mit der Autofahrerlobby vom ADAC widersprach Kanzlerkandidat
       Peer Steinbrück vehement. „In diesem Punkt stehe ich im Widerspruch zum
       SPD-Vorsitzenden“, sagte er, wenige Stunden nachdem Gabriels Forderung
       bekannt geworden war. Seit 20 Jahren laufe die Diskussion zum Tempolimit,
       er sehe keinen Grund, sie zu aktivieren. Solch offenkundige Uneinigkeit
       zwischen Parteichef und Kanzlerkandidat war selten.
       
       Wenn die zwei sich streiten, müsste Andrea Nahles als Schlichterin in den
       Ring steigen. Als Generalsekretärin die Mittlerin mimen, beide Positionen
       zusammenführen und einen Konsens nach außen verkaufen.
       
       ## Andrea Nahles: „Ich fahre gerne schnell“
       
       Nur leider hatte sie am Wochenende zuvor [1][dieses Interview] gegeben,
       Überschrift: „Ich fahre gerne schnell“. Zu sehen ist sie in der Frankfurter
       Allgemeinen Sonntagszeitung mit ausgebreiteten Armen auf einer Landstraße
       in der Eifel. Nahles bekennt sich zum Geschwindigkeitsrausch. Selbst ihre
       Tochter mahne sie hin und wieder: „Net schnell fahren“. Nahles Schlusssatz:
       „Spaß beim Autofahren zu haben ist besser, als kein Auto zu haben.“
       
       Eine Raserin, ein Tempodrossler und ein Maulstopfer – da ist sie wieder,
       die zerstrittene SPD.
       
       Und Gabriels Alleingang ist nicht der erste dieser Art. Vor zwei Wochen
       entwickelte er einen Fünf-Punkte-Plan gegen Steuerflucht – ohne Absprache
       mit der Partei. Mal stellt er, ohne Folgen, die Zypernrettung infrage. Dann
       kommentiert er unbedarft den NSU-Prozess, spricht von „rechtsradikalen
       Szeneanwälten“, die versuchten, „den Prozess zu torpedieren“. Aber so ist
       das bei ihm eben. Er spricht oft schneller, als er zu Ende gedacht hat.
       
       Seinen Sololauf zur Geschwindigkeitsbegrenzung hat er einen Tag später
       selbst wieder aufgegeben. Den Autofreunden von der Bild-Zeitung erklärte
       er, das Tempolimit werde kein Wahlkampfthema. „Sicherheit braucht Vorfahrt,
       mehr wollte ich nicht sagen“, so der reuige Schnellredner.
       
       ## Eigene Themen, eigene Ideen, Uneinigkeit
       
       Man fragt sich, ob im Willy-Brandt-Haus überhaupt noch irgendwer mit
       irgendwem spricht. Es scheint, als wahlkämpfe jeder vor sich hin, wie es
       ihm gefällt, mit eigenen Themen, eigenen Ideen. Was den SPD-Chef eigentlich
       reitet, mit immer neueren, immer spektakuläreren Forderungen nach vorne zu
       preschen, weiß niemand so recht. Denn aus dem Umfragetief hilft die
       Uneinigkeit kaum heraus.
       
       Andererseits: Auch wenn Gabriels Alleingänge regelmäßig ins Leere laufen,
       seine Partei nerven und den Wahlkampf auf den ersten Blick nicht leichter
       machen – nur blöd sind sie nicht. Haben sie doch einen unfreiwilligen
       Nebeneffekt: den des Rollenwechsels.
       
       War es sonst Kanzlerkandidat Steinbrück, der mit Aussagen über Weinpreise,
       Kanzlergehalt und italienische Clowns für Irritationen in- und außerhalb
       seiner Partei sorgte, übernimmt jetzt der Parteichef höchstselbst die Rolle
       des Störenfrieds der Partei, der negativ auffällt. Während Steinbrück
       derweil den Teamplayer spielen kann und die Sololäufe des Parteichefs
       wieder einfängt. Endlich kann er vernünftig wirken. Ganz kanzlerhaft.
       
       9 May 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.faz.net/aktuell/politik/andrea-nahles-im-interview-ich-fahre-gerne-schnell-12172247.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Paul Wrusch
       
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