# taz.de -- Bahreins Opposition: Zauberformel Iran
       
       > Die Sicherheitsberater kommen aus den USA, die Polizisten aus Pakistan:
       > Bahreins Königshaus traut dem eigenen Volk nicht. Zu Recht, denn es
       > protestiert täglich.
       
 (IMG) Bild: April 2013: Demonstranten in Jidhaf, westlich der Hauptstadt Manama, suchen Schutz vor den Tränengaspatronen der Polizei.
       
       MANAMA taz | Die Prinzessin hält eine Elektroschockpistole in der Hand.
       Einmal, zweimal, dreimal setzt sie das Gerät an. Einmal, zweimal, dreimal
       fährt der Frau vor ihr der Schmerz bis in die Fuß- und Fingerspitzen. Das
       Verhör beginnt, eine Stimme brüllt: „Deine Mutter ist Schiitin, sie gehört
       zur Hisbollah!“
       
       Szenen, die Rula Saffar wieder zum Häftling werden lassen, von einer
       Sekunde auf die andere, auch jetzt noch, während sie im Wohnzimmer ihres
       Hauses sitzt, dezent geschminkt, in Jeans und T-Shirt, als wäre sie nur
       irgendeine von den vielen Mittelschichtsfrauen, die in diesem Vorort von
       Manama hinter hohen Mauern ihren Gästen Tee einschenken.
       
       „Bis zum Frühjahr 2011“, sagt Rula Saffar, „war Opposition für mich nie
       etwas Konfessionelles. Es ging um mehr Mitbestimmung, um weniger
       Korruption. Erst im Gefängnis stellte ich fest: Alle, die hier sitzen, sind
       Schiiten.“ Pfleger, Ärzte, Krankenwagenfahrer, die, wie die Medizinerin
       Rula Saffar, während der Unruhen verletzte Demonstranten versorgt hatten.
       
       Sie alle wurden gleichermaßen beschuldigt, Umstürzler zu sein, Agenten des
       Iran, darum bemüht, im Königreich Bahrain die Herrschaft der schiitischen
       Religionsgelehrten zu errichten. Die Prinzessin und Polizeioffizierin Nura
       al-Khalifa, ein Sprössling der Herrscherfamilie, kümmerte sich persönlich
       um die Fälle, schlug die Gefangenen, folterte sie mit Elektroschocks, ließ
       Frauen mit Vergewaltigung bedrohen und am Ende mit verbundenen Augen ein
       Geständnis unterzeichnen, in dem sie sich als Helfershelfer des Iran
       bezichtigten.
       
       „Dies ist eben nicht Tunesien, sondern Bahrain“, konstatiert Rula Saffar.
       Die Demokratiebewegung als eine aus Teheran gesteuerte Bewegung
       schiitischer Islamisten hinzustellen, ist für den autokratisch regierten
       Inselstaat eine effiziente Überlebensstrategie. Am Königreich vorbei geht
       der Ölstrom durch die Straße von Hormus. Hier heißt der Nachbar Iran. Hier
       ist die 5. US-Flotte stationiert. Hier wirkt das Wort Iran Wunder.
       
       ## Carry oder Sally oder Ruby?
       
       Im Polizeifort von Manama erscheint zum Gespräch nicht, wie verabredet,
       Generalmajor Tareq Hassan, sondern eine hochgewachsene blonde
       US-Amerikanerin in dunklem Kostüm. „Wie war der Name: Carry oder Sally oder
       Ruby …?“ Sie überhört die Frage und fragt ihrerseits: „Wer schickt Sie,
       worauf läuft Ihr Bericht hinaus?“
       
       Dann folgt Smalltalk. Bahrain sei ein offenes Land. Als Frau könne sie
       überall herumlaufen – „und niemand guckt“. Aber diese Freiheit sei bedroht,
       denn der Iran wolle Bahrein sein System überstülpen. „Ahmadinedschad sagt
       es, die iranischen Medien sagen es.“ Die Amerikanerin ist eine von vielen
       westlichen Beratern, die dem bahrainischen Regime nach den Unruhen von 2011
       die Sicherheit organisieren helfen. Als sie den Zeitpunkt für gekommen
       hält, steht sie auf, schreitet voran zum Büro von Polizeichef Hassan.
       
       Fester Händedruck. Jovial, leicht untersetzt, blaue Uniform, goldene
       Sterne, Orden. Die ausländischen Fachleute, bestätigt er, bedeuteten für
       Bahrain eine Riesenhilfe gegen die iranisch gesponserten Umsturzversuche.
       
       Zum Glück habe man die Front rechtzeitig geschlossen, referiert Hassan:
       Golfstaaten und Westen ziehen am selben Strang. John Timoney und John
       Yates, ein US-Amerikaner und ein Brite, reorganisieren die bahrainischen
       Sicherheitskräfte, machen sie schlagkräftiger. Der eine: früher Star-Cop
       der New Yorker Polizei. Der andere: einst bei der Terrorabwehr von Scotland
       Yard. Kürzlich konnten Hassans Leute wieder eine Bombenfabrik ausheben,
       Sprengstoffe entdecken, eingeschleust von „ausländischen Agenten“. – „Wer
       genau?“ Der Polizeichef lacht. „Sie brauchen bloß mal das iranische
       Fernsehen anzuschalten.“
       
       Ja, man habe Fehler in der Vergangenheit begangen, gesteht der Polizeichef
       zu, damals bei den Protesten im Frühjahr 2011. Aber jetzt habe man sich
       darauf verpflichtet, die Empfehlungen des internationalen
       Bahrain-Untersuchungskomitees vom November 2011 umzusetzen: keine
       unangemessene Polizeigewalt mehr, kein Gebrauch gefährlicher Waffen. Und …
       was war doch noch der andere Punkt? „Verhaftungen …“, souffliert
       Carry-Sally. Richtig: Man werde bei Festnahmen und Inhaftierung darauf
       achten, die Verdächtigen angemessen zu behandeln.
       
       ## Tägliche Proteste
       
       „Die Mehrheit der Bevölkerung zu beschuldigen, Teil einer anderen Nation zu
       sein, ist die dümmstmögliche Politik, die sich irgendeine Regierung im
       gesamten Universum einfallen lassen kann.“ Mansur al-Jamri ist
       Chefredakteur von al-Wasat, der populären, einzigen unabhängigen
       Tageszeitung Bahrains. Festgenommen, freigelassen, wieder festgenommen,
       sitzt er in seinem Büro und darf weitermachen – solange er bei seiner
       Kritik die Königsfamilie nicht namentlich erwähnt. Das Regime behauptet
       zwar, die Unruhen seien niedergeschlagen, die Ursachen beseitigt, doch die
       Proteste, sagt Jamri, gehen weiter. Seit dem Frühjahr 2011. Abend für
       Abend. Er blickt auf seine Armbanduhr: Viertel vor sieben. „Los, sonst
       kommen wir zu spät.“
       
       Budaya heißt der Bezirk am Stadtrand von Manama – Shoppingmalls, Villen
       hinter Mauern, eine Straße mit Mittelstreifen. Schwarzer und weißer Rauch
       steigt weiter hinten auf. An einer Kreuzung stehen Polizisten mit Helmen
       und Gewehren und beschießen eine Gruppe Jugendlicher mit Tränengas, die
       dort einen Reifen angezündet haben. Mansur al-Jamri bremst abrupt, weil ihm
       die Sicht versperrt ist. Es knallt mehrmals. Über das Auto fliegen
       Projektile in Richtung der Demonstranten. Von der anderen Seite kommen die
       Feuerschweife der Molotowcocktails. Jamri saust los, mitten durch die
       Tränengasschwaden. Hustend stoppt er sein Auto an der nächsten Straßenecke,
       wo sich ein paar junge Männer, zwischen 17 und 25, ausruhen und auf den
       nächsten Zusammenstoß mit der Polizei vorbereiten. Einer raucht
       Wasserpfeife. Ein anderer brät Kebab über einem Feuerchen.
       
       Wollen sie ein System wie im Iran? Alle schütteln die Köpfe. „Freiheit.
       Gleichberechtigung, Fairness.“ In Bahrein leben mehrheitlich Schiiten,
       dennoch sind die Wahlkreise des Königreichs auf die sunnitische Minderheit
       zugeschnitten, der auch die Königsfamilie angehört. Nach den Unruhen im
       Jahr 2011 haben die Golfanrainerstaaten Bahrain Geld überwiesen, um den
       sozialen Frieden zu sichern. „Wieso wurden die Millionen nur an sunnitische
       Gemeinden ausgeschüttet? Weshalb beschlagnahmt die Königsfamilie immer mehr
       Küstenstreifen und verschenkt sie an ihre Klientel? Wir sind Bahrainer.
       Wieso dürfen wir in unserem eigenen Land nicht Polizisten werden oder in
       der Verwaltung arbeiten?“
       
       ## "No speak Arabic"
       
       Einer der jungen Männer zeigt seine Verletzungen durch Schrotmunition der
       Polizei, sie stammen vom Sommer 2012. Die kleinen Kugeln stecken immer noch
       im Arm, die Erhebungen lassen sich fühlen. Ein anderer zeigt eine tiefe
       Wunde an der Wade – verursacht durch „Polizeifolter, von den Pakistanis auf
       der Polizeiwache“.
       
       Ein Land, das seine eigenen Leute misshandelt, seinen eigenen Leuten
       misstraut. Und darum, wie Mansur al-Jamri erklärt, Polizisten und Soldaten
       aus Indien, Pakistan und anderen asiatischen Staaten anheuert. Auf der Tour
       durch dunkle Vorstadtstraßen, nur ab und an erhellt von brennenden
       Autoreifen, zeigt Jamri die eingeigelten Posten der ausländischen
       Sicherheitskräfte, die sich nur in schwer gesicherten Konvois heraustrauen,
       in eine Umgebung, die ihnen bedrohlich scheint, vorbei an schiitischen
       Moscheen, die mit ihren Kuppeln die Stadtviertel dominieren, vorbei an
       Mauern mit regimefeindlichen Graffiti, vorbei an Menschen, zu denen sie
       keine Beziehung haben, außer dass sie sie bekämpfen. An der nächsten Ecke
       versperrt ein Checkpoint der Polizei den Weg. Worum geht es, darf man
       weiterfahren? Ein schnurrbärtiger Bengale steckt den Kopf ins Fenster,
       schüttelt den Kopf. „No speak Arabic. Your passport, Sir!“
       
       ## Festung Krankenhaus
       
       Rula Saffar hat jetzt viel Zeit. Von ihrem Posten als Leiterin der
       Krankenpflegeausbildung am staatlichen Salmaniya Hospital wurde sie
       suspendiert. Im Auto umkreist sie ihre ehemalige Arbeitsstelle und zeigt,
       was daraus geworden ist: eine schwer bewachte Festung. Vor den Eingängen
       steht schwarz uniformierte Sonderpolizei, mit Helmen, Schrotflinten und
       Tränengasgewehren. Wer immer sich hier versorgen lassen will, muss sich
       fragen lassen, wo er seine Verletzung her hat. Falls sie von einer
       Demonstration rührt, dann muss ist mit Verhaftung und einem Verfahren zu
       rechnen.
       
       Die Opfer von Schrotkugeln und Polizeifolter behandelt Rula Suffar jetzt
       gemeinsam mit Kollegen in Untergrundkliniken, so lange die Möglichkeiten
       dort ausreichen.
       
       Abgeriegelte Krankenhäuser. Verhöre vor der Behandlung. Polizisten, denen
       man in der Sprache des Landes nichts erklären kann. Wäre dies ein anderer
       Staat, läge dieser nicht am Golf, da ist sich Rula Saffar sicher, gäbe es
       unter westlichen Politikern einen Aufschrei der Entrüstung. „Aber dies ist
       eben Bahrain.“
       
       19 May 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marc Thörner
       
       ## TAGS
       
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