# taz.de -- Journalist zu diskriminierender Sprache: „Das zeigt Überlegenheitsmuster“
       
       > Mekonnen Mesghena hat die Debatte um das N-Wort entfacht. Er möchte, dass
       > das Wort „Rasse“ aus dem Grundgesetz gestrichen wird.
       
 (IMG) Bild: Stein des Anstoßes: „Die Kleine Hexe“ von Preussler
       
       taz: Herr Mesghena, im Kampf gegen Rassismus [1][soll in Frankreich das
       Wort „Rasse“] aus wichtigen Gesetzen gestrichen werden. Sollte
       vergleichbares auch in Deutschland umgesetzt werden? 
       
       Mekonnen Mesghena: Das ist längst hinfällig. Daher wäre eine solche
       Initiative auch in Deutschland auf Jeden Fall begrüßenswert. Wir brauchen
       Begriffe, die in ihrer Interpretation und Anwendung unmissverständlich
       sind. Dem Begriff „Rasse“ liegt eine Ideologie vor, daher kann der Hinweis
       darauf zu unterschiedlichen Interpretationen führen. Gerade vor dem
       historischen Hintergrund der „Rassenideologie“ in Deutschland benötigen wir
       unbedingt unideologische rechtliche Rahmen, die das Individuum auf der
       Grundlage des allgemeingültigen Menschenrechts schützen.
       
       Im Grundgesetz taucht der Begriff im Artikel 3 (Gleichheit vor dem Gesetz),
       Absatz 3, auf: „Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung,
       seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens,
       seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder
       bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt
       werden.“ Auch im 2006 in Kraft getretene Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz
       erscheint die „Rasse“. Durch welchen anderen Begriff könnte das Wort
       „Rasse“ ersetzt werden? 
       
       Natürlich ist jeder Hinweis in Gesetzesbüchern wichtig, der Diskriminierung
       und Ausschluss deligitimiert. Jede Absichtserklärung ist nur so viel Wert,
       wie diese auch in rechtlichen Rahmen gegossen wird. Alles andere bleibt bei
       einer gutgemeinten Absichtserklärung. Die Aufzählung im Artikel 3 GG ist so
       vielfältig und -schichtig, dass das Artikel auch ohne den Begriff „Rasse“
       auskommen würde. Die Kategorien und Dimensionen der Diskriminierung sind
       sowohl aus den Alltagserfahrungen als auch institutionellen Zusammenhängen
       gut bekannt.
       
       Woran wir leiden, ist die Bissigkeit dieser Rechte und deren konsequente
       Anwendung. Die unkritische Übernahme des Begriffes „Rasse“ im AGG hat
       sicher auch damit zu tun, dass das Gesetz Deutschland als EU-Richtlinie
       aufgedrückt worden ist. Daher brauchen wir unmissverständlich Begriffe, die
       die Diskriminierungskategorien und Ausschlussmechanismen auf der Grundlage
       individueller Rechte beschreiben.
       
       Warum wird eigentlich in den USA der Begriff „race“ ganz selbstverständlich
       verwendet? 
       
       „Race“ hat im us-amerikanischem Kontext eine breitere Definition. Das Wort
       beinhaltet auch die Dimensionen Herkunft, Hautfarbe und Ethnizität. Neben
       „Gender“ ist es eine starke politische Kategorie, die in der Beschreibung
       und Bekämpfung von Diskriminierung und Rassismus eine wichtige Rolle
       spielt.
       
       Eine Debatte über das Wort taucht in unregelmäßigen Abständen immer wieder
       auf, zuletzt 2010. Damals forderte das Deutsche Institut für
       Menschenrechte, es mögen die Gesetze umformuliert werden, in denen auf die
       Rasse von Menschen Bezug genommen wird. bisher hat sich in Deutschland aber
       nichts getan. Während also inhaltlich gegen Rassismus vorgegangen werden
       soll, könnte doch die konkrete Formulierung als eine Einladung zum Denken
       in „Rasse“-Kategorien betrachtet werden? 
       
       Der Kampf gegen Rassismus ist auch ein Kampf gegen Ideologien. Daher ist es
       wichtig, dass das Phänomen, gegen das vorgegangen wird, auch genannt wird.
       Gleichwohl müssen Staat und Gesellschaft aufpassen, dass in der rechtlichen
       Gleichstellung der Bürgerinnen und Bürger diese Ideologie nicht
       fortgeschrieben wird. Neben der Bekämpfung von Diskriminierung und
       Rassismus müssen Rechte und Gesetze auch die Zukunft und die Vision der
       Gesellschaft formulieren.
       
       Sie haben vergangegen Herbst die heftige Debatte über diskriminierende
       Sprache in Kinderbüchern in Gang gesetzt. Nachdem sie mit ihrer Tochter
       „Die kleine Hexe“ gelesen hatten und auf die Worte „Neger“ und „Negerlein“
       gestoßen waren, schrieben sie an den Thienemann-Verlag einen Brief, in dem
       sie sich über die „rassistischen und ausschließenden“ Begriffe beschwerte.
       Der Verlag kündigte an, die Wörter in der nächsten Auflage zu ersetzen.
       Brauchen wir nach der N-Wort-Debatte nun eine R-Wort-Debatte? 
       
       Mein Vorwand war nicht allein gegen das Wort „Negerlein“, sondern auch
       gegen die diskriminierenden Ethnisierungen „Türke“, „Zigeuner“, „Eskimo“,
       „Chinese“ etc. Alle diese Wörter werden aus dem Buch entfernt. Das die
       Debatte sich dennoch um das eine Wort verdichtete, weist natürlich auf die
       Explosionskraft des Wortes hin. Die Debatte hat eine tiefverankerte
       Geisteshaltung enttarnt, welches untrennbar mit der Ideologie der „Rasse“
       zusammenhängt.
       
       Die neunjährige [2][Ishema hat mit ihrem Brief an die ZEIT] allen
       Verfechter/innen dieser Ideologie vor der Weltöffentlichkeit in aller
       Deutlichkeit vorgeführt, auf welchen Holzweg sie sich befinden. Auch der
       breite Applaus für Thilo Sarrazin für seine rassistische Thesen unter dem
       gleichen Vorwand, „Dinge beim Namen“ nennen zu wollen, zeigt, wie
       Überlegenheitsmuster mitschwingen.
       
       Ein viel gravierendes Beispiel ist natürlich das völkische Gedankengut,
       welches auch in deutschen Sicherheitsbehörden herrscht, die die Ermittlung
       der NSU-Morde blockierte. Daher wäre es eine logische Konsequenz, nach der
       N-Wort-Debatte auch die Ideologie, die dieser Geisteshaltung zugrunde
       liegt, offen zu diskutieren.
       
       19 May 2013
       
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