# taz.de -- Crowdfunding für Enthüllungsfilm: Rechtspopulist mit Crack-Pfeife
       
       > Torontos Stadtoberhaupt Rob Ford ist umstritten. Jetzt will das
       > Online-Portal „Gawker“ über Crowdfunding ein Video erwerben, das ihn beim
       > Drogenkonsum zeigt.
       
 (IMG) Bild: Will sich zu seinem angeblichen Video-Auftritt nicht äußern: Rob Ford.
       
       Das liberale Toronto würde ihn lieber heute als morgen loswerden: Rob Ford,
       den Oberbürgermeister der fünftgrößten Stadt Nordamerikas. Er gewann bei
       den Wahlen 2010 keinesfalls mit den Stimmen aus der multikulturellen
       Innenstadt. Es war die Unzufriedenheit der Vororte mit dem bis dahin
       regierenden progressiven David Miller, die den unabhängigen, konservativen
       Kandidaten Ford ins Amt spülte.
       
       Ford wetterte gegen die Geldverschwendung seines Vorgängers, der in den
       öffentlichen Nahverkehr und den Wohnungsbau investiert hatte. Als
       Stadtoberhaupt geriet Ford aber schnell selbst ins Kreuzfeuer: Eine
       politische Konkurrentin beschuldigte ihn der [1][sexuellen Belästigung],
       die LGBT-Gemeinde warf ihm sein demonstratives Fernbleiben vom Christopher
       Street Day vor und für Umweltaktivisten ist er ein vortrefflicher Gegner,
       weil er Buslinien aus den Fahrplänen strich, um damit den „Krieg gegen das
       Auto“ für beendet zu erklären.
       
       Jetzt könnte es eine Gelegenheit geben, den groben Klotz zu Fall zu
       bringen. Aber ganz astrein ist sie nicht: Es soll ein im vergangenen Winter
       gedrehtes Video existieren, dass Ford beim Inhalieren von Crack zeigt. Zwei
       Reporter der linksliberalen Tageszeitung Toronto Star und [2][ein
       Mitarbeiter des US-Online-Portals Gawker] schildern jedenfalls, dass sie
       mit dem Besitzer dieses ominösen Filmchens in Kontakt gekommen seien und
       den per Handy gedrehten Clip vorgeführt bekamen.
       
       Darin sitzt Ford auf einem Stuhl mit einem Glas-Bong, einer Art
       Wasserpfeife, in der Hand. Seine Augen sind halbgeschlossen, Er zündet ein
       Feuerzeug an und lässt es hinter dem kugelförmigen Kopf der Wasserpfeife
       kreisen – so beschreiben jedenfalls die Journalisten das Gesehene.
       
       Ford soll in dem Film auch sprechen: [3][„I am fucking right-wing“], lallt
       er. Und er macht eine homophobe Äußerung über den Vorsitzenden der
       Liberalen Partei Kanadas, Justine Trudeau. Die zwei Toronto Star-Reporter
       behaupten, dass am Ende des Videos das filmende Handy klingelt, woraufhin
       Ford irritiert in die Kamera schaut und sagt: „Das soll aber besser nicht
       gefilmt werden.“
       
       ## Geld, um Toronto zu verlassen
       
       Mittlerweile ist das Crack-Video das Thema Nr. 1 in Toronto und
       darüberhinaus, obwohl es außer den Journalisten bisher niemand zu Gesicht
       bekommen hat. Auf Youtube ist es nicht gepostet – aus einem einfachen
       Grund: Der Besitzer des Videos will es gegen Geld an Dritte aushändigen. Er
       verlangt eine sechsstellige Dollarsumme. Der Toronto Star lehnte es ab, den
       Film zu erwerben. Gawker wollte dies zunächst in Kooperation mit anderen
       Medien tun, fand jedoch niemanden, der sich die Kosten teilen wollte.
       
       So winkte zum Beispiel CNN ab. Im Gegenzug wirft Gawker dem
       US-Fernsehsender vor, Rob Fords Entourage überhaupt erst von dem Video in
       Kenntnis gesetzt zu haben. CNN wandte sich mit einer entsprechenden
       Nachfrage an das Büro des Bürgermeisters. Gawker fürchtet nun, das
       Stadtoberhaupt selbst könne sich des Videos bemächtigen wollen. Und wähnt
       seinen Informanten gar in Lebensgefahr, würde hinter Ford doch ein
       mächtiger Drogenring stehen, der so einige Promis in Toronto mit Stoff
       versorge.
       
       Die Höhe der verlangten Summe für den Clip erklärt Gawker schlichtweg
       damit, dass der Besitzer des Videos im Falle der Veröffentlichung sich in
       Toronto nicht mehr sicher fühlen könne und die Stadt verlassen müsse.
       
       ## 1000 Dollar für ein Abendessen
       
       Dann kam dem Online-Portal die zündende Idee: Das nötige Kleingeld will es
       per Crowdfunding eintreiben – insgesamt 200.000 Dollar. Beim Erreichen
       dieser Summe werde das Video, so hätte es der Besitzer versichert, an
       Gawker ausgehändigt und ins Netz gestellt. Gawker setzte den so genannten
       [4][Rob Ford Crackstarter] auf der Crowdfunding-Plattform [5][Indiegogo] in
       Gang. Am Freitagmorgen, fünf Tage vor dem Ende des Countdowns, waren schon
       über 160.000 Dollar geflossen.
       
       Die SpenderInnen werden mit Gratifikationen gelockt: So unterstützt der
       Verlag [6][//twitter.com/houseofanansi:House of Anansi Press] das
       Crowdfunding: Jeder, der sich mit 5 Dollar daran beteiligt, erhält eine
       freie elektronische Kopie des „Little Book of Rob Ford“, in dem alle
       homophoben, sexistischen und rassistischen Sprüche gesammelt sind, die der
       Bürgermeister in den vergangenen Jahren vom Stapel gelassen hat.
       
       SpenderInnen von jeweils 25 Dollar werden mit einer Hardcover-Ausgabe der
       Publikation beglückt. Ein Geldgeber hat sich mit 1.000 Dollar sogar schon
       ein Abendessen mit der Gawker-Belegschaft in einem New Yorker Restaurant
       ergattert. Sollte die 200.000 Dollar-Marke doch nicht überschritten werden,
       fließt das Geld wieder an die SpenderInnen zurück.
       
       ## Büroleiter gefeuert
       
       Ford selbst scheute nach dem Bekanntwerden der Gerüchte über das Video für
       mehrere Tage die Öffentlichkeit, und als er sich wieder zeigte, nahm er
       keinerlei Stellung zu den Anschuldigungen. Was ihm nun selbst die ansonsten
       treu zu ihm stehende, [7][konservative Presse] übelnimmt. Doch bisher ist
       Ford nichts Besseres eingefallen, als seinen [8][Büroleiter zu feuern],
       weil der ihm geraten haben soll, seine Drogensucht in den Griff zu kriegen.
       
       Schon 1999 hatte die Polizei in Florida gegen Rob Ford [9][wegen Alkohol am
       Steuer und Besitz von Marihuana] ermittelt. Und erst in jüngster Zeit
       berichtete der Toronto Star ausführlich darüber, dass Ford [10][angeblich
       regelmäßig zu tief ins Glas schaue].
       
       Bisher stellte sich nur sein Bruder, der [11][Ratsherr Doug Ford], vor die
       Mikros der Medien und beteuerte, dass Rob Ford niemals Crack rauchend
       gefilmt worden sei. Wer immer auch auf dem angeblichen Video zu sehen ist,
       so Doug Ford: es sei schlichtweg nicht möglich, diesem Menschen einwandfrei
       nachzuweisen, eine bestimmte Substanz zu sich genommen zu haben. Bei dem
       Video müsse es sich überdies um eine Fälschung handeln. Die Verdächtigungen
       gegen Rob Ford seien haltlos und diffamierend.
       
       Doch Ford ist längst angezählt. Seine Verbündeten im Rathaus sind entsetzt
       über den Rausschmiss des Büroleiters und drängen den Bürgermeister, sich zu
       den Anschuldigungen endlich zu erklären. Längst [12][bereiten sie sich] auf
       den Fall vor, dass er tatsächlich über die Crack-Video-Affäre stolpert.
       
       ## Schadenfreude in den USA
       
       Fords Fall weist Parallelen mit dem des ehemaligen demokratischen
       Bürgermeisters von Los Angeles, Marion Barry, auf, der Ende der 80er Jahre
       ebenfalls des Drogenbesitzes und -konsums verdächtigt wurde. Im Januar 1990
       erwischte ihn das FBI per Videokamera beim Rauchen von Crack. Er wanderte
       noch während seiner Amtszeit für sechs Monate ins Gefängnis und verzichtete
       darauf, für eine weitere Legislaturperiode zu kandidieren.
       
       Wenig erstaunlich ist, dass viele der Spender für die Gawker-Aktion aus den
       Vereinigten Staaten kommen, herrscht unter ihnen doch so etwas wie eine
       Schadenfreude darüber, dass kanadische Politiker genauso verkommen zu sein
       scheinen wie ihre Kollegen südlich der Grenze.
       
       Die Gawker-Kampagne hat aber einen Beigeschmack, denn, vorausgesetzt, das
       Video gibt es tatsächlich, würde das von den Usern gezahlte Geld vermutlich
       in die Hände von Drogendealern fließen. Heiligt der Zweck solche Mittel?
       
       Auf der [13][Gawker-Webseite] kritisieren User, dass die 200.000 Dollar
       völlig überzogen seien, schließlich sei Gawker offensichtlich der einzige
       Kaufinteressent. Gefragt wird zudem, warum das Online-Medienunternehmen
       nicht selbst die Summe aufbringen will, wenn ihm das Video so wichtig ist.
       Gawker ist schließlich kein kleiner Fisch.
       
       ## Unberechenbarer Informant
       
       Erst Anfang des Jahres teilte [14][Firmenchef Nick Denton] mit, allein eine
       Million Dollar von sechs Einzelspendern erhalten zu haben. 2012 konnte sein
       Unternehmen ein 25-prozentiges Umsatzwachstum erzielen. Für 2013 werden 40
       Prozent Steigerung erwartet. Das Eindruck entsteht, dass Gawker seine
       eigenen Interessen hinter dem erwartbaren Voyeurismus der Netzgemeinde
       versteckt.
       
       Der Polizeichef von Toronto, Bill Blair, äußerte unterdessen, seine Behörde
       würde die ganze Sache genau beobachten. Sollte die Gawker-Kampagne
       erfolgreich sein und sich aus ihr Belege für eine kriminelle Tat ergeben,
       sähe sich die Polizei genötigt zu handeln.
       
       Gawker selbst gibt zu, für wie unberechenbar es seinen Informanten hält.
       Sollte das notwendige Geld zusammenkommen, der Video-Deal aber trotzdem
       platzen, würde das Geld an eine NGO gehen, die in der Drogenarbeit tätig
       ist.
       
       24 May 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.blogto.com/city/2013/03/sarah_thomson_alleges_lewd_exchange_with_rob_ford/
 (DIR) [2] http://gawker.com/for-sale-a-video-of-toronto-mayor-rob-ford-smoking-cra-507736569
 (DIR) [3] http://www.thestar.com/news/city_hall/2013/05/16/toronto_mayor_rob_ford_in_crack_cocaine_video_scandal.html
 (DIR) [4] http://gawker.com/we-are-raising-200-000-to-buy-and-publish-the-rob-ford-508230073
 (DIR) [5] http://www.indiegogo.com/projects/rob-ford-crackstarter
 (DIR) [6] http://https
 (DIR) [7] http://www.cbc.ca/news/canada/toronto/story/2013/05/23/toronto-rob-ford-editorials.html
 (DIR) [8] http://www.cbc.ca/news/canada/toronto/story/2013/05/23/toronto-rob-ford-editorials.html
 (DIR) [9] http://www.cbc.ca/news/canada/toronto/story/2010/08/19/ford-marijuana-possession-charge489.html
 (DIR) [10] http://www.imediaethics.org/News/3904/_toronto_star_defends_outing_mayor_rob_fords_alcohol_abuse_with_anonymous_sources.php
 (DIR) [11] http://www.thestar.com/news/city_hall/2013/05/22/doug_ford_on_rob_ford_i_dont_know_how_much_more_he_can_say.html
 (DIR) [12] http://www.theglobeandmail.com/news/toronto/mayor-rob-fords-allies-prepare-to-run-toronto/article12123758/
 (DIR) [13] http://gawker.com/rob-ford-crackstarter-update-509596078
 (DIR) [14] http://adage.com/article/digital/memo-gawker-expects-10-revenue-e-commerce-2013/239355/
       
       ## AUTOREN
       
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