# taz.de -- Anonymous will Whistleblowern helfen: Toter Briefkasten im Web
       
       > Die Aktivistengruppe richtet derzeit ein Postfach für anonym eingereichte
       > Artikel ein. Sie verspricht die größtmögliche Anonymisierung der
       > Nutzerdaten.
       
 (IMG) Bild: Pst! Anonymous will Aufklärern garantieren, dass niemand sie entdeckt.
       
       BERLIN taz | Man kennt das Prinzip aus Agentenfilmen: Der geheime Absender,
       gehüllt in einen beigefarbenen Trenchcoat, das Gesicht im Schatten eines
       Schlapphuts, legt einen Brief in einen Mülleimer. Er verschwindet und
       irgendwann taucht eine zweite Gestalt auf, blickt sich hastig um, fischt
       sich den Brief und verschwindet. Es ist das Prinzip toter Briefkasten.
       
       Nun will die Aktivistengruppe Anonymous offenbar den angestaubten Trick im
       Netz neu beleben. Das bisherige Blog [1][anonnewsde.org] soll ein Postfach
       für anonym eingereichte Artikel bekommen. Zielgruppe: Whistleblower,
       lichtscheue Meinungsmacher, anonyme Demo-Organisatoren.
       
       Zugegeben, diese Idee ist nicht neu. Ein deutsches Mitglied von Anonymous
       jedoch verspricht in einem Interview, das via Twitter geführt wurde,
       größtmögliche Anonymisierung der Nutzerdaten – viel konsequenter als etwa
       beim Portal [2][Indymedia].
       
       Der Server für AnonNewsDE speichere keine Daten der Besucher, jeder
       Kommentator werde unter der immer selben IP-Adresse 127.0.0.1 geführt.
       Abhörsicher sei das nicht, aber datenschutzfreundlich und anonym, schreibt
       der Anon. Mit diesem geschlechtsneutralen Begriff lassen sich die
       Aktivisten ansprechen.
       
       Oberstes Ziel des Vorhabens ist, „mehr Leute von Facebook und anderen
       Datenschleudern wegzukriegen“, wie der Anon schreibt. „Eine dezentrale und
       anonyme Anlaufstelle, wo niemand einen Klarnamen oder ein Gesicht hat, kann
       von außen nicht gestört werden.“
       
       ## Ein Laienblog mit redaktioneller Bearbeitung
       
       Anonymous will jeden Artikel prüfen, bevor er erscheint. Bei groben Fehlern
       behalten sich die Blogger hinter der typischen Guy-Fawkes-Maske eine
       Bearbeitung vor, Verschwörungstheorien würden gar nicht veröffentlicht.
       Dieses Redaktionelle ist ein weiterer Unterschied zu Indymedia – dessen
       Kollektiv mochte die Anonymous-Pläne trotz zweier Anfragen nicht
       kommentieren.
       
       Plant Anonymous also ein journalistisches Angebot? Nein, eher ein
       Laienblog. „Eine komplett eigene Nachrichtenseite ist in Deutschland nicht
       nötig, viele Medien hier arbeiten gut, und man kann mit deren Inhalt gut
       arbeiten“, twittert der Anon.
       
       Im Gegensatz dazu kündigten US-amerikanische Anonymous-Aktivisten bereits
       vor Monaten an, eine eigene Nachrichtenseite zu starten, statt wie bisher
       Informationen nur zu aggregieren. Fast 55.000 Dollar sammelten sie über die
       Kampagnenseite Indiegogo. [3][YourAnonNews] wird hierzulande allerdings
       kritisch beobachtet: Spenden einzuwerben verstoße gegen die Prinzipien der
       Bewegung, sagt der Anon. Und lästert: „Man munkelt nebenbei noch im
       Kollektiv, dass die Kohle längst verprasst wurde.“
       
       ## Freiwilling und Kostenfrei
       
       Kohle kosten soll das deutsche Projekt toter Briefkasten deshalb nicht.
       Doch da fängt das Problem an: Alles beruht auf freiwilliger Arbeit. Die
       Blogger müssen Artikel sichten, filtern, publizieren. Ihre Zelle umfasst
       nach eigenen Angaben zwölf Mitglieder aus ganz Deutschland, die meisten aus
       Nordrhein-Westfalen. Nur fünf bloggen. Noch zu wenige, um den toten
       Briefkasten zu betreuen, schreibt der Anon, denn: „Es wird bestimmt viel
       Spam und Schrott reinkommen.“ Rein technisch sei fast alles startklar,
       Veranstaltungen können bereits anonym gepostet werden.
       
       Alle diese Angaben zu überprüfen fällt schwer, denn kein Anon gibt seine
       Identität preis. Auf eine weitere Testanfrage der taz, diesmal per E-Mail
       und unter anderem Namen, antwortet ein Mitglied gleich lautend wie der
       twitternde Anon. Ein Kontakt per Telefon ist nicht möglich.
       
       Anrufe bei der im Impressum genannten Schweizer Rufnummer landen auf der
       Mailbox eines Prepaid-Anbieters. Im fünften Versuch geht dort schließlich
       ein Mann ans Telefon – und weiß angeblich nichts von AnonNewsDe. Aber die
       Männer in den Agentenromanen sind ja auch eher verschlossene Typen.
       
       18 Jul 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://anonnewsde.org
 (DIR) [2] http://de.indymedia.org/
 (DIR) [3] http://youranonnews.tumblr.com/
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Jens Twiehaus
       
       ## TAGS
       
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