# taz.de -- Kinostart „Berberian Sound Studio“: Gefangen im Bauch des Wals
       
       > Zwischen schöner Tontechniker-Nostalgie und bedrückender Klaustrophobie:
       > Peter Stricklands Film „Berberian Sound Studio“.
       
 (IMG) Bild: Kohl klingt wie Gekröse: der Tontechnikmeister Gilderoy (Toby Jones) produziert Geräusche für Horrorfilme.
       
       Geradezu kafkaesk ist das Tonstudio, in das es den britischen
       Tontechnikmeister Gilderoy (Toby Jones) im Italien der 70er verschlägt:
       Eine äußere Welt gibt es nicht, beklemmende Enge, drückendes Braun. Die
       kulturellen Differenzen und Sprachbarrieren zwischen Italienern und Briten
       tun ihr Übriges. Der britisch verschnupfte Gilderoy: gefangen im Bauch des
       Wals, untergebracht in einer kargen Kammer neben dem Mischpult.
       
       Hierher zitiert hat ihn ein mit einigen Allüren gesegneter Regisseur
       italienischer Horrorfilme: Nur der gefeierte Brite kommt für die Erstellung
       der Tonspur seines neuen Films in Betracht. Den Film selbst kriegt man
       nicht zu Gesicht, wohl aber die ausgefallenen Techniken zur Klangerzeugung:
       Getrietze Frauen geben hinter Glas die Scream Queens, lustvoll zermanschtes
       Gemüse illustriert auditiv hervorquellendes Gekröse. Gilderoys Blick auf
       die Leinwand jenseits des Filmkaders ist erst abgestoßen, dann fasziniert –
       in der abgekapselten Raumwelt dieses alten Studios ist sie die Membran in
       ein Jenseits, das sich zusehends in Gilderoys Psyche frisst.
       
       Gute Illusionisten geben ihre Tricks nicht zu erkennen. So zählt denn auch
       die enorme Künstlichkeit jeder Filmtonspur zu den bestgehüteten
       Geheimnissen der Filmtrickmaschinerie. „Berberian Sound Studio“ plaudert
       hier munter aus dem Nähkästchen, vor einer Kulisse, die zwischen angenehmer
       Tontechniker-Nostalgie – Drehknöpfchen, Zeigerpegel, alte
       Tonband-Pappschachteln, beige-braunes Inventar allerorten – und
       bedrückender Klaustrophobie oszilliert.
       
       ## Frauenmund und Küchenmixer
       
       Auch vor bösen Montagescherzen – vom schreienden Frauenmund zum Inneren
       eines fies quirlenden Küchenmixers – macht er nicht Halt. Regisseur Peter
       Strickland, zuvor für sein Kriegsdrama „Katalin Varga“ mit dem Silbernen
       Bären der Berlinale ausgezeichnet, entwirft ein Realitätsgefüge auf
       schwankendem Grund, das sich zum Ende hin vollends ins Unverbindliche
       auflöst.
       
       Kein Zufall, dass man hier auf das italienische Horror- und Thrillerkino
       samt seiner distinkten Audiotextur abhebt: Angefangen von den ätherischen
       Soundtracks – „Berberian Sound Studio“ referenziert vor allem die fragilen
       Klanggebilde der großartigen Komponistin Nora Orlandi – bis zu den grotesk
       überdrehten Klirr- und Mansch-Sounds bei Lucio Fulci windet sich der
       Italofilm lustvoll in einem ganz eigenen, spinnenbeinartig das Trommelfell
       massierenden Kino-Soundkosmos, der auch für Gilderoy mehr und mehr zur
       eigentlichen Welt wird.
       
       Wohlig unwohlig zirpt, wabert und manscht sich dieser sinnliche Film durch
       das Unterholz eines einzigartigen Soundgeflechts. Danach hört man das Kino
       mit anderen Ohren.
       
       ## ■ „Berberian Sound Studio“. Regie: Peter Strickland. Mit Toby Jones,
       Fatma Mohamed u. a. Großbritannien 2012, 92 Min.
       
       13 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Thomas Groh
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Kino
 (DIR) Horror
 (DIR) Tom Cruise
       
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