# taz.de -- Kolumne Aufgeschreckte Couchpotatoes: Wettlauf von Hase und Igel
       
       > Die Bildungsreise ist ein touristisches Auslaufmodell, das Weltkulturerbe
       > hinlänglich bekannt. Im Trend: der Kochkurs in Hanoi.
       
 (IMG) Bild: Bilder, die man im Kopf hat.
       
       Das ägyptische Theben, Chinas Verbotene Stadt, die Tempelanlage von Ankor
       Wat, die römischen Bauten von Trier oder die Inka-Hochburg Machu Picchu –
       Weltkulturerbe zieht Touristen an. Mein Schwager Heinz kennt sich aus mit
       den historischen Stätten der Welt. Faktenreich erzählt er davon. Ein
       Histörchen jagt das nächste. Heinz ist ein Weltensammler dank Arte Doku und
       Reisesendungen wie „wunderschön“, „Voxtours“, „Reiselust“, „Wolkenlos“,
       „Abenteuer Reisen“. Er liebt diese. Dabei ist sein Konsumentenprofil
       enttäuschend: Die Sendungen führen in ferne Welten – und viele sofort
       danach ins Reisebüro. Nicht Heinz. Er reist nie.
       
       Es ist wie der Wettlauf zwischen Hase und Igel: Heinz war immer schon da,
       wenn Freunde zurückkommen und von ihren Reisen erzählen wollen. Er kennt
       die ganze Welt. Und er kennt sie am besten. Er pflegt eine pedantische
       Leidenschaft fürs Detail.
       
       Eigentlich geht er damit mächtig auf die Nerven. Nicht nur mir. Machu
       Picchu als Sofareisender zu sehen ist die eine Seite, es riechen, besteigen
       und im Tross von 2.000 Touristen zu schwitzen eine andere. Ich finde, ihm
       fehlt die Erfahrung, das sinnliche Erleben, Weltläufigkeit, Mobilität. Er
       verhalte sich CO2-neutral, meint er. Und überhaupt: Erosion und Schäden an
       Ruinen und historischen Stätten gäbe es viel weniger, wenn man diese nur
       betrachte und nicht betrete, stilisiert er sich zum Umweltschützer.
       
       Als Ilse, meine Schwester, seine Frau, vor Kurzem mit einem
       Studienreiseveranstalter nach Vietnam fahren wollte, hat er stundenlang
       über die Geschichte der Altstadt von Hoi An, am Nordufer des
       Thu-Bon-Flusses doziert. Er war wieder mal vor ihr da. Sie hat dann eine
       Begegnungsreise mit Künstlern, Priestern, Frauen gebucht, inklusive
       Kochkurs in Hanoi. Da musste er passen. Kulturelle Gepflogenheiten,
       Alltagserfahrung, das Leben, die Küche sind nicht seins.
       
       Nun hat sie was zu erzählen und alle lauschen interessiert. Ihm dämmert,
       dass sein unsinnliches Faktenwissen, sein klassisches Bildungsgehabe
       zumindest beim Fernweh ein Auslaufmodell ist. So wie womöglich Besserwisser
       wie er.
       
       15 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Edith Kresta
       
       ## TAGS
       
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