# taz.de -- Die Wahrheit: Kampf um den Apostroph
       
       > Die englische Gesellschaft ist gespalten in Apostroph-Schützer und
       > Apostroph-Bekämpfer. Dies ist ihre Geschichte.
       
       Die englische Gesellschaft ist gespalten, wie man weiß: Tory und Labour,
       Pro-Europäer und Anti-Europäer, Manchester-United-Fans und
       Manchester-United-Hasser. Der wahre Konflikt wird jedoch an der
       Interpunktionsfront ausgetragen. Die „Gesellschaft zum Schutz des
       Apostrophs“ kämpft gegen die Organisation „Tötet das Apostroph“.
       
       Letztere berufen sich auf den irischen Literatur-Nobelpreisträger George
       Bernard Shaw. Der schrieb einmal: „Es gibt nicht den geringsten Grund, mit
       dieser albernen und hässlichen Masche fotzufahren, Seiten mit diesen
       ungehobelten Bazillen zu würzen.“ In Tiverton in der Grafschaft Devon
       hätten seine Anhänger fast einen Sieg errungen: Dort erwägte man, das
       Apostroph von den Straßenschildern zu verbannen.
       
       In der Kleinstadt liegen zwei der drei apostrophen Straßen des
       Verwaltungsbezirks: Beck‘s Square und Blundell‘s Avenue. Das ungeliebte
       Zeichen könne für Verwirrung sorgen, glaubte der Stadtrat. Die Anwohner
       heulten auf. Verwirrung entstehe, wenn man Grammatikregeln ignoriere,
       argumentierten sie und führten den Satz ins Feld: „Residents‘ refuse to be
       placed in bins“ – auf deutsch: „Der Müll der Anwohner gehört in die
       Abfalltonne.“ Ohne das Apostroph hätte der Satz eine völlig neue Bedeutung:
       „Die Anwohner weigern sich, in die Abfalltonne gesteckt zu werden.“ Der
       Stadtrat gab klein bei.
       
       Das tat die Buchladenkette Waterstone‘s nicht. Sie heißt seit vorigem Jahr
       Waterstones. Laut Geschäftsführer James Daunt sei das in der digitalen Welt
       praktikabler. John Richards von der „Gesellschaft zum Schutz des
       Apostrophs“ raufte sich die Haare: „Wenn McDonald‘s es richtig macht, warum
       nicht Waterstones? Man sollte doch annehmen, dass ausgerechnet ein
       Buchladen nicht so schlampig mit der englischen Sprache umgeht.“ Was kann
       man aber von einem Buchladen erwarten, der Hitlers „Mein Kampf“ als
       „perfektes Weihnachtsgeschenk“ angepriesen hat?
       
       ## Gemüsehändler gewähren Asyl
       
       Wohin mit den gestrichenen Apostrophen? Ihnen ist von den Gemüsehändlern
       Asyl gewährt worden. Die setzen es auf Teufel komm raus: Carrot‘s,
       Potato‘s, Turnip‘s. Jeder Plural bekommt ein falsches Häkchen – zum
       Verdruss von ALF. Dahinter verbirgt sich nicht die radikale „Animal
       Liberation Front“, sondern die nicht minder militante „Apostrophe
       Liberation Front“. Deren Mitglieder ziehen im Land umher und befreien das
       falsche Plural-Apostroph von Schildern. „Wenn man in ein falsches Wort
       eingezwängt wird, kann das zu Verletzungen führen“, mahnen die
       Apostroph-Vigilanten.
       
       Manche halten sich feige aus dem Streit heraus. An der Hauptstraße im
       Londoner Bezirk Chelsea steht an einem Ende „Kings Road“, am anderen
       „King‘s Road“. Im südwestirischen Kerry wandert man in einer Richtung auf
       dem „Lady‘s Way“, in der anderen Richtung auf dem „Ladies Way“.
       
       Der britische Premierminister David Cameron sollte den Krieg zwischen
       Apostrophilen und Anti-Apostrophikern auf die Tagesordnung des heute in
       Nordirland beginnenden G-8-Gipfels setzen. Er ist schwerer zu lösen als der
       Syrien-Konflikt.
       
       16 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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