# taz.de -- EU-Kommission erhöht Grenzwert: Nervengift im Lachsfilet
       
       > Fischfutter darf jetzt eine zehnmal höhere Dosis des Pestizids Endosulfin
       > enthalten als bisher. Forscher warnen vor dem Verzehr von Fisch und vor
       > Konsumententäuschung.
       
 (IMG) Bild: Lecker aber belastet: Lachs.
       
       STOCKHOLM taz | Als im Juni 1969 zehntausende Fischkadaver an die Ufer des
       Rheins geschwemmt wurden, waren selbst Experten schockiert. Ursache des
       Umweltdramas waren Bestandteile des Pestizids Thiodan, ein anderer Name für
       das damals von der Hoechst AG hergestellte Insektengift Endosulfan.
       
       Endosulfan ist ein Nervengift, das die Fortpflanzungsfähigkeit beeinflusst,
       wahrscheinlich löst es Krebs aus. Deshalb wurde es auf die Liste der
       „Stockholmer Konvention“ über langlebige organische Schadstoffe
       aufgenommen. Auch in der EU ist die Anwendung von Endosulfan längst
       verboten. Dennoch kommt es derzeit wieder verstärkt in unser Essen – über
       Lachse aus Norwegen.
       
       In den USA und vielen Ländern der Erde ist es jedoch noch erlaubt – und
       wird hier zur Produktion von Futter für Zuchtlachse gebraucht. Kürzlich hat
       die EU-Kommission [1][L:2012:219:0005:0012:de:PDF:den Endosulfan-Grenzwert
       um das Zehnfache erhöht]: von bislang 0,005 auf 0,05 Milligramm pro Kilo.
       
       Dahinter stand die Lobbyarbeit der norwegischen Aquakulturbranche. Was in
       den Netzgehegen in norwegischen Fjorden gemästet wird, landet im Zweifel
       auf hiesigen Tellern: Norwegen ist – weit vor Chile – das größte
       Herkunftsland für in Deutschland gekauften Zuchtlachs.
       
       Die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA hat keine Bedenken, sie betont
       sogar die nachhaltigen Auswirkungen auf die Meeresumwelt. Tatsächlich kann
       die Fischzuchtbranche mit pflanzlichen Futtermitteln ihre schlechte
       Umweltbilanz aufbessern. Für die Produktion von einem Kilo Zuchtlachs
       wurden früher mehrere Kilo Wildfisch verfüttert. Nun besteht das Futter
       hauptsächlich aus Pflanzenrohstoffen – zudem ist es wesentlich billiger als
       marines.
       
       ## Futter aus Lateinamerika
       
       Norwegens Lachsbranche versorgt sich vorwiegend mit Futter aus
       Lateinamerika. „Die Grenzwerte für den Gehalt von Endosulfan im Futter für
       den Lachs sind von großer ökonomischer Bedeutung für die
       Fischzuchtbranche“, bestätigt die norwegische Lebensmittelbehörde
       „Mattilsynet“ – findet diese aber ebenso wenig problematisch wie das
       norwegische Ernährungsinstitut Nifes: Zuchtlachsverzehr im normalen Rahmen
       würde nur unbedeutend zur „akzeptablen Tagesdosis“ (ADI) dieses Pestizids
       beitragen, laut WHO und FAO 0,006 Milligramm pro Kilo Körpergewicht.
       
       Diese ADIs berücksichtigen jedoch nicht die additive Wirkung einzelner
       Wirkstoffe. Wichtig sei das Gesamtbild, sagt Jérôme Ruzzin, Biologe an der
       Universität Bergen. Er warnt vor den Umweltgiften im Lachsfleisch. 2010
       verfasste Ruzzin zusammen mit US-Wissenschaftlern eine Untersuchung, bei
       der in Lachsfilets hohe Werte an PCB, DDE – ein Abbauprodukt des
       Insektizids DDT – und Endosulfan nachgewiesen wurden. „Das Niveau von
       Umweltgiften im Zuchtlachs ist im Verhältnis zu anderen Lebensmitteln so
       hoch, dass wir reagieren müssen“, sagt Ruzzin.
       
       Schwangere und Kinder sollten möglichst wenig davon essen, Konsumenten
       insgesamt „zurückhaltend“ sein.
       
       ## Fragwürdige Aufrechnung
       
       Bei der norwegischen Aquakulturbranche verweist man auf Studien, wonach
       jedenfalls die positiven Effekte des Verzehrs von Zuchtlachs – Stichwort:
       Omega-3-Fettsäuren – mögliche negative aufgrund der Umweltgiftgehalte
       überwiegen.
       
       Doch eine solche Aufrechnung ist fragwürdig. Zumal der Omega-3-Gehalt im
       Lachsfleisch sinkt, je mehr vegetarisches Futter an die Lachse verfüttert
       wird. Der Zuchtlachs enthalte nur noch halb so viel dieser Fettsäuren wie
       vor zehn Jahren und werde „zum schwimmenden Gemüse“, meint der Osloer
       Herzforscher Harald Arnesen.
       
       Er fordert eine konkrete Spezifikation des Omega-3-Gehalts auf allen
       Lachsverpackungen: Ansonsten würden die Verbraucher getäuscht. Bei
       Stichprobentests unterschieden sich die Omega-3-Werte um bis zu 300 Prozent
       und erreichten teilweise nicht einmal die Hälfte derer bei Heringen,
       Sardinen oder Sardellen.
       
       17 Jun 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://eur-lex.europa.eu/LexUriServ/LexUriServ.do?uri=OJ
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Reinhard Wolff
       
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