# taz.de -- Ägypten kriegt Geld vom Golf: Saudis kaufen Revolution
       
       > Arabische Autokraten überschütten Ägyptens Putschisten mit Milliarden.
       > Sie freuen sich, dass den Muslimbrüdern das demokratisch legitimierte
       > Regieren verhagelt wurde.
       
 (IMG) Bild: Nur noch als Maske präsent - und die Saudis freut das: Expräsident Mursi.
       
       KAIRO taz | Die Muslimbrüder und Präsident Muhammad Mursi waren in Ägypten
       kaum von der Macht entfernt, da zückten die autokratischen Herrscher am
       Golf auch scnon ihre Scheckbücher und versprachen 12 Milliarden Dollar
       Soforthilfe für das Land am Nil. Saudi Arabien und die Vereinigten
       Arabischen Emirate waren nach dem Putsch die Ersten, die dem vom Militär
       eingesetzten ägyptischen Übergangspräsidenten Adly Mansour und Militärchef
       Abdel Fattah El-Sisi gratulierten.
       
       Der saudische König Abdullah applaudierte der Armee, „die Ägypten aus einem
       dunklen Tunnel zurückgeholt hat“. Anwar Gargash, der Außenminister der
       Emirate kommentierte: „Dass sich die Ägypter einer islamistischen Regierung
       verweigert haben, stellt einen Wendepunkt in der Region dar”.
       
       Saudi Arabien und die Emirate versprachen acht Milliarden Dollar für die
       ägyptische Staatskasse. Und das sei nur der Anfang, hieß es aus Abu Dhabi.
       Kuwait legte ein paar Tage später noch einmal vier Milliarden drauf.
       
       Für Ägypten sind das dringend benötigte Finanzspritzen. Die
       Währungsreserven waren seit Mubaraks Sturz von 36 Milliarden auf 14,9
       Milliarden geschrumpft. Wobei ein guter Teil davon nicht von Mursi, sondern
       zuvor bereits vom obersten Militärrat ausgegeben worden war. Zum Teil
       konnte Kairo nicht mehr die Rechnungen für Treibstofflieferungen zahlen.
       
       Da kommt es wie gerufen, dass Saudi Arabien zwei Milliarden der
       versprochenen Gelder gleich einmal in Form von Öl liefert. Mit dieser
       Aussicht konnte Ägypten nun seine strategischen Öl-Reserven anzapfen und
       den langen Schlangen an den Tankstellen, einer der Gründe für die
       Massenproteste gegen Mursi, ein Ende machen.
       
       ## Wahlen gehen für die Saudis gar nicht
       
       „Ein friedliches und stabiles Ägypten ist für Saudi Arabien wichtig“, gibt
       Abdullah al-Askar vom Ausschuss für Außenpolitik im saudischen Schura-Rat,
       als offizielle Linie aus. Aber wenn die Emire und autokratischen Könige am
       Golf für Ägypten so viel Geld locker machen, müssen da für die
       demokratische Zukunft des Landes nicht eigentlich alle Alarmleuchten
       aufleuchten?
       
       Zunächst einmal verwundert es, dass Saudi Arabien, die Mutter des
       islamischen Fundamentalismus feiert, wenn in Ägypten die Islamisten von der
       Macht weggeputscht werden. Oft wird das damit erklärt, dass Saudi Arabien
       am Nil schon immer die islamistische Konkurrenz der Muslimbrüder, die noch
       radikaleren Salafisten unterstützt hat. Deren Fokus liegt mehr auf einer
       gesellschaftlichen Islamisierung und der Einführung der Scharia im
       täglichen Leben, während die Muslimbrüder die Veränderung durch die Politik
       und den Marsch durch die Institutionen propagieren.
       
       Welche von beiden Varianten der saudische König Abdullah bevorzugt, hat er
       in seiner diesjährigen Ramadan-Botschaft noch einmal deutlich gemacht „Das
       Königreich wird niemals Parteien zulassen, da diese nur zum Konflikt und
       Misserfolg führen“, erklärte er dort.
       
       Das verweist auf den wirklichen Beweggrund für die Finanzhilfe, die Saudi
       Arabien dem Ägypten der Post-Mursi-Zeit gewährt. Die saudischen Autokraten
       hassen die Muslimbrüder so sehr, weil diese ihre Legitimität durch die
       Wahlurnen gesucht haben. Eine islamistische Bewegung, die das macht, wird
       als Konkurrenz und als unmittelbare Bedrohung für die Golfstaaten
       angesehen.
       
       Denn das stellt deren ganzes Konstrukt gottgegebener autokratischer
       Herrschaft und monarchischer Erbfolgen in Frage, und eben nicht durch ein
       westliches Konzept sondern durch ein islamisches. Auch als die
       palästinensische Hamas beschlossen hatte, im Westjordanland und Gaza an
       Wahlen teilzunehmen, wurde sie prompt von Saudi Arabien fallengelassen.
       Einer der Gründe, warum sich die Hamas später zeitweise dem Iran zuwendete.
       
       ## Passionierte Muslimbruder-Hasser
       
       Die Herrscher der Emirate sind passionierte Muslimbruder-Hasser. Nach in
       der Woche vor dem Putsch in Ägypten wurden die Urteile im sogenannten
       UAE-94-Prozess gesprochen. Dieses Massenverfahren gegen 94 politische
       Aktivisten in den Emiraten haben Menschenrechtsorganisationen deutlich als
       „fundamental unfair“ beschrieben. 69 der Angeklagten wurden zu
       Gefängnisstrafen zwischen sieben und 15 Jahren verurteilt – für ihre
       angeblichen Verbindungen zur Muslimbruderschaft, die sich gegen die
       Herrscher des Emirates verschworen haben sollen. Unter anderem hatten sie
       Wahlen für einen Schura-Rat vorgeschlagen.
       
       „Die Finanzhilfe der Golfstaaten an Ägypten ist aus der Angst geboren, dass
       sich das größte arabische Land durch demokratische Wahlen
       weiterentwickelt“, beschreibt Christopher Davidson, Golf-Experte an der
       Durham-Universität in Großbritannien, das Motiv. „Die Saudis und die
       Emirate glauben, dass die jüngsten Änderungen in Ägypten in ihrem Sinne
       sind, und wie immer benutzen sie ihr Scheckbuch um die Dinge zu
       beeinflussen“, erklärt er der taz.
       
       „Die Saudis wollen den ägyptischen Übergangsprozess einfach kaufen“, glaubt
       eine europäische Journalistin, die jahrelang am Golf gearbeitet hat und die
       nicht namentlich genannt werden will.
       
       ## Verlierer Katar und Türkei
       
       Mit dem neuen saudischen Engagement in Ägypten verschieben sich auch die
       regionalen Gewichte. Der einzige Golffinanzier der Muslimbrüder, das Emirat
       Katar, das Mursi mit acht Milliarden Dollar geholfen hatte und das nie ein
       Geheimnis aus seiner Sympathie für die Muslimbrüder gemacht hat, gilt jetzt
       als der große politische Verlierer am Golf. Doha hat auf das falsche Pferd
       gesetzt, macht aber gute Miene zum bösen Spiel.
       
       Aber auch Katar hat die Rolle der ägyptischen Armee zum Schutz der
       nationalen Sicherheit gelobt und erklärt, es respektiere den Willen des
       ägyptischen Volkes. Ohne Hinweis auf die Bruderschaft heißt es aus Doha
       vage, man werde weiterhin Ägypten unterstützen.
       
       Der zweite Verlierer ist die Türkei. Erdogan stand den Muslimbrüder
       ebenfalls offen zur Seite, politisch, aber auch finanziell. Jetzt hat er
       nicht nur Probleme wegen der Proteste in seinem Land, sondern muss damit
       rechnen, dass auch sein regionaler Einfluss schwindet.
       
       ## Die politische Landschaft wird neu sortiert
       
       Ob die Rechnung Saudi Arabiens, das Rad in Ägypten zurückzudrehen, aufgehen
       wird, bleibt offen. Mindestens aber möchte man die Bedrohung durch ein
       demokratisiertes Ägypten neutralisieren, das die autokratischen Systeme am
       Golf in Frage stellt.
       
       Jahrzehntelang hatten die Herrscher in Riad das Mubarak-Regime massiv
       unterstützt. Jetzt hoffen sie, dass die alten Strukturen des
       Sicherheitsapparates und die alten Seilschaften des Exdiktators in Ägypten
       wieder Fuß fassen. „Sie sollten sich nicht zu früh freuen“, warnt Davidson.
       „Jeder Aufstand, der mehrere Millionen Menschen auf die Straße bringt, ist
       am Ende eine Bedrohung für die autokratischen Golfstaaten, das gilt auch
       für den 30. Juni “, glaubt er.
       
       Während die Militärs in Ägypten die Fäden in der Hand halten, wird sich die
       politische Landschaft nach dem Sturz Mursis neu formieren. Die
       ausgebooteten Muslimbrüder müssen sich neu positionieren. Schon jetzt
       schlagen sie mehr nationalistische, als islamistische Töne an.
       
       Das Bündnis gegen sie wird so schnell auseinanderfallen, wie die alten
       Revolutionäre des Tahrir merken, dass am Aufstand gegen die Muslimbrüder
       auch zahlreiche Kräfte der Restauration mitgewirkt haben. Mit Saudi Arabien
       haben letztere einen finanziell potenten Bündnispartner. Denn eins ist
       sicher: Ein arabischer Wandel, der in eine demokratische Zukunft führt, der
       ist den Königen und Emiren am Golf ein wahrer Graus.
       
       13 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Karim Gawhary
       
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