# taz.de -- Intergration im Bildungssystem: Segregation ist längst Alltag
       
       > Einwandererkinder gehen häufig auf Schulen mit hohem Migrantenanteil
       > Experten fordern, sich damit abzufinden - und diese Schulen zu stärken.
       
 (IMG) Bild: Lernerfolg hängt nicht von der Herkunft ab: Hier eine sechste Klasse in Hamburg.
       
       BERLIN taz | Die Grundschule „Kleine Kielstraße“ liegt in einer
       Hochhaussiedlung im Dortmunder Norden, vier von fünf Schülern haben hier
       einen Migrationshintergrund. Doch das ist hier kein Nachteil: fast die
       Hälfte der Grundschüler wechselt jedes Jahr nach der Grundschule auf ein
       Gymnasium, kaum jemand auf die Hauptschule.
       
       Gründe für diesen Erfolg gibt es mehrere: die enge Zusammenarbeit der
       Lehrer, die intensive Einbeziehung der Eltern, die individuelle Förderung
       der einzelnen Schüler. Dafür wurde die Grundschule schon 2006 mit dem
       „Deutschen Schulpreis“ der Robert-Bosch-Stiftung ausgezeichnet.
       
       Auch für den Sachverständigenrat der deutschen Stiftungen Integration und
       Migration (SVR) hat die Schule Modellcharakter. Denn in Deutschland ist es
       längst Alltag, dass Schüler deutscher und nichtdeutscher Herkunft
       unterschiedliche Schulwege gehen, wie jetzt aus der SVR-Studie „Segregation
       an deutschen Schulen“ hervorgeht. Das liegt zum Teil daran, dass sie in
       verschiedenen Ecken ihrer Städte leben – aber auch daran, dass selbst in
       Einwanderervierteln viele bildungsbewusste Eltern darauf bedacht sind, dass
       ihr Kind nicht auf eine Schule kommt, deren Migrantenanteil sie selbst als
       zu hoch empfinden.
       
       In Großstädten wie Frankfurt, Berlin und Hamburg ist die Segregation
       besonders ausgeprägt, hat der SVR-Forschungsbereich errechnet: Hier
       besuchen fast 70 Prozent aller Schüler, die nichtdeutscher Herkunft sind,
       bereits im Grundschulalter eine Schule, in der die Mehrheit der Mitschüler
       einen Migrationshintergrund besitzt. Bei den Schülern mit deutscher
       Herkunft sind es nur 17 Prozent. Auf dem Land sieht es im Vergleich zwar
       viel besser aus – dort leben aber auch sehr viel weniger Einwanderer.
       
       Jan Schneider, der Leiter des Forschungsbereich beim Sachverständigenrat,
       hat wenig Hoffnung, dass sich der Trend zur Segregation einfach so stoppen
       lässt. Schließlich könne man Eltern, die ihr Kind nicht auf eine Schule mit
       hohem Migrantenanteil schicken wollen, schwerlich dazu zwingen, es doch zu
       tun. Auch Anreizsysteme hätten meist versagt. Stattdessen plädiert
       Schneider dafür, aus vermeintlichen „Brennpunkt-Schulen“ das Beste zu
       machen und Vielfalt nicht als Handicap zu betrachten – auch, wenn ein
       Migrationshintergrund häufig mit sozialer Benachteiligung einhergeht.
       
       Was dafür passieren müsste, dazu hat der Forschungsbereich des
       Sachverständigenrats mehrere Empfehlungen zusammengetragen. Sie reichen von
       einer verbesserten Aus- und Fortbildung der Lehrer, die sich mehr
       interkulturelle Kompetenzen aneignen müssten, bis zur Forderung, die
       Deutschkenntnisse ihrer Schüler in allen Unterrichtsfächern zu
       unterstützen.
       
       ## Kooperation mit außerschulischen Akteuren
       
       Schulen mit einem hohen Migrantenanteil müssten außerdem attraktive
       Ganztagsangebote schaffen und Eltern gezielt ansprechen und einbeziehen –
       was zwar oft schwierig, aber ungemein wichtig sei, hängt der Schulerfolg
       doch erwiesenermaßen zum größten Teil von den Eltern ab. Wichtig sei aber
       auch die Kooperation mit außerschulischen Akteuren – wie etwa an der
       Gesamtschule Bremen-Ost, gleichfalls in einem Hochhausquartier mit vielen
       Migranten gelegen. Für Schneider ist sie ein Vorbild, weil sie unter
       anderem mit dem Fußballverein Werder Bremen und der Bremer
       Kammerphilharmonie zusammenarbeitet.
       
       „In allen Teilen Deutschlands gibt es Beispiele dafür, dass Schulen eine
       positive Wende schaffen können“, so Schneider. Die meisten können diese
       Herausforderung aber nicht von alleine meistern – sie sind auf die
       Unterstützung von Schulbehörden und Kultusministerien angewiesen. Das aber
       sei der einzige Weg, um Chancengleichheit für Einwanderkinder herzustellen.
       Und: wenn sich der Ruf vermeintlicher Brennpunkt-Schulen verbessere, könne
       sich auch deren Mischung verbessern – aber eben nicht umgekehrt.
       
       19 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Daniel Bax
       
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