# taz.de -- Der Fortsetzungsroman: Kapitel 6: Lach-Tanz-Party
       
       > Was bisher geschah: Leena schließt einen Deal. Sie muss mindestens zwölf
       > Dinge ausprobieren, die anderen Menschen Lust bereiten.
       
 (IMG) Bild: Auf einer Bank kommen sich die beiden Frauen näher.
       
       Wie bescheuert kann man eigentlich sein?, fragte sich Leena. Einen Deal mit
       einem Hirngespinst abzuschließen – ging es noch blöder? Seit geschlagenen
       dreiundzwanzig Minuten fror sie hinter einer Kastanie, beschimpfte sich
       selbst und beobachtete dabei den Eingang des Cafés. Sie bewegte ihre Zehen
       in den zu großen Doc Martens. Vierzehn Grad im Juni. In diesem Jahr wehrte
       sich die Stadt wirklich mit Händen und Füßen gegen Leenas Liebe. Und
       erstmals hatte sie gute Chancen, zu gewinnen.
       
       Am Morgen nach dem Eklat in ihrem Schlafzimmer, in dessen Verlauf es zu dem
       Deal gekommen war, hatte sich Leena widerwillig eingestanden, dass eine
       Absprache eine Absprache war – egal mit wem. Sie hatte die zerknitterte
       Liste mit den Lustassoziationen hervorgezogen und beschlossen, DER LUST ein
       Schnippchen zu schlagen.
       
       Leena hüpfte ein paar Hampelmänner. Beim siebten öffnete sich die Glastür
       gegenüber und die freundliche Bedienung kam heraus. Sie trug dieselben
       auffälligen Ethnoleggings wie an dem Tag, als Leena sie zum ersten Mal
       gesehen hatte. Leena löste sich von ihrer Kastanie, zog den Schal enger und
       lief auf die Frau zu. „He“, rief sie.
       
       Die Bedienung drehte sich um. „Ja?“
       
       „Erinnerst du dich an mich?“
       
       „Nee, ehrlich gesagt …“ Sie musterte Leena. Die schob die Mütze zurück und
       wartete. Die Bedienung wartete auch.
       
       Leena half nach: „Ich hatte dich was gefragt, neulich im Café, weißt du
       noch?“
       
       Ein breites Lächeln vertrieb die Fragezeichen von dem Gesicht. „Ah, jetzt
       hab ich’s! Du bist die mit der Lust!“ Die Bedienung lachte. Es klang, als
       würde man eine Holzkiste voller Murmeln schütteln. Die Luft um Leena herum
       erwärmte sich merklich.
       
       „Genau“, bestätigte Leena. „Ich hab dich gefragt, was Lust für dich
       bedeutet, und du hast gesagt: Lachen.“
       
       Lachen. Eine grundharmlose (und vor allen Dingen: vollständig bekleidete)
       Antwort, die unvermintes Terrain versprach. Leena bemühte sich um ein
       Lächeln. „Hast du ein paar Minuten?“
       
       Die Murmeln rollten wieder gegen das Holz.
       
       Leena erklärte der Bedienung, wie sie zu „der mit der Lust“ wurde, und
       sinnierte zeitgleich über die Vorzüge gestrickter Wollleggings. Denn
       während sich ihre eigenen Lippen bläulich färbten, schien ihre heitere
       Gesprächspartnerin nicht zu frieren, als sie Leenas – zugegebenermaßen
       geschönter – Zusammenfassung lauschte. „Auf dem Porno-Filmdreh haben sie so
       viel gelacht, das ist mir nicht mehr aus dem Kopf gegangen“, endete Leena
       schließlich. „Und dann bist du mir wieder eingefallen.“
       
       „Was für eine hübsche Assoziationskette.“ Die Bedienung grinste. „Und
       jetzt?“
       
       Ja, und jetzt?, dachte Leena. Sie fuhr einen Schriftzug auf der Sitzfläche
       nach. Touris raus!, buchstabierte ihr Finger in das weiche Holz der Bank.
       Sie fühlte sich leer. Wieder mal.
       
       „Stimmt“, sagte die Bedienung unvermittelt.
       
       Leena blickte erstaunt auf. „Wieso? Was hast du denn gegen Touristen?“
       
       Die Bedienung stutzte, dann sah sie auf Leenas Finger, begriff und brach
       erneut in Gelächter aus. Leena sah ihr beim Lachen zu und kam sich dämlich
       vor. Schließlich setzte die Bedienung erneut an. „Ich meine: Du hast recht,
       ich könnte dir viel übers Lachen erzählen … Und sogar zeigen, aber du
       kommst leider ein paar Tage zu spät.“
       
       „Wozu?“
       
       „Zur Lach-Tanz-Party.“
       
       Lach-Tanz-Was?
       
       „Ich weiß, was du denkst“, behauptete die Bedienung. „Du denkst an eine
       Achtziger-Jahre-Tanzschule mit braunen Spiegelwänden, in der ein
       Alleinunterhalter zu Synthesizermelodien den Lachrhythmus ansagt. An
       peinliche Menschen mit wirrem Haar und irrem Blick.“
       
       Falsch. Leena stellte sich vor, wie es wäre, inmitten fremder Menschen zu
       lachen, laut und schlimmstenfalls mit weit geöffnetem Mund, so dass jeder
       um sie herum in ihr Inneres sehen könnte. Der Gedanke suggerierte eher
       Folter als Lust. Ihre Zähne schlugen aufeinander. Von wegen unvermint,
       dachte sie.
       
       Die Bedienung gluckste. „Mach dir nichts draus, das glauben alle. Aber es
       ist ganz anders. Es ist toll und lustig und total befreiend. Alles fällt
       von dir ab! Und am Ende bist du einfach nur glücklich …“ Ihr Lächeln
       entrückte nach innen. Leena spürte einen Stich. Wann hab ich das letzte Mal
       so für etwas gebrannt?, fragte sie sich. Oder besser noch: Hab ich jemals?
       
       „Beneidenswert“, murmelte sie und schob die Hände unter die Achseln.
       
       Die Bedienung öffnete ihre Umhängetasche, die aussah wie ein übergroßes
       Kinderportemonnaie, zog einen Flyer heraus und reichte ihn Leena. Lachclub
       Rixdorf stand darauf. „Komm einfach mal vorbei.“ Sie klopfte sich den Staub
       in ihre Wollhose und ging. Ihre Wärme blieb. Leenas Zittern auch.
       
       13 Jun 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Tania Witte
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Lust
 (DIR) Tania Witte
 (DIR) Fortsetzungsroman
 (DIR) Fortsetzungsroman Lust. Ausgerechnet
 (DIR) Lust
 (DIR) Lust
 (DIR) Lust
 (DIR) Tania Witte
 (DIR) Tania Witte
 (DIR) Lust
 (DIR) Tania Witte
 (DIR) Lust
 (DIR) Lust
 (DIR) Lust
 (DIR) Lust
 (DIR) Tania Witte
 (DIR) Lust
 (DIR) Lust
 (DIR) Tania Witte
 (DIR) Lust
 (DIR) Fortsetzungsroman
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 22: Kassensturz
       
       Was bisher geschah: Leena war 80 Stunden lang in den Fängen DER LUST und
       kann sich an wichtige Details nicht erinnern. Ihre Freundin Nuray hat die
       Nase voll von den Eskapaden DER LUST.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 21: Katzenjammer
       
       Was bisher geschah: Leena und ihre weltberühmte Partybekanntschaft suchen,
       als Männer getarnt, die Lust und das „echte“ Berlin. Sie landen in einer
       Karaokebar und es wird wild.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 17: Kontaktimprovisation
       
       Was bisher geschah: Leena will das beim Roulette gewonnene Geld spenden -
       DIE LUST verfolgt einen anderen Plan. Um Leena besser kontrollieren zu
       können, verabreicht sie ihr Ecstasy.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 16: Was kostet die Nacht?
       
       Was bisher geschah: In frisch geklauten Klamotten befördert DIE LUST Leena
       ins Spielcasino. Leena will kneifen, DIE LUST setzt alles. Auf 17.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 15: Rien ne va plus
       
       Was bisher geschah: DIE LUST übernimmt die Kontrolle über Leenas Körper und
       klaut ihr eine neue Garderobe zusammen. Als Eintrittskarte in die Welt der
       Reichen und für einen ganz großen Coup
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 14: Feindliche Übernahme
       
       Was bisher geschah: Leena scheut Experimente mit Lack und Leder und vergibt
       lieber zehn von zehn Punkten an die vegane Luxusküche. DIE LUST meutert und
       will Action.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 12: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel
       
       Was bisher geschah: Leena versucht sich als Voyeurin im Swingerclub. Doch
       bei der Erwähnung des SM-Spielzimmers nimmt sie Reißaus.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 13: Das Fleisch ist schwach
       
       Was bisher geschah: Leena lässt Rohrstock und Peitsche links liegen und
       flieht erstmal in ganz andere fleischliche Genüsse.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 10: Von wegen sozial
       
       Was bisher geschah: Eine durchzechte Nacht beschert Leena Übelkeit und die
       Erkenntnis, halb Berlin geküsst zu haben. Auch ihre beste Freundin Nuray.
       Mit Zunge.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 11: Zwanglos
       
       Was bisher geschah: DIE LUST gibt Leena via Facebook in aller
       Netzöffentlichkeit Ratschläge. Zum Beispiel: mal Voyeurismus ausprobieren.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 9: Ochs-am-Berg
       
       Was bisher geschah: Leena ist mit ihrer besten Freundin im Biergarten
       gelandet, um ihre Suche mit Alkohol fortzusetzen. Und zwar ordentlich.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 8: Ein kühles Blondes
       
       Was bisher geschah: DIE LUST treibt Leena mitten in der U7 in einen
       veritablen Lachkrampf. Ein mitleidsarmer Zeitgenosse filmt. Na danke.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 5: Schlafzimmerdiplomatie
       
       Was bisher geschah: Ihre Erlebnisse vom Porno-Dreh notiert Leena in eine
       Tabelle, bis DIE LUST erschien und sie in die Bredouille bringt.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 4: Tabellenkalkulation
       
       Was bisher geschah: Leena sucht die Lust. Ihre Freundin Isabelle nahm sie
       deswegen mit zu einem Porno-Dreh – einem feministischen Porno-Dreh,
       wohlgemerkt.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 3: Porno in Mitte
       
       Was bisher geschah: Zuerst kam die Antwort. Dann kam die Frage und warf
       weitere auf. Und Leena begab sich auf die Suche nach der Lust.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 2: L wie Lust
       
       Was bisher geschah: Ein harmloser Moment in ihrem Neuköllner Schlafzimmer
       konfrontiert Leena mit ihrer Lust. Die jetzt gelebt werden will.
       Gefälligst.
       
 (DIR) Der Fortsetzungsroman: Kapitel 1: Kopfgeburt
       
       Die Autorin Tania Witte schreibt ab sofort jede Woche den Fortsetzungsroman
       „Lust. Ausgerechnet“. Protagonistin Leena wird mit ihrer Lust konfrontiert.