# taz.de -- Wirtschaftliche Situation in China: Wachstumsrekorde sind endlich
       
       > Der Strukturwandel ist in der Volksrepublik voll im Gang. Welche Folgen
       > hat das Ende des beispiellosen Booms für den Rest der Welt?
       
 (IMG) Bild: Peking: Wird da gerade am Bedarf vorbei gebaut?
       
       PEKING taz | Chinas wirtschaftlicher Aufstieg der vergangenen 20 Jahre hat
       der Welt viel Wohlstand gebracht. Vor allem nach der Lehman-Pleite war die
       Volksrepublik die Lokomotive der Weltkonjunktur. Nun schrillen auch im
       Reich der Mitte die Alarmglocken.
       
       Die chinesische Statistikbehörde hat Anfang der Woche bekannt gegeben, dass
       Chinas Wirtschaft im zweiten Quartal gegenüber dem Vorjahr um nur noch 7,5
       Prozent gewachsen ist. Das klingt für europäische Ohren zwar immer noch
       nach viel, für eine sich noch entwickelnde Volkswirtschaft mit über hundert
       Millionen unter der Armutsgrenze lebenden Menschen ist es aus Sicht vieler
       Ökonomen aber zu wenig – zumal China im vergangenen Jahrzehnt fast
       durchgehend zweistellige Wachstumsraten gewohnt war.
       
       Einige Experten befürchten bereits das Ende des Booms – mit Auswirkungen
       auf die ganze Welt. Denn China ist inzwischen die zweitgrößte
       Volkswirtschaft der Welt und Nummer eins der Handelsnationen. Geht es China
       schlecht, könnten das schon bald auch die Bergwerke in Australien und die
       Maschinenhersteller im schwäbischen Tuttlingen zu spüren bekommen.
       
       Eingebrochen ist bislang vor allem der Export. Er schrumpfte im Juni im
       Vergleich zum Vorjahresmonat um 3,1 Prozent. Schuld ist die anhaltende
       Schwäche der Absatzmärkte in den USA und Europa. Diese Entwicklung wird
       zugleich aber auch staatlich betrieben.
       
       ## Große Umwälzungen
       
       Tatsächlich steht die chinesische Wirtschaft derzeit vor großen
       Umwälzungen. Den wirtschaftlichen Aufstieg hat China seiner gigantischen
       Exportindustrie zu verdanken. Mehr als 20 Jahre nähten die Chinesen zu
       Niedrigstlöhnen T-Shirts und Turnschuhe und schraubten iPhones und
       Flachbildschirme zusammen. Als „Werkbank der Welt“ ist China zum
       Exportweltmeister aufgestiegen.
       
       Doch Chinas Führung ist klar geworden: So geht es nicht weiter. Die
       Ansprüche der chinesischen Arbeitnehmer steigen. Will die Kommunistische
       Partei der Bevölkerung zu einem Wohlstand verhelfen, der mit dem der
       Menschen in den USA und Europa vergleichbar ist, muss sie Industrien für
       hochwertige Produkte schaffen, die höhere Löhne versprechen und stärker auf
       die Bedürfnisse der eigenen Bevölkerung eingehen.
       
       Dieser Strukturwandel ist nun voll im Gange. Die Löhne sind deutlich
       gestiegen – was dazu führt, dass die exportorientierte Industrie im großen
       Stil abwandert. Zugleich wird die chinesische Führung nicht müde, Reformen
       zu versprechen, die den Binnenkonsum stärken und nachhaltige sowie
       umweltfreundliche Industrien und Dienstleistungen versprechen. „Dieser
       Prozess ist jedoch schmerzhaft und braucht seine Zeit“, sagt der
       chinesische Ökonom Oliver Meng Rui von der China Europe International
       Business School in Schanghai.
       
       Allerdings geht das Wirtschaftswachstum der vergangenen Jahre in
       erheblichem Maße auch auf gigantische kreditfinanzierte Investitionen
       zurück, die der Staat ebenfalls gezielt angestoßen hatte. Gleichzeitig mit
       dem Wegfall der Exportindustrie pumpte Chinas Führung enorme Summen in die
       heimische Wirtschaft, nicht zuletzt aus Furcht vor sozialen Unruhen. Sie
       wies ihre Zentralbank an, die Geldzügel und die Kreditbestimmungen zu
       lockern. Diese Politik zeitigte schnell Wirkung – und führt nun zu
       Problemen. Im ganzen Land fühlten sich Staatsunternehmen und lokale
       Parteisekretäre ermuntert, auf Teufel komm raus zu investieren.
       Luxuswohnanlagen wurden errichtet, überdimensionierte Flughäfen,
       Messehallen und Bahnhöfe.
       
       ## Viel Leerstand
       
       „Es wurde zu viel am Bedarf vorbei gebaut“, sagt Ökonom Rui. Nun stünden
       viele Bauten leer. Die Überinvestitionen der Staatsunternehmen haben
       zugleich dazu geführt, dass die Lager völlig überfüllt sind. Vor allem an
       Stahl, aber auch an Autos und Solarmodulen gibt es gewaltige
       Überkapazitäten. Sie werden nun billigst verscherbelt – und drücken
       weltweit die Preise. Gewinne bringen sie nicht ein. Die chinesischen
       Kommunen und viele staatseigene Betriebe sitzen auf hohen Schulden.
       
       Die deutsche Exportindustrie könnte von einem langsam, aber stetig
       wachsenden Binnenmarkt in China künftig profitieren. Viel zu verlieren
       haben dagegen Australien oder afrikanische und arabische Länder, die in den
       vergangenen Jahren stark an der hohen Nachfrage nach Rohstoffen aus China
       verdient haben. Seitdem die dortige Industrie ihre Produktion zurückfährt,
       fallen auch die Rohstoffpreise in den Keller.
       
       Die Sorge, Chinas Schuldenproblem könnte zu einem Zusammenbruch der
       weltweiten Finanzindustrie führen, ähnlich wie nach der Lehman-Pleite, hat
       Ökonom Rui nicht. Zu Recht: Die chinesischen Schulden basieren auf Darlehen
       von Banken, die wiederum dem Staat gehören. Und der ist zumindest bislang
       stets zur Rettung eingesprungen. Aber selbst im Fall eines Bankencrashs
       blieben die Auswirkungen überschaubar. Denn das chinesische Finanzsystem
       ist vom Rest der internationalen Finanzmärkte nach wie vor weitgehend
       abgekoppelt.
       
       He Xiaoyu von der Zentralen Hochschule für Wirtschaft und Finanzen in
       Peking blickt trotz der aktuellen Probleme zuversichtlich auf Chinas
       Entwicklung. Die Wirtschaftsleistung habe sich in den vergangenen 30 Jahren
       mehr als verzwanzigfacht. He hält es für normal, dass das prozentuale
       Wachstum bei einer inzwischen so großen Volkswirtschaft abnimmt. „In
       absoluten Zahlen bleibt Chinas Wachstum aber beachtlich.“
       
       20 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Felix Lee
       
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