# taz.de -- Gewalt in Libyen: Die Regierung hat wenig im Griff
       
       > Die Befreiung von 1.100 Häftlingen zeigt die prekäre Sicherheitslage. Der
       > Mord an einem Menschenrechtler löst Proteste gegen Islamisten aus.
       
 (IMG) Bild: Plünderungen nach dem Sturm der Zentrale der Partei der Muslimbrüder in Tripolis.
       
       BERLIN taz | Auf den verwackelten Handybildern eines zufällig
       vorbeifahrenden Autofahrers sehen die vielen am Straßenrand
       entlangschlendernden Männern wie normale Spaziergänger aus. Doch die
       Aufnahmen dokumentieren den vorläufigen Höhepunkt der sich dramatisch
       verschlechternden Sicherheitslage in Libyen.
       
       Über 1.100 entflohene Häftlinge machten sich am Freitag auf den Weg in
       Bengasis Innenstadt. Nach Angaben von Augenzeugen führte eine Schießerei
       zwischen Militärpolizisten im Kuayfia-Gefängnis zu einer Revolte der
       Insassen. Offiziellen Angaben zufolge bekamen die Gefangenen Unterstützung
       von Bewaffneten, die Angehörige befreien und Anwohnern, die die Haftanstalt
       nicht in ihrer Nähe haben wollten. Sicherheitskräfte hätten die Anweisung
       gehabt, keine Schusswaffen gegen Zivilisten einzusetzen.
       
       Ob der Ausbruch in Zusammenhang mit landesweiten Protesten gegen
       islamistische Milizen und den mit ihnen verbündeten Muslimbrüdern steht,
       ist unklar.
       
       Am Freitag griffen wütende Bürger Parteibüros und Einrichtungen der
       „Gerechtigkeits- und Aufbaupartei“ an, die den libyschen Muslimbrüdern
       nahesteht. Anlass der seitdem andauernden Unruhen ist der Mord an dem
       Rechtsanwalt und Menschenrechtsaktivisten Abdulsalam Musmari, der nach dem
       Freitagsgebet von zwei maskierten Männern auf offener Straße ermordet
       wurde.
       
       ## Anti-Gaddafi-Revolutionär der ersten Stunde
       
       Musmari war Gründer der Bürgerbewegung 17. Februar und
       Anti-Gaddafi-Revolutionär der ersten Stunde. Immer wieder bezog er auch
       öffentlich Stellung gegen die Willkür religiöser Milizen und gegen die
       Muslimbrüder. Er und andere Aktivisten aus Bengasi wurden auf
       islamistischen Internetforen bedroht und für die Erstürmung der Kaserne der
       Parallelpolizei Derra Libya verantwortlich gemacht, bei der Dutzende
       Demonstranten erschossen wurden.
       
       Die Stimmung auf den Demonstrationen vom Wochenende war wütender als je
       zuvor nach der Revolution vor zweieinhalb Jahren. „Wer die Wahrheit sagt,
       riskiert sein Leben“, stand auf einem Plakat auf Bengasis Tahrirplatz, wo
       der Aufstand gegen Gaddafi begann. „Wir wollen eine Polizei und keine
       Muslimbrüder“, hieß es auf einem anderen handgemalten Schild.
       
       Auf dem symbolträchtigen Platz im Herzen der Hauptstadt fand Samstag die
       größte Demonstration seit der Revolution statt. Ein von den Muslimbrüdern
       aufgebautes Zelt, in dem sie die Umsetzung des Isolationsgesetzes
       überwachen, wurde dabei zerstört. Das von islamistischen Milizionären mit
       der Besetzung zweier Ministerien erzwungene Gesetz schließt sämtliche
       Funktionäre von öffentlichen Ämtern aus, die nach 1969 Positionen im
       Staatsapparat innehatten.
       
       ## Todesdrohungen seit 2011
       
       Auf einer Pressekonferenz bat Regierungschef Ali Seidan um Geduld und
       kündigte den schnellen Aufbau von Polizei und Armee an, wovon bis jetzt
       praktisch nichts zu sehen ist. „Durch das Isolationsgesetz haben wir das
       mittlere Management in allen Bereichen des Staates eingebüßt und sind
       schwach“, gab Zeidan freimütig zu.
       
       Wie wenig die Regierung die Lage in Libyen im Griff hat, zeigt sich schon
       daran, dass nicht einer der über 50 Morde an Polizisten und
       Armeeangehörigen der letzten Monate aufgeklärt wurde. Mit Musmari wurde
       erstmals ein politischer Aktivist im nachrevolutionären Libyen ermordet.
       
       Freunde Musmaris berichten, dass der Rechtsanwalt bereits 2011 erste
       Todesdrohungen erhielt. In einem Interview wandte er sich an seine Gegner:
       „An die Leute, die mich umbringen wollen, habe ich eine Botschaft. Lasst
       uns einfach reden. Über unsere Vorstellungen von einem gemeinsamen neuen
       Libyen.“
       
       28 Jul 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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