# taz.de -- Libyen und der Putsch in Ägypten: Miliz rückt in Tripolis ein
       
       > Die Muslimbrüder sichern ihre Machtposition in der libyschen Hauptstadt.
       > Der liberalere und ölreiche Osten des Landes fordert dagegen seine
       > Autonomie.
       
 (IMG) Bild: Anhänger der Muslimbrüder vor Ägyptens Botschaft in Tripolis.
       
       TRIPOLIS taz | Gebannt, aber weitgehend unbeteiligt haben viele Libyer über
       Wochen auf die blutigen Unruhen in Ägypten geschaut. Bis auf kleinere
       Proteste gegen das Vorgehen der ägyptischen Armee gab es kaum Reaktionen.
       
       Das Schweigen von Regierungschef Ali Seidan wurde von der
       Muslimbrüderpartei „Gerechtigkeit und Aufbau“ und deren Führer Mohamed
       Sawan heftig kritisiert. Die Demonstranten warfen Seidan auch vor, mit der
       Nato die Zerschlagung der Muslimbruderschaft in Libyen zu planen.
       
       Ein Anschlag auf das ägyptische Konsulat in Bengasi am Samstag und eine
       Autonomieerklärung in der an Ägypten grenzenden Provinz Kyrenaika im
       liberaleren Osten des Landes haben die Lage jedoch geändert.
       
       ## Warnungen vor einem Putsch von Gaddafi-Anhängern
       
       Bereits im Laufe der vergangenen Woche setzten sich 1.000 Fahrzeuge der vom
       libyschen Staat bezahlten Derra-Libya-Miliz aus Misurata in Bewegung –
       jedoch nicht in den rebellischen Osten. Sie besetzten vielmehr in der
       Hauptstadt Tripolis strategische Punkte. Offiziell, um nach dem unruhigen
       Ramadan für Ordnung zu sorgen. In den Augen vieler Hauptstädter jedoch, um
       die Muslimbrüder, die auch in Misurata das Sagen haben, vor Ereignissen wie
       in Ägypten zu schützen. De facto sichert der Einmarsch der
       Derra-Libya-Einheit den Muslimbrüdern die Machtposition in Tripolis.
       
       Der sich zu den Muslimbrüdern bekennende Chef des Nationalkongresses, Nuri
       Abu Samhain, warnte nach der Absetzung Mohammed Mursis mehrmals vor einem
       Putsch ehemaliger Gaddafi-Anhänger. Er war von dem starken islamistischen
       Block in den Kongress gewählt worden. Er wolle die Macht der Islamisten in
       der Hauptstadt zementieren, beschwerten sich liberale Abgeordnete.
       Kongresssprecher Omar Hmeidan hält die Mobilisierung für illegal und
       kündigte rechtliche Schritte an.
       
       ## Vier von der Regierung bezahlte Armeen
       
       Doch in Libyen werden politische Fakten immer noch mit Waffen geschaffen.
       Es waren die gleichen Derra-Libya-Einheiten, die vor dem Ramadan mit der
       Besetzung von Ministerien den Kongress zwangen, ein Gesetz zum Ausschluss
       aller seit 1969 im Gaddafis Regierung tätigen Politiker aus dem politischen
       Leben zu erzwingen. Dieser pauschale Ausschluss der ehemaligen Elite,
       ähnlich der Entbathifizierung im Irak, hat die Atmosphäre im Kongress und
       der Öffentlichkeit vergiftet.
       
       Der Journalist Mohamed Eljar warnt vor einen unlösbaren Konflikt. „Libyen
       hat nun vier von der Regierung bezahlte Armeen“, sagt er. „In Tripolis
       stehen sich Derra Libya aus Misurata und Einheiten aus Zintan gegenüber.
       
       Die Zintaner und deren Verbündete stehen unter dem Kommando des
       Verteidigungsministers und unterstützen die liberale Partei von Mahmud
       Dschibril, die Derra Libya befehligt der Armeechef. An den Grenzen pochen
       die Grenzeinheiten auf ihre Unabhängigkeit und widersetzen sich jedem
       Befehl aus Tripolis. Und die Barka-Armee des Kyrenaika-Rats in Bengasi
       sympathisiert mit den Föderalisten im Osten, wo sich 70 Prozent der
       Ölvorräte befinden.“
       
       ## Vorbild für Autonomie ist Irakisch-Kurdistan
       
       Dort kämpft die Jugendbewegung des „Übergangsrats der Kyrenaika“ für eine
       lockere Föderation der drei libyschen Provinzen Fessan, Tripolitanien und
       Kyrenaika, entsprechend der Verfassung von 1951. Mit einem 12-Punkte-Plan
       wollen sie nun die Selbstverwaltung erreichen.
       
       „80 Prozent der Bewohner im Osten wollen dies, und das prosperierenden
       Kurdistan im sonst chaotischen Irak zeigt, dass ein Autonomiestatus die
       beste Lösung für uns ist“, sagt ein Mitglied der Bewegung.
       
       ## Ölfelder werden seit Wochen bestreikt
       
       Der Kyrenaika-Übergangsrat hätte sich für die Erklärung mit der Stadt Ras
       Lanuf keinen symbolträchtigeren Ort wählen können. Der wichtigste Ölhafen
       Libyens wird seit Wochen bestreikt, die den Export aus Afrikas ölreichstem
       Land weitgehend zum Erliegen brachten.
       
       Seit Sonntag exportieren die Föderalisten nun Öl auf eigene Faust und ohne
       Zustimmung aus dem 1.000 Kilometer entfernten Tripolis. Premier Ali Seidan
       hat bereits gewarnt, in diesem Fall die libysche Armee gegen die
       Streikenden einzusetzen, die sich offenbar mit den Föderalisten verbündet
       haben.
       
       18 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Mirco Keilberth
       
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