# taz.de -- Mieten: Wenn der Ballermann droht
       
       > In Nordneukölln wird ein „Bündnis für bezahlbare Mieten“ geschmiedet.
       > Beim ersten Treffen diskutieren Anwohner und Aktivisten über einen
       > Milieuschutz als Ausweg.
       
 (IMG) Bild: In der Weserstraße verdrängen junge hippe Zugezogene (Archivbild) die Eingesessenen
       
       Der riesige Stuhlkreis hat gut 100 Plätze, um Punkt 19 Uhr sind alle
       besetzt. Weitere Menschen drängeln sich im Eingangsbereich der
       Mehrzweckhalle Rütlistraße. Der Quartiersrat Reuterplatz hat geladen, um
       ein „Bündnis für bezahlbare Mieten“ in Nord-Neukölln ins Leben zu rufen.
       Und sie sind gekommen: viele Senioren, einige Studenten und vor allem
       biodeutsche BürgerInnen in den 30ern bis 50ern. Die meisten Anwohner,
       einige Politiker, etwa zwei Dutzend nennen sich Mieter-Aktivisten. Wie sich
       zeigen wird, eint alle die Sorge, dass der Kiez „kippt“ – und viele
       befürchten, dass bald die eigene Miete den Geldbeutel sprengt.
       
       Viele Geschichten über Luxussanierungen und Kaltmieten von 11 Euro werden
       an diesem Abend noch erzählt, aber auch über Mieterbündnisse,
       Kiezspaziergänge und Zusammenhalt. Die Frage „Was tun?“ soll wenigstens
       vorläufig beantwortet werden, hofft der Quartiersrat und bringt die Antwort
       gleich selbst ins Spiel: Ein Milieuschutz für den Kiez muss her.
       
       Eine solche Verordnung des Bezirks helfe allerdings nur bedingt, erklärt
       Rainer Wahls, Aktivist aus Friedrichshain. Luxussanierungen etwa könne der
       Bezirk damit verhindern. Für weitergehende Befugnisse – etwa ein Verbot der
       Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen – müsse der Senat zustimmen.
       Dennoch sollten die NeuköllnerInnen schnell aktiv werden, rät Wahls: „Wenn
       ich mich in Kreuzkölln umgucke, sieht es aus wie 2001 in der
       Simon-Dach-Straße. Sie kriegen bald Interessenkonflikte wegen Lärm.“ –
       „Ham’wa schon“, piepst eine Frau.
       
       Das Thema „Ballermannisierung“ – dass in manchen Straßen die Kneipen,
       Restaurants und nachtaktiven Läden wie Pilze aus dem Boden schießen – wird
       erneut virulent in den Kleingruppen, die schließlich gebildet werden. Hier
       sollen die Leute Gelegenheit zum Austausch über ihre Probleme haben – und
       Ideen sammeln. Tisch 4 wird von Willi Laumann moderiert, einem
       ehrenamtlichen Mitarbeiter im Neuköllner Mieterverein. Er notiert die
       Klagen: etwa die eines Mannes mittleren Alters, der gerade eine
       Mieterhöhung von 6,30 Euro auf 7,13 bekam. Seine Nebensitzerin ergänzt:
       „Seit dem Eigentümerwechsel vor vier Jahren bekommen wir jedes Jahr eine
       Mieterhöhung.“ Sie beklagt auch die vielen Straßencafés in der
       Friedelstraße, wo sie lebt: „Natürlich habe ich die ersten begrüßt, aber
       jetzt wird es zu viel.“
       
       Eine ältere Frau bemängelt, sie müsse nun 75 Euro mehr zahlen, gibt aber
       zu, ihre große Wohnung koste bislang nur 280 Euro kalt. „Aber auch das
       verschlingt 66 Prozent meines Hartz-IV-Einkommens“, erklärt sie. Ein
       anderer Senior mit Halskrause berichtet, er kenne Häuser, in denen schon 11
       Euro Kaltmiete pro Quadratmeter fällig würden.
       
       ## Horrorstorys von Mietern
       
       Nach weiteren Horrorstorys will Moderator Laumann die Diskussion auf das
       „Was tun“ lenken. Er fragt, was die Runde vom Milieuschutz halte. Der Mann
       mit Halskrause meldet sich erneut. „Das Milieu hat sich gewandelt, aber dit
       is nich das Problem“, krächzt er. „Det Schlimme sind die Lokale und Clubs.“
       Aktivist Wahls belehrt ihn, darum gehe es nicht. „Milieuschutz ist etwas
       Technisches“ – ein Mittel, um zu verhindern, dass sich die
       Bevölkerungsstruktur ändere. Dass das bereits geschehen ist, wie der
       Alt-Neuköllner feststellt, geht unter.
       
       Am Ende werden die Ergebnisse der Kleingruppen im Plenum zusammengetragen.
       Die Forderungen reichen von „gesellschaftliche Kräfte bündeln“ über
       „Verhinderung von Zwangsumzügen“ bis zu „neue Kriterien für den
       Mietspiegel“. Milieuschutz ist ein Punkt unter vielen – aber der, mit dem
       man sofort anfangen könne, betont Wahls noch einmal. Kurz gibt es Streit,
       ob man auf die Schnelle eine Resolution verabschieden kann. Da springt
       Heike Thomas, allein erziehende Mutter und aktiv in der Mieterinitiative
       FuldaWeichsel, in die Rundenmitte: „Wir bleiben alle“, skandiert sie
       fröhlich – ein schönes Schlusswort.
       
       Das nächste Treffen des neuen Bündnisses findet statt am 27. Augsut, 19 Uhr
       im "Broschek", Weichselstraße 6, Neukölln. Anmeldungen unter
       [1][quartiersrat@reuter-quartier.de]
       
       13 Aug 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] /quartiersrat@reuter-quartier.de
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Susanne Memarnia
       
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