# taz.de -- Indiens Wirtschaft schwächelt: Bernanke und die Zwiebeln
       
       > Die Rupie sackt auf den tiefsten Stand in ihrer Geschichte, Die
       > Investoren reagieren nervös. Mitverantwortlich sind die US-Notenbank und
       > die Zwiebelpreise.
       
 (IMG) Bild: Die Gemüsepreise steigen. So gelassen wie dieser Zwiebel-Händler sieht das die indische Regierung nicht.
       
       BANGKOK taz | So tief wie am Freitag stand sie noch nie: An der Börse im
       Mumbai wurden 62,01 Rupien pro US-Dollar gezahlt. Damit hat die indische
       Landeswährung allein seit Anfang Mai mehr als 12 Prozent an Wert verloren.
       
       Die Maßnahmen der Zentralbank lassen Panik ahnen, Investoren reagieren
       nervös: Einzelpersonen dürfen nur noch etwa 56.000 Euro pro Jahr ins
       Ausland überweisen. Auch die Investments indischer Firmen im Ausland wurden
       begrenzt, um den Abfluss von Kapital zu mäßigen.
       
       Ben Bernanke, Präsident der US-Notenbank Fed, ist zumindest mitschuldig am
       Wanken des asiatischen Giganten. Indien leidet derzeit – wie andere
       Schwellenländer – unter seinen Andeutungen, man werde schon bald aus der
       ultralockeren Geldpolitik aussteigen und weniger Staatsanleihen kaufen.
       
       Schon Anfang September könnte der „Exit“ beginnen. Die laxe Geldpolitik der
       Fed hatte in den vergangenen Jahren dazu geführt, dass viel Geld in Staaten
       wie Indien, die Türkei oder auch nach Brasilien floss – dieser Kapitalfluss
       kehrt sich nun um.
       
       ## Der Boom ist vorbei
       
       Die Maßnahmen von Indiens Zentralbank und Regierung, den Kursverfall zu
       stoppen, wirken hilflos. So bewirkte der Versuch, die Menge importierten
       Goldes zu verringern – in Indien die klassische Geldanlage –, wenig. Erst
       am Dienstag hat Indien zudem die Einfuhrzölle auf Gold und Silber erhöht
       und den Import von Goldmünzen und -medaillons verboten.
       
       Viele Experten erinnern sich derzeit an die verheerende Krise von 1991.
       Damals musste das Land in einer spektakulären – und demütigenden – Aktion
       67 Tonnen Gold als Sicherheit für einen 2,2 Milliarden Dollar schweren
       Kredit des Internationalen Währungsfonds ins Ausland fliegen.
       
       Ein weiteres Problem: Die große Boomphase ist vorbei. Von den rund 10
       Prozent Wirtschaftswachstum, die Indien bis vor wenigen Jahren verzeichnen
       konnte, sind nur noch 5 Prozent übrig. Die Industrieproduktion stagniert
       seit zwei Jahren, Arbeitsplätze werden abgebaut, die Inder leiden unter
       einer Inflationsrate von über 10 Prozent.
       
       Ausländische Investoren werden misstrauisch, seit Ende Mai haben sie
       bereits 11,6 Milliarden Dollar abgezogen. „Indien verliert die Kontrolle
       über die Rupie, und die Schwäche weitet sich auf die Aktienmärkte aus“,
       sagt UBS-Stratege Manik Narain. Leif Eskesen, Ökonom der Großbank HSBC,
       hält die Maßnahmen schlicht für investorenfeindlich.
       
       Ein wesentlicher Grund für den massiven Abschwung ist die industrielle
       Produktion, die nur etwa 15 bis 17 Prozent der Wirtschaftsleistung
       ausmacht. Daran hat sich auch während der Boomjahre 2003 bis 2011 kaum
       etwas geändert. Damals boomte es vor allem im Servicesektor. Als dieser
       einbrach, gab es kaum etwas, was den Fall der Wirtschaft insgesamt hätte
       abfedern können.
       
       ## Hoffnung in Starökonomen
       
       Packt es Raghuram Rajan? Viele sehen in dem Starökonomen, der im September
       Chef von Indiens Zentralbank Reserve Bank of India wird, den Retter. Rajan
       war einer der Ersten, die vor dem Finanzkollaps 2008 gewarnt hatten.
       Bereits 2010 sprach er davon, die hohen Wachstumsraten Indiens nicht als
       gegeben hinnehmen zu wollen. „Selbsttäuschung“ sei „der erste Schritt in
       die Katastrophe“.
       
       Rajan wird als Zentralbankchef schwierige Entscheidungen treffen müssen.
       Denn eine Begrenzung der Liquidität innerhalb des Bankensystems – wie sie
       die Zentralbank derzeit anstrebt – könnte eine Kreditknappheit auslösen und
       so den negativen Trend beschleunigen. Rajan wird also die Balance finden
       müssen zwischen Stabilität, Inflation und Wachstum.
       
       Indiens Regierung ist derzeit vor allem wegen der Gemüsepreise alarmiert.
       Im kommenden Jahr sind Wahlen. Aber: Der Zwiebelpreis steigt. Er ist nach
       einer schlechten Ernte seit Juni um ein Drittel gestiegen und ist
       maßgeblich für die galoppierende Verteuerung von Verbrauchsgütern.
       
       Zwiebeln sind in Indien so etwas wie ein Grundnahrungsmittel. Stark
       schwankende Zwiebelpreise werden für den Sturz von zwei Regierungen seit
       den 1980er Jahren verantwortlich gemacht.
       
       19 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Sascha Zastiral
       
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