# taz.de -- Sendestart von Al Jazeera America: Qualitätsjournalismus als Mantra
       
       > Es gibt Konkurrenz für CNN und Fox News: Am Dienstag startet Al Jazeera
       > America. Ein Besuch in der New Yorker Zentrale, der erstaunlich endet.
       
 (IMG) Bild: In unmittelbarer Nähe des Empire State Building in New York, befindet sich der Hauptsitz von Al Jazeera America.
       
       NEW YORK taz | Mitten in Manhattan, nur ein paar Blocks entfernt vom Empire
       State Building und direkt gegenüber der Penn Station, befindet sich der
       Hauptsitz eines neuen Senders für die USA: Al Jazeera America (AJA). In dem
       Gebäude befand sich bis vor wenigen Monaten noch eine Bank. Rechts neben
       dem Eingang klebt ein Mann noch schnell das goldene Logo auf die
       Marmorhauswand. Doch die Passanten laufen desinteressiert weiter. Nur die
       Pressefotografen freuen sich, dass es endlich etwas zu sehen gibt.
       
       Denn nachdem der arabische Nachrichtensender al-Dschasira im Januar bekannt
       gegeben hatte, nach Amerika zu expandieren, wurden die meisten
       Presseanfragen abgewiesen. Erst vier Tage bevor der Sendebetrieb am
       Dienstag aufgenommen werden soll, gibt es für einige wenige Journalisten
       eine Tour durch die neuen Räumlichkeiten.
       
       Nach Sicherheitscheck und Anmeldung versammeln sie sich in der klinisch
       weiß gehaltenen Lobby. An den Wänden große Flachbildschirme mit den Bildern
       des neuen Senders: erneute Proteste auf den Straßen Kairos mit vielen
       Toten. Ein kleiner Mann im Anzug betritt die Lobby. Es ist Paul Eedle, der
       „Deputy LaunchManager“, der die Tour leiten wird.
       
       „Zuvor können Sie aber noch ein paar Fragen stellen“, sagt er. Er
       beantwortet alle unkonkret und nutzt sie lediglich, um al-Dschasiras
       Motivation, nach Amerika zu gehen, zu erklären: „Hier gibt es einen großen
       Bedarf für Qualitätsjournalismus“, sagt Eedle, „denn unsere Studien
       ergaben, dass 40 Prozent aller Al-Jazeera-Englisch-Nutzer aus den USA
       stammen“.
       
       Die Mission des Senders: unparteiische Berichterstattung mit gründlicher
       Recherche. Dabei war al-Dschasira erst kürzlich für seinen tendenziösen
       Journalismus im Nahen Osten kritisiert worden. Dass das den Sendestart
       beeinträchtigen könnte, weist Eedle zurück: „Die Kritik ist unbegründet und
       wird dem Launch daher nicht im Wege stehen.“
       
       Er marschiert los. Zuerst in den Newsroom mit 150 Arbeitsplätzen, wo in
       verschiedenen Schichten rund um die Uhr das Programm gestaltet wird. Das
       besteht zu 14 Stunden aus Nachrichten, der Rest sind Dokumentationen und
       andere Beiträge. „Diese werden sich vor allem Themen widmen, die für
       Amerikaner interessant sind“, sagt Eedle. Deswegen gibt es neben den zwei
       Büros in New York noch zehn weitere in den USA.
       
       ## Bewusste Abgrenzung von anderen Sendern
       
       Aber auch die 70 internationalen Al-Dschasira-Stellen werden genutzt.
       „Damit haben wir einen Wettbewerbsvorteil“, sagt Eedle, „insbesondere im
       Nahen Osten“. Denn auch wenn der Schwerpunkt von AJA auf Amerika und nicht
       dem Nahen Osten liegen soll, kommt dieser immer wieder durch. So auch an
       den Wänden des Newsrooms, wo Uhren die Zeiten von New York, Los Angeles und
       London ebenso anzeigen wie die von Doha.
       
       Und auch die Konkurrenz hat man im Blick. Neben dem Bildschirm, auf dem AJA
       läuft, flimmert das Programm der US-Sender ABC, CNN und Fox News, von denen
       AJA sich bewusst abgrenzen will. Wie das gelingen soll? Als Antwort dient
       erneut die Mission vom unbefangenen Qualitätsjournalismus. Außerdem erklärt
       Eedle, „dass über bislang vernachlässigte Bereiche berichtet wird“.
       Konkrete Beispiele gibt er nicht.
       
       Stattdessen geht es weiter in den MCR, den Master Control Room. „Hier
       werden alle eingehenden und ausgehenden Informationen gecheckt“, erklärt
       Eedle und hetzt weiter, vorbei an der Maske, ein paar Treppen runter in das
       in Blau- und Gelbtönen gehaltene Studio. „Wir haben alles in kürzester Zeit
       geschaffen“, sagt er, „und wir sind sehr stolz darauf.“ Besonders auf das
       Primetime-Programm, das um 17 Uhr mit der Sendung „Inside Story“, in der
       Experten das Thema des Tages analysieren, beginnt.
       
       Zwischen den Nachrichtenblöcken gibt es das Geschäftsmagazin „Real Money“,
       die Vorzeigesendung „America Tonight“ mit US-Korrespondentenberichten und
       die Talkshow „Consider This“. „Und weil es uns wichtig ist, das Publikum
       einzubeziehen“, erklärt Eedle, gibt es noch die Sendung „The Stream“ um
       19.30 Uhr, in der das durch soziale Medien passiert.
       
       ## Bisher keinen Live-Stream im Internet
       
       Anschauen können sich das allerdings nicht alle US-Bürger. Da AJA nicht mit
       allen Versorgern Verträge ausgehandelt hat und keinen Live-Stream im
       Internet anbietet. „Wir arbeiten daran“, sagt der Geschäftsführer Ehab Al
       Shihabi, der plötzlich im Studio auftaucht und die Journalisten in die
       Lobby zurückführt. Dort verkündigt er erneut das Mantra von der Mission:
       „Wir bieten unparteiischen Qualitätsjournalismus.“
       
       Weitere Antworten sind recht dürftig, auch zu den Kooperationspartnern.
       Etwas seltsam für den Chef eines Senders, der permanent Unbefangenheit
       propagiert. Er verabschiedet sich lieber wieder schnell mit: „Freut euch
       und schaltet ein!“
       
       Nur wenige Minuten später verlassen auf einmal alle Mitarbeiter das
       Gebäude. In ihren Gesichtern Ahnungslosigkeit. Eedle rennt wild umher, Al
       Shihabi stürmt auf den Bürgersteig, sie stecken die Köpfe zusammen. Dann
       sagt Eedle zu den Mitarbeitern: „Ihr könnt alle nach Hause gehen.“
       
       Kurz darauf rückt die Feuerwehr an. „Es gibt ein großes Leck im Dach“, sagt
       einer der Männer, „wir müssen das Dach stabilisieren, damit es nicht
       einbricht.“ Die Ursache dafür ist unklar, die Wut ob des Vorfalls kurz vor
       dem Start bei allen Beteiligten umso offensichtlicher. Und so trifft das,
       womit AJA den Tag in Kairo beschrieb, auch auf New York zu: „Tag des
       Zorns“.
       
       20 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Katharina Finke
       
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