# taz.de -- Inklusion in Hamburger Schulen: Gespart wird am Kind
       
       > Viele Kinder mit Förderbedarf sind ohne Schulbegleiter, weil die
       > Schulbehörde mit den Anträgen nicht hinterher kommt.
       
 (IMG) Bild: Haben Förderbedarf, aber keine Schulbegleiter: Kinder in Hamburg
       
       HAMBURG taz | Eigentlich geht Julius gern zur Schule. Und mit der richtigen
       Hilfe kann der schwerbehinderte Junge den Alltag in der Klasse auch gut
       bewältigen. Doch seit das neue Schuljahr begonnen hat, geht es dem
       8-Jährigen nicht gut. Julius ist gereizt, seine Haut wird schlechter, er
       verliert an Gewicht. „Ein Zeichen dafür, dass er nicht mehr so gut mitkommt
       beim Essen in der Schule“, sagt Julius Mutter, Berend Hellmann.
       
       Sie ist besorgt um ihr Kind – und wütend auf die Hamburger Schulbehörde.
       Dort können Eltern und Schulen Helfer für förderbedürftige Kinder
       beantragen, „Schulbegleitung“ nennt sich das Konzept. Doch in diesem Jahr
       stapeln sich die Anträge auf Schulbegleiter, rund 400 Fälle sind noch nicht
       bearbeitet.
       
       In der Schulbehörde gibt man sich überfordert. Warum die Zahl der Anträge
       angestiegen ist – 2012 waren es noch 305, in diesem Jahr sind es 488 – sei
       „unerklärlich“ und „nicht absehbar gewesen“, sagt Schulsenator Ties Rabe.
       Stefanie von Berg, bildungspolitische Sprecherin der Hamburger Grünen,
       sieht das anders: „Es ist ein Skandal, dass viele Kinder auch nach Beginn
       des Schuljahres noch ohne Betreuung dastehen.“ Normalerweise würden etwa
       acht Wochen bis zur Bewilligung eines Antrags vergehen, so bliebe Eltern
       und Schulen schon vor den Sommerferien genug Zeit, geeignete Begleiter zu
       suchen. „Die Schulbehörde hat wohl verschlafen“, sagt von Berg.
       
       Die Folge: Überforderte Kinder, Eltern, Lehrer. Wie in der Schule am
       Hirtenweg, die Julius besucht. Sie ist speziell für körperbehinderte Kinder
       ausgerichtet, die etwa noch Hilfe beim Umblättern eines Buches oder beim
       Essen in der Kantine benötigen. Bisher waren dafür 15 Schulbegleiter
       angestellt, diese werden auf die Klassen verteilt, meist kümmern sie sich
       um mehrere Kinder zugleich. Jetzt fehlen neun Helfer. Und die
       Arbeitsverträge der noch angestellten Schulbegleiter laufen im Oktober aus.
       „Dann herrschen hier dramatische Zustände. Unterricht und Therapie werden
       für viele Kinder ganz ausfallen müssen“, heißt es aus dem Lehrerkollegium.
       Zwar sei einzelnen Kindern nun endlich eine Schulbegleitung bewilligt
       worden, jedoch nur für einen Zeitraum von zwei bis sechs Monaten. Dafür
       Personal zu finden, sei schwierig, sagt von Berg: „Schulbegleiter sind
       überwiegend Jugendliche, die ein freiwilliges soziales Jahr ableisten – die
       suchen eine Anstellung für ein Jahr und haben ihre Stellen schon gefunden.
       Außerdem brauchen Kinder einen langfristigen Betreuer, ständige Wechsel tun
       ihnen nicht gut.“
       
       Für die Eltern ist das Vorgehen der Schulbehörde vor allem Ausdruck eines
       verfehlten Inklusionskonzepts. Denn der gestiegene Bedarf an
       Schulbegleitern hat einen Grund: Seit 2010 haben Kinder in Hamburg das
       Recht, eine Regelschule zu besuchen. Hamburg rühmte sich damals, die
       UN-Konvention als eines der ersten Länder im Schulgesetz verankert zu
       haben. Doch drei Jahre später fällen Eltern ein hartes Urteil: „Das ist
       keine Inklusion, sondern ein Sparprogramm“, sagt Hellmann, die Mitglied des
       Elternrats der Schule am Hirtenweg ist. „Körperbehinderte Kinder haben ganz
       andere Ansprüche als solche mit emotionalen Störungen – doch alles wird in
       einen Topf geschmissen. Die Regelschulen sind darauf nicht vorbereitet und
       ohne Helfer umso mehr überfordert. Diese Politik schadet nur den Kindern.“
       
       Ihrem Sohn Julius wurde nun zwar eine Förderung bewilligt – jedoch auf
       sechs Monate begrenzt, die Gesamtkosten wurden deutlich reduziert. „Es gibt
       keinen Grund dafür – Julius geht es nicht besser, er sitzt im Rollstuhl,
       hat weiterhin einen hohen Förderbedarf.“ Mit ihrer Kritik steht Hellmann
       nicht allein da: Auch in anderen Hamburger Förderschulen formieren sich
       Elternräte zum Protest und diskutieren über Möglichkeiten, den Rechtsweg
       einzulegen.
       
       Die Schulbehörde hat nun erste Konsequenzen gezogen: Um die vielen Anträge
       zu bearbeiten, helfen vorübergehend Mitarbeiter aus anderen Abteilungen
       aus. Auch eine Vergrößerung des zuständigen Referats sei geplant, sagte
       Sprecher Peter Albrecht.
       
       19 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Annika Lasarzik
       
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