# taz.de -- Die Wahrheit: Der Absturz des blinden Habichts
       
       > Weil viele Fehlentscheidungen getroffen wurden, hat sich der
       > Hurling-Verband eine elektronische Ausrüstung angeschafft: Hawkeye.
       
       Hurling ist das schnellste Feldspiel der Welt. Es ist der irische
       Nationalsport. Man muss einen kleinen Lederball im gegnerischen Tor
       unterbringen. Dazu darf man die Hand, den Fuß oder einen Eschenholzschläger
       benutzen. Das zählt drei Punkte. Geht der Ball über die Querlatte zwischen
       den theoretisch bis in den Himmel verlängerten Pfosten hindurch, gibt es
       einen Punkt.
       
       Die Torhüter sind deshalb eher Balljungen und können nur zuschauen, wenn
       der Ball in zehn Metern Höhe zum Punktgewinn für den Gegner über sie
       hinwegschwebt. Torrichter in langen, weißen Fleischerkitteln wachen über
       die Flugbahn und signalisieren einen Punktgewinn mit Fähnchen – grün für
       ein Tor, weiß für einen Punkt.
       
       Weil das aber manchmal recht schwer zu erkennen ist und in den letzten
       Jahren viele Fehlentscheidungen getroffen wurden, hat der Verband sich eine
       elektronische Ausrüstung angeschafft: Hawkeye, das bereits beim Cricket und
       beim Tennis eingesetzt wird. Das von Paul Hawkins entwickelte System
       besteht aus einem Computer und sechs Kameras, es berechnet die Flugbahn des
       Balles. Dann zeigt es entweder einen Punktgewinn oder einen Fehlschuss an.
       Hawkeye wurde zum ersten Mal bei den gesamtirischen Meisterschaften in
       diesem Sommer eingesetzt.
       
       Bis zum vorvergangenen Wochenende ging alles gut. Dann fand das
       Junioren-Halbfinale zwischen Limerick und Galway statt. Schon nach wenigen
       Sekunden schlug Barry Nash für Limerick den Ball knapp über die Latte.
       Tausende Zuschauer sahen es, die Spieler auch, und der Schiedsrichter
       ebenfalls.
       
       Das Habichtsauge zeigte auf der Anzeigentafel die korrekte Flugbahn an,
       doch zum Entsetzen der Spieler aus Limerick entschied es trotzdem auf
       Fehlschuss. Der Schiedsrichter beugte sich dem Urteil seines elektronischen
       Kollegen und gab den Punkt nicht. Am Ende stand das Spiel unentschieden, in
       der Verlängerung gewann Galway.
       
       Die Hawkeye-Hersteller gaben einer Fehlprogrammierung die Schuld: Das
       System sei versehentlich auf gälischen Fußball eingestellt gewesen, den
       anderen irischen Nationalsport. Der wird jedoch mit einem viel größeren
       Ball gespielt. Der 200.000 Euro teure Habicht nahm deshalb bei seinen
       Berechnungen an, dass der Ball die Latte getroffen habe und wieder zurück
       ins Feld gesprungen sei. Der Verband zeigte Hawkeye die Rote Karte, bei den
       folgenden Spielen verließ man sich wieder auf die Männer im
       Fleischerkittel.
       
       Das Habichtsauge wird ausgerechnet von Specsavers gesponsert, einem
       Anbieter von Billigbrillen, der für seine pfiffige Werbung bekannt ist –
       sie zeigt zum Beispiel einen beleibten Mann, der sich auf den Herd in der
       Hotelküche statt in die Hotelsauna setzt: „Wärst du lieber zu Specsavers
       gegangen.“ Dies stand bei dem Junioren-Halbfinale auch unter der
       Hawkeye-Anzeigentafel. Limerick hat Protest gegen die Wertung des Spiels
       eingelegt.
       
       Die Aussichten sind allerdings schlecht. Da der Schiedsrichter dem blinden
       Habicht mehr als seinen eigenen Augen traute, gilt das als
       Tatsachenentscheidung.
       
       25 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ralf Sotscheck
       
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