# taz.de -- TV-Doku „Ein Apartment in Berlin“: Ihr Holocaust ist ein anderer
       
       > In einem 3sat-Dokumentarfilm spielen drei junge Israelis nach, wie eine
       > verstorbene jüdische Familie in den 30er Jahren in Berlin lebte.
       
 (IMG) Bild: Im Berliner Prenzlauer Berg inszeniert Alice Agneskirchner ihren Doku: Eine Wohnung, in der einst eine jüdische Familie lebte.
       
       Vor ziemlich genau siebzig Jahren haben die Nazis begonnen, die Berliner
       Juden zu deportieren. Seit ungefähr sieben Jahren gibt es eine
       Einwanderungswelle junger Israelis nach Berlin.
       
       Alice Agneskirchner hatte angesichts dieser Umstände eine Idee: Wie wäre
       es, zusammen mit drei jungen Israelis eine Wohnung, in der einst eine
       jüdische Familie lebte, mehr oder weniger originalgetreu einzurichten?
       
       Die junge Yael zieht für acht Wochen in ein Haus in der Raumerstraße im
       Bezirk Prenzlauer Berg ein. Yoav und Eyal helfen beim Einrichten. Hilfreich
       sind dabei die Aktenvermerke der Nazis, die den Hausrat der Familie Adler
       katalogisierten.
       
       Agneskirchner stellt in ihrem stark inszenierten Film genau nach, wie sich
       die Lebensumstände der Adlers, die mit Eiern handelten, seit der
       Machtergreifung der Nazis 1933 stetig verschlechterten. Zwei ihrer Söhne
       wanderten aus. Weil sie ihren behinderten Sohn Heinrich nicht mitnehmen
       durften, blieben Simon und Rosa Adler in Berlin.
       
       ## Schnell hatten die Protagonisten keine Lust mehr
       
       Schnell scheint aber der Punkt gekommen zu sein, an dem die drei
       Protagonisten des Films keine Lust mehr hatten. Yael will nicht mehr als
       Repräsentantin der Deportierten in einem schwarzen Kleid aus den Dreißigern
       durch die Stadt ziehen. Yoav erklärt der Regisseurin: „Mein Holocaust ist
       nicht dein Holocaust.“
       
       Er durchschaut am besten die Travestie, die im Setting des Films angelegt
       ist, und inszeniert seine eigenen Bilder. Er zieht in SS-Uniform um die
       Häuser. Auf die Frage, was ihn an den Tätern fasziniere, antwortet er: Die
       Deutschen würden sich gern als Opfer sehen. Wer hingegen mit der Schmach,
       Opfer zu sein, aufwachse, könne nichts Erhebendes darin sehen, moralisch
       sauber in den Tod zu gehen.
       
       „Ein Apartment in Berlin“ ist ein erhellender Film, besonders an den
       Stellen, an denen seine Protagonisten klüger sind als er selbst.
       
       31 Aug 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Ulrich Gutmair
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Israelis
 (DIR) Wohnungen
 (DIR) Dokumentarfilm
 (DIR) Novemberpogrome
 (DIR) Venedig
 (DIR) Ruhrtriennale
 (DIR) Martin Luther King
 (DIR) Gehörlose
 (DIR) Mexiko
       
       ## ARTIKEL ZUM THEMA
       
 (DIR) Ulrich Boschwitz „Der Reisende“: Wie schnell das geht
       
       Der Verleger und Herausgeber Ulrich Alexander hat den Roman „Der Reisende“
       neu entdeckt, der kurz nach den Novemberpogromen von 1938 entstand.
       
 (DIR) 70. Filmfestival von Venedig: Drei Dimensionen der Endlosigkeit
       
       Der Wettbewerb fällt dieses Jahr in Venedig erstaunlich nordamerikanisch
       aus. Das älteste Filmfestival der Welt öffnet mit dem 3-D-Film „Gravity“.
       
 (DIR) Ruhrtriennale in Duisburg: Die Verwaltung unserer Gegenwart
       
       Höhepunkt im diesjährigen Programm: Die Performance-Kollaboration des
       britischen Dokumentarfilmemachers Adam Curtis mit der Band Massive Attack.
       
 (DIR) Martin-Luther-King-Thementag auf Arte: Träume, kälter als der Tod
       
       Arte zeigt „I have a dream“ von Martin Luther King und versucht, die Frage
       zu beantworten, was aus seinen postulierten Wünschen geworden ist.
       
 (DIR) Gehörlose US-Künstlerin Sun Kim: „Ich spüre meine Stimme“
       
       Die gehörlose US-Künstlerin Christine Sun Kim über das Arbeiten mit Klang,
       ihre ungebrochene Liebe zu Musik auf Vinyl und eine eigene Form von
       Notation.
       
 (DIR) Thriller über Frauenmorde in Mexiko: Allein gegen die Machos
       
       Nirgendwo sonst werden mehr Menschen umgebracht als in Ciudad de Juarez.
       Der 3Sat-Thriller „Das Paradies der Mörder“ zeigt diese Welt der brutalen
       Männer.