# taz.de -- Konservative in Deutschland: Eine aussterbende Spezies
       
       > Früher gab es Kohl oder Kanther. Heute wird die CDU von der bekanntesten
       > Sozialdemokratin Deutschlands regiert. Was ist noch konservativ?
       
 (IMG) Bild: Da verliefen die Fronten noch klar: schwarze Knochen die einen, rote Socken die anderen.
       
       Schon Franz-Josef Strauß, der für viele noch ein echter Konservativer war,
       hat die klischeehaften Vorstellung vom Konservativen erschüttert, als er
       behauptete, die wahren Konservativen seien die, die sich an die Spitze des
       Fortschritts setzten. Dabei heißt conservare, was der Latein-Liebhaber
       Strauß ganz besonders wusste, ja eigentlich: bewahren. Das war der Witz.
       
       Man kann, auch wenn man die fortschrittlichere Definition des ehemaligen
       Verteidigungsministers und bayerischen Ministerpräsidenten zugrunde legt,
       zu einem Schluss kommen, der in den vergangenen Jahren häufiger gezogen
       worden ist: Angela Merkel ist nicht konservativ.
       
       Die „Zauder-Künstlerin“ (Nikolaus Blome) neigt weder dazu, sich an
       irgendwelche Spitzen zu setzen, noch wirkt sie besonders darum bemüht, das
       Konservative in der CDU zu erhalten. Atomkraft. Wehrdienst. Frauenquote.
       Selbst das Betreuungsgeld musste der Bundesregierung erst mühsam von der
       CSU aufoktroyiert werden.
       
       Was ist dann noch konservativ, wenn es schon die Kanzlerin einer einstmals
       konservativen Partei nicht mehr ist?
       
       Was ist aus den Konservativen geworden?
       
       ## Heute ist sie aufgeschlossen
       
       taz-Parlamentskorrespondent Stefan Reinecke hat sich für die Ganze
       Geschichte „Unter Denkmalschutz“ in der taz.am wochenende auf eine Reise
       durch Deutschland gemacht, um Menschen zu treffen, die einmal besonders
       konservativ waren, es heute aber gar nicht mehr sind, und andere, die sich
       immer noch dafür halten.
       
       Er hat auch Elisabeth Motschmann getroffen, die Bremer CDU-Politikerin, die
       in einem Brief an den Rundfunkrat einmal beklagt hatte, dass die Autorin
       von „Feuchtgebiete“ Charlotte Roche, bei Radio Bremen „3 nach 9“ moderieren
       durfte.
       
       Motschmann ist sechzig, hat drei erwachsene Kinder, Enkel und ist seit 41
       Jahren verheiratet mit Pastor Jens Motschmann. Früher war sie gegen "68",
       den Hedonismus, Selbstverwirklichungsideen, die Feministinnen. Sie schrieb
       Bücher über Mütter und Väter. Rechts von Jens und Elisabeth Motschmann war
       in der CDU nicht mehr viel Platz.
       
       Heute sagt Motschmann: "Wir müssen aufgeschlossen für Neues sein.“
       
       Wer einen Krippenplatz braucht, müsse den bekommen. Männer und Frauen
       sollen gleichermaßen berufstätig sein können und sich um die Kinder
       kümmern. Die ideologische Überhöhung der Vater-Mutter-Kind-Norm-Familie zum
       einzig Wahren ist ihr irgendwo abhanden gekommen.
       
       ## Graue-Herren-Partei, Grüne, CDU
       
       So ist das mit den Konservativen in der CDU. Man kann die alten
       Frontverläufe noch sehen, aber die Barrikaden sind abgebaut worden. „Wir
       verdanken den Feministinnen einiges", sagt Elisabeth Motschmann. Auch sie
       fordert mittlerweile, dass der Staat den Großunternehmen vorschreibt, wie
       viele Frauen mindestens in den Vorständen sitzen müssen.
       
       Wenn man dann allerdings in Baden-Württemberg den Haustürwahlkampf eines
       Grünen-Kandidaten begleitet, stellt man fest, dass der dort auf Frauen
       trifft, die sich beschweren, dass die Grünen sich zu sehr für die Kitas
       einsetzten.
       
       Haben manche der wahren Konservativen eine neue Heimat bei den Grünen
       gefunden? Andere bei der Graue-Herren-Partei Alternative für Deutschland?
       
       Oder sind das alles nur Einzelpositionen, bezogen auf ganz bestimmte
       Themen, als Anzeichen fürs wahre Konservative völlig überinterpretiert?
       
       An welchen Themen lässt sich dann aber bemessen, ob einer den Konservativen
       zuzurechnen ist?
       
       ## Und dann auch: Blome
       
       Die Frage stellt sich gerade auch im Politjournalismus, wo einer, den
       manche als Liberalkonservativen bezeichnen stellvertretender Chefredakteur
       des Spiegel werden sollte und für gehörigen Unmut in der Redaktion gesorgt
       hat. Unter Nikolaus Blomes Leitung hatte die Bild-Zeitung die konservative
       Hoffnung Theodor zu Guttenberg hochgelobt, Geheimdienste verteidigt und
       seltsamste Griechenlandberichterstattung betrieben.
       
       Ist Blome zu konservativ für den Spiegel? Oder einfach nur zu haltungslos,
       weil er manche dieser Positionen nun aufgeben wird müssen?
       
       Und hatte nicht Guttenberg als Verteidigungsminister die Wehrpflicht
       abgeschafft. Streng konservativ – an der Spitze des Fortschritts?
       
       Die Frontverläufe verwischen zusehends.
       
       Wahrscheinlich ist auch Alice Schwarzer weniger der CDU nähergerückt als
       umgekehrt. Berufstätige Frauen, feministische Pastorinnen, Quote für
       DAX-Konzerne, Kitas, rechtliche Gleichstellung von Homosexuellen - die
       Konservativen haben es mehr oder weniger akzeptiert. Mal widerwillig, mal
       aus Einsicht, in einer Mischung aus Opportunismus und besserer Erkenntnis.
       
       Was ist denn nun noch konservativ? Sind es irgendwie auch die Linken, die
       an alten Positionen festhalten? An welchen Großthemen lässt sich diese
       politische Haltung noch zielsicher definieren? Oder geht es einfach gar
       nicht? Was meinen Sie? 
       
       Die Ganze Geschichte „Unter Denkmalschutz“ erscheint in der
       [1][//www.taz.de/Ausgabe-vom-318/192013/!122805/:taz.am wochenende vom 31.
       August/1. September 2013].
       
       30 Aug 2013
       
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