# taz.de -- Internetdekret in Vietnam: Keine Plagiate, keine Redefreiheit
       
       > Vietnam verbietet seinen Netznutzern, aktuelle politische Themen zu
       > diskutieren. Begründet wird die Zensur mit einem Kampf gegen Raubkopien.
       
 (IMG) Bild: Computernutzer in einem Internetcafé in Hanoi.
       
       HANOI dpa | Die Weiterverbreitung von Informationen aus dem Internet auf
       Sozialen Netzwerken ist in Vietnam nicht mehr erlaubt. Eine umstrittene
       neue Vorschrift, die nun in Kraft trat, verbietet den Anwendern, aktuelle
       politische und soziale Themen im Internet zu diskutieren.
       
       Das Dekret 72 der kommunistischen Regierung zielt offiziell auf Plagiate im
       Internet ab. Für die boomende Internetindustrie des südostasiatischen
       Landes sei dies unerlässlich, meinen manche Experten. Vor allem die
       Entwickler von Onlinespielen sollen davon profitieren. Doch die Folgen
       gehen weit über die Verfolgung von Raubkopien hinaus.
       
       Vietnam ist ein Einparteienstaat. Kritik an der kommunistischen Partei ist
       verboten. Zahlreiche kritische Blogger sind angeklagt oder sitzen im
       Gefängnis. Das Dekret 72 über „Management, Bereitstellung und Verwendung
       von Internetdiensten und Inhalten online“ schreibt vor, dass Bürger auf
       Blogs und in Sozialen Netzwerken nur persönliche Information
       veröffentlichen.
       
       ## Presseberichte sind tabu
       
       Kein anderes Material, etwa Presseberichte oder Webseiten der Regierung,
       dürfen zitiert werden. Verweise sind ebenfalls verboten. Dies solle die
       weit verbreiteten Verletzungen von Urheberrecht eindämmen, sagte der
       stellvertretende Kommunikationsminister Le Nam Thang.
       
       Internetfirmen, die in Vietnam aktiv sind, müssen nun einen Server im Land
       unterhalten und den Inhalt auf sogenannte verbotene Handlungen überprüfen.
       Dabei handelt es sich unter anderem um die „Förderung von Gewalt,
       Ausschweifungen, lasterhaftem Lebenswandel, Verbrechen, sozialen Übel und
       Aberglauben“.
       
       Die boomende Internetindustrie könnte zum Kollateralschaden der Kontrollwut
       der Regierung werden. Die Kosten dieser Überwachung und die schwammige
       Formulierung des Dekrets würden Innovationen ersticken und Firmen davon
       abhalten, in Vietnam zu investieren, fürchten Experten. „Es ist schlecht
       für die User und für einheimische Firmen“, sagt ein nicht namentlich
       genannt werden wollender Vertreter einer internationalen Internetfirma.
       „Ein Internetunternehmer muss zu allererst einen Rechtsanwalt anstatt eines
       Software-Entwicklers anheuern und kann nicht mal loslegen, bis der ganze
       Papierkram erledigt ist.“
       
       Der Informations- und Kommunikationstechniksektor in Vietnam wächst
       täglich. Waren 2006 nur 17 Prozent der Bevölkerung online, waren es 2011
       bereits 35 Prozent - etwa 30 Millionen Menschen. Der Sektor erwirtschaftete
       Einkünfte von umgerechnet etwa 10,4 Milliarden Euro. Einig sind sich die
       Experten, dass ein klares Regelwerk für das Wachstum notwendig sei.
       
       ## Überall Plagiate
       
       Abschreiben gehört bei Vietnams Journalisten zur Tagesordnung. Vor kurzem
       wurde ein Online-Nachrichtenportal von einer Zeitung wegen Plagiaten
       verklagt: Das Portal hatte mehr als 10.000 Artikel geklaut veröffentlicht.
       Auch die beliebte Tauschplattform Nhac Cua Tui wurde kritisiert: Viele der
       Spiele auf der Seite waren Raubkopien. Eine Einschränkung dieser
       Plattformen könnte den boomenden Spielemarkt fördern, sagt ein
       Industrieexperte. „Raubkopien sind für die Spielentwickler ein großes
       Problem. Jeder klaut von anderen und die Behörden scheint es nicht zu
       kümmern.“
       
       Mehr als 13 Millionen Vietnamesen spielen online. Das Land ist damit der
       größte Markt für solche Spiele in Südostasien. 2011 lag der Umsatz bei 114
       Millionen Euro. Doch nach Angaben von Nguyen Tuan Huy, Gründer der Firma
       Emobi Games, dominieren ausländische Spiele den Markt.
       
       Das neue Dekret könnte die Entwicklung von Spielen zu riskant machen, meint
       er, da nun vorab eine Lizenz benötigt wird. „Entwickler wissen nicht, ob
       das Spiel erlaubt wird.“ Kontrollen sollten stattfinden, nachdem das Spiel
       auf dem Markt sei, meint Huy. Die Copyright-Probleme hingegen könne nur der
       Markt selbst lösen, findet er. Das sei nichts, wo Maßnahmen der Regierung
       greifen können.
       
       3 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Marianne Brown
       
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