# taz.de -- Retrospektive in Kiel und Flensburg: Gründe für die Kunst
       
       > Die Konzeptkünstlerin Elsbeth Arlt verschenkt ihr Werk an Museen im
       > Norden. Und eine Doppelausstellung zeigt jetzt, wieso die Literatur ein
       > Fundament ihrer Kunst ist.
       
 (IMG) Bild: Reinen Tisch gemacht: Elsbeth Arlt hat ihr Atelier aufgelöst und ihre Arbeiten an Museen verschenkt.
       
       KIEL taz | Das große Bild hat sie hier einst eigenhändig den Berg hoch
       geschleppt: Format 206 mal 286 cm, einige Zeilen aus André Brétons
       Surrealistischem Manifest auf Leinwand gemalt, unterlegt mit einem weißen
       Feld, aus dem ein Pinsel aufrecht ragt: „Geschichte“, von 1992. Eine Arbeit
       für die Ausstellung „Flensburger Künstler“, oben auf dem Museumsberg. „Alle
       beteiligten Künstler haben sich damals in der Fußgängerzone bei McDonalds
       getroffen und sind dann gemeinsam die vielen Stufen hier rauf marschiert“,
       erzählt Elsbeth Arlt. Nun ist die „Geschichte“ wieder oben angekommen, in
       Arlts Ausstellung [1][„mal Lust & MALGRÜNDE“.] 
       
       Das mit dem „Malgrund“ ist natürlich ein Wortspiel: So wie ein Bild einen
       Grund braucht, auf den es gemalt wird, braucht ein Bild einen Grund, aus
       dem es gemalt wird. Ihre Malgründe sind: Grundierung – Geschichte –
       Leinwand – Farbe – Sprache – Kopf – Herz. Und neulich ist als achter Grund
       die Lust hinzugekommen: eine Anregung des Kieler Künstlers und Lyrikers
       Arne Rautenberg, dem schon zu manchem Arlt-Bild ein Gedicht in den Kopf
       gefallen ist.
       
       Wegen einer Krankheit hat Elsbeth Arlt ihr Atelier aufgelöst und Häuser mit
       Schenkungen bedacht, die schon in den Jahrzehnten zuvor Werke von ihr
       gekauft haben: das Husumer Nissenhaus, die Kunsthalle und die Städtische
       Galerie in Kiel, die Hamburger Kunsthalle – und besonders den Flensburger
       Museumsberg. „Ich habe geschaut, wer was schon hat und wozu was passt“,
       sagt sie. Nun gibt es einen Überblick über ihr Schaffen: von der Malerei
       bis zur Zeichnung, von der Videoarbeit zur Kunstaktion, von der Kunst im
       öffentlichen Raum bis zur Sammlung.
       
       Elsbeth Arlt wächst so richtig auf einem Bauernhof bei Kiel auf. Als es die
       Kunst sein soll, die ihr Leben bestimmt, wechselt sie wie so viele
       KielerInnen bald an die Hamburger Hochschule für bildende Künste. Sie will
       die Bildhauerklasse besuchen, doch die hat gerade Franz Ehrhardt Walter
       übernommen, der einen so ganz eigenen Begriff vom Plastischen hat, 1972 ist
       das. „Walter hat erstmal den ganzen Raum komplett leer geräumt, und das war
       sehr gut für das Denken“, sagt Arlt. Später kommt Bazon Brock hinzu. Von
       beiden lässt sie sich in die Konzeptkunst einführen, aber: „Nach dem
       Studium habe ich erstmal das gemacht, was ich im Studium so gar nicht
       gelernt habe: malen.“
       
       Es ist schließlich die Zeit, als die Künstler nicht malen, und es wird noch
       dauern, bis die Jungen Wilden mit schlichter Dispersionsfarbe und
       Packpapier ein neues Kapitel aufschlagen. Elsbeth Arlt geht zurück aufs
       Land, geht ihren Weg: „Junge Kunst“ 1982 in Flensburg und „Frische Kunst
       hält gesund“ ein Jahr später in Kiel, bei beiden Gruppenausstellungen ist
       sie dabei.
       
       Sie hält den Kontakt nach Hamburg. Zeitweise gehört sie zum Umfeld von
       Hilka Nordhausen und ihrer wilden Truppe, bleibt aber in Schleswig-Holstein
       wohnhaft und verankert, so inspirierend die Ausflüge in die große Stadt
       auch sein mochten: „Ich hatte schon Kinder, ich habe weder getrunken noch
       gekifft; es war immer ganz aufregend, wenn ich in Hamburg war, es gab auch
       viele gute Leute, aber es war auch gut, das ich nach zwei Tagen wieder
       fahren konnte.“
       
       Weiter weg führt sie ein Stipendium in der Villa Baldi in der Nähe von Rom.
       „Ach, eine internationale Karriere wäre schon möglich gewesen“, erinnert
       sie sich. „Aber ich fühlte mich nicht stark genug.“ Und so bleibt sie im
       Lande, switcht behende zwischen den Genres, wobei die Vorstellung von einem
       Weg vom Anfang zu einem Ende eine tragende und verbindende bleibt. Immer
       mit dabei aber auch ein grundsolider, auf den ersten Blick vielleicht ein
       wenig spröder Humor: Als etwa das heute legendäre Elektrokaufhaus Brinkmann
       auch in Flensburg schließt und die Stadtväter wie besoffen davon träumen,
       an seiner Stelle ein Mega-Mega-Kaufhaus zu errichten, benennt Arlt den
       einstigen Brinkmann-Parkplatz in Rolf-Dieter-Brinkmann-Platz um. Ein Jahr
       lang macht sie jeden Tag ein Foto, das dokumentiert, was hier passiert:
       „parkingplace“, 365 Farbfotos, Format DIN A 6.
       
       Überhaupt ist die Literatur ein Fundament ihrer Kunst. Immer wieder macht
       sie Buchprojekte, Buchinszenierungen, Buchaktionen: In der Lübecker
       Petrikirche lässt sie 400 Bücher aufeinander losmarschieren. In der
       Videoarbeit „Bücherkapelle“ sitzt sie auf dem Boden einer ehemaligen
       Kapelle, in der nun die örtliche Leihbücherei untergebracht ist, und löst
       Bücher, die aus dem Bestand genommen wurden, sehr sorgsam Seite für Seite
       auf.
       
       Komisch und zugleich sehr berührend ist ihre Arbeit „Pflegenotstand“, die
       aus 47 Wägelchen besteht, auf jedem liegen eingeschnürt 47 Bücher, die
       ebenfalls zuvor aus dem Bestand genommen und somit gelöscht wurden. 47
       wegen – na klar – der Gruppe 47. „Im Katalog dazu gibt es auch einen sehr
       guten Text von Elsbeth Arlt“, sagt Elsbeth Arlt. Und gibt sich große Mühe
       jetzt nicht zu grinsen.
       
       Die Schau auf dem Flensburger Museumsberg ist nur der eine Teil ihrer
       Retrospektive. [2][Der zweite, kleinere findet sich im Kieler Landtag]:
       Hier ist ihre Arbeit „Berlinchemie“ ausgestellt, und zwar komplett. Arlt
       war vom 1. Dezember 1996 bis zum 28. Februar 1997 in Berlin und hat an
       jedem Tag auf aus Büchern entnommenem Vorsatzpapier je eine Zeichnung und
       einen kleinen Text gefertigt. Die Bilder sind mit leichter Hand getuschte
       Aquarelle, dazu wunderbar knappe wie präzise Betrachtungen, Beobachtungen,
       auch Wortspiele, die ihre Zuneigung zur Konkreten Poesie offenbaren.
       
       Die 180 Blätter sind nicht irgendwie halbherzig über die Wände verteilt,
       sondern sehr komprimiert auf eine Wand gesetzt. Die steht quer im Raum, und
       es ist sehr schön zu sehen, wie all die Abgeordneten, ihre Referenten, ihre
       Mitarbeiter und deren Praktikanten mit ihren Mappen und manchmal auch nur
       Mäppchen unterm Arm darum herum wuseln und in ihrem bestimmt sehr wichtigem
       Tun für einen klitzekleinen Moment unterbrochen werden. Und dann tritt man
       wieder an die gerahmten Berliner Tagebuchnotizen und liest so hübsche kluge
       Zeilen wie: „In Kunstbuchhandlungen/ suche ich nach Büchern mit/ wenig
       Bildern und viel/ Text. In diesen Büchern/ schaue ich mir dann/ die Bilder
       an.“
       
       ## Flensburg Museumsberg: Ausstellung bis zum 12. Januar 2014; „Das Glück
       der Unerreichbarkeit“ – Arne Rautenberg liest Gedichte zu Kunstwerken von
       Elsbeth Arlt: 10. Oktober, 18 Uhr Landeshaus Kiel: „Berlinchemie“ bis 17.
       September. Bitte einen Personalausweis mitführen
       
       9 Sep 2013
       
       ## LINKS
       
 (DIR) [1] http://www.museumsberg-flensburg.de/ausstellungenleser/events/176.html
 (DIR) [2] http://www.landtag.ltsh.de/aktuell/veranstaltungen/2013/09-september/elsbeth-arlt.html
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Frank Keil
       
       ## TAGS
       
 (DIR) Moderne Kunst
 (DIR) Surrealismus
       
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