# taz.de -- Zum Tode Erich Loests: Nie nur Autor, stets auch Bürger
       
       > Nachhaltig warb Loest für die Aufarbeitung der SED-Diktatur. Er beschrieb
       > wie kein anderer die Geschichte der Montagsdemonstrationen.
       
 (IMG) Bild: Erich Loest in seinem Arbeitszimmer in seiner Leipziger Wohnung (Archivbild von 2001).
       
       Ein bedeutender Chronist der jüngeren deutsch-deutschen Geschichte ist tot.
       Erich Loest hat diese Geschichte nicht aus vornehmer Distanz beschrieben,
       sondern ihre düstersten Kapitel selbst erlebt und durchlitten. Diese
       Erfahrungen haben seine Biografie geprägt. Seine Bücher legen davon Zeugnis
       ab.
       
       Der 1926 geborene Sohn eines Eisenwarenhändlers musste noch 1945 für einige
       Wochen in den Krieg ziehen – als letztes Aufgebot des NS-Regimes. Nach
       Kriegsende arbeitete er journalistisch und studierte am Leipziger
       Literaturinstitut. Die brutale Niederschlagung des Arbeiteraufstandes vom
       17. Juni 1953 und die blutigen Ereignisse in Polen und Ungarn 1956
       erschütterten nachhaltig sein sozialistisches Weltbild.
       
       Sein Plädoyer für eine konsequente Entstalinisierung in der DDR trugen ihm
       sieben Jahre Zuchthaus in Bautzen ein. In seiner Autobiografie nannte er
       diese Jahre „gemordete Zeit“.
       
       Doch der Stasi-Knast konnte Erich Loest nicht das Rückgrat brechen – im
       Gegenteil! Die erfahrenen Repressionen mündeten in eine lebenslange
       kritische Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur, sie prägten sein
       künftiges Denken, Schreiben, Handeln.
       
       Nach Zensurmaßnahmen gegen seinen autobiografischen Roman „Es geht seinen
       Gang“ (1978) trat er aus dem DDR-Schriftstellerverband aus und verließ 1981
       die DDR.
       
       In seinem wenig später erschienenen Buch „Durch die Erde ein Riss. Ein
       Lebenslauf“ schilderte er seine traumatischen Erfahrungen im Zuchthaus.
       Nach dem Zusammenbruch der DDR wurde Loest vom Obersten Gericht in Leipzig
       rehabilitiert.
       
       Mit seinen 1990 und 1991 veröffentlichten Büchern „Der Zorn des Schafes“
       und „Die Stasi war mein Eckermann oder: mein Leben mit der Wanze“
       bekräftigte Loest einmal mehr die Notwendigkeit einer gründlichen
       Aufarbeitung der SED-Diktatur.
       
       Seinen größten literarischen Erfolg hatte Erich Loest mit dem 1995
       erschienenen und später verfilmten Bestsellerroman „Nikolaikirche“, der wie
       kein anderes Buch die Geschichte der Leipziger Montagsdemonstrationen und
       den Weg in die friedliche Revolution schildert. Dem Stasi-Chef legt Loest
       die Worte in den Mund: „Mit allem haben wir gerechnet, nur nicht mit Kerzen
       und Gebeten!“
       
       Erich Loest hat sich nie nur als Autor, als Künstler verstanden, sondern
       immer auch als Bürger. Er hat sich leidenschaftlich in die
       gesellschaftlichen Debatten eingemischt und für seine demokratischen
       Überzeugungen gestritten. So engagierte er sich als Bundesvorsitzender des
       Verbandes deutscher Schriftsteller, als Mitglied des deutschen PEN-Zentrums
       und der Sächsischen Akademie der Künste. In seiner Heimatstadt Leipzig
       setzte er sich für die Neuerrichtung der in Walter Ulbrichts Auftrag
       gesprengten Universitätskirche ein.
       
       War er „nur“ ein Autor Ostdeutschlands, wie immer wieder und jetzt auch
       geschrieben wurde? Nein, er war einer der wichtigen realistischen Erzähler
       Deutschlands, so wie Hans Fallada einer war. Diesen Rang sollte man ihm
       schon zubilligen.
       
       Ich werde Erich Loest als wunderbaren Autor, klugen Bobachter und
       kritischen Zeitgenossen in Erinnerung behalten.
       
       14 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Wolfgang Thierse
       
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