# taz.de -- Peer Steinbrück: Johlen, Klatschen, Stampfen
       
       > Weitermachen! Das ist sein Motto im Wahlkampf. Zu guter Letzt hat
       > SPD-Kandidat Steinbrück Tritt gefasst. Es wird wohl zu spät sein. Ein
       > Porträt.
       
 (IMG) Bild: Und dann mochten sie ihn am Ende doch in Würzburg.
       
       WÜRZBURG taz | Peer Steinbrück sitzt in einem Fotoatelier in Ludwigsburg.
       Sein Wahlkampfteam hat diesen Termin organisiert, es geht um gute Bilder
       mit normalen Menschen. Steinbrück sitzt auf einem heftig gestreiften
       Futonsofa, der Fotograf Reiner Pfisterer erzählt von seiner Arbeit.
       Plötzlich schaut er den Kanzlerkandidaten fragend an. „Und, wie geht’s
       Ihnen so?“
       
       Steinbrück versucht es mit Ironie, erzählt was von langen Reisen und
       ruhigem Nachtschlaf. Pfisterer lächelt. „Das ist mein Vorteil“, sagt er,
       „ich kann auch mal Fehler machen. Aber ich bin gespannt, was am Wahlsonntag
       passiert.“ – „Ich auch“, antwortet Peer Steinbrück. Er auch.
       
       Weitermachen! Das ist Peer Steinbrücks Motto in diesem Wahlkampf.
       Weitermachen, noch ein paar Tage. Bis zur Bundestagswahl am Sonntag. Der
       SPD-Kanzlerkandidat hat sich diesen Rat bei Herbert Wehner abgeschaut.
       „Trotz alledem weitermachen und nicht verzweifeln“, hatte der
       SPD-Fraktionsvorsitzende 1982 während einer krisenhaften Präsidiumssitzung
       notiert und den Zettel seinem Berliner Genossen Hans-Jochen Vogel
       zugeschoben. Weitermachen!
       
       Und Peer Steinbrück macht weiter. Er muss das Projekt Wahlkampf über die
       Ziellinie bringen, koste es, was es wolle. Seine bayerischen Genossen haben
       am Sonntag ihr desaströses 18,6-Prozent-Ergebnis von 2008 gerade so weit
       verbessert, dass sie Haltung bewahren können. Mehr war nicht drin. Und im
       Willy-Brandt-Haus ist man eilig bemüht, dem Eindruck entgegenzuwirken, das
       Ergebnis von München könne ein Hinweis auf die Gemengelage im Bund am
       kommenden Sonntag bedeuten.
       
       ## Sein Ziel ist perdu
       
       Aber genau das tut es. In den Ländern wählen die Bürger nach und nach die
       Liberalen raus, Merkels Bündnispartner im Bund steht am Rande der
       Bedeutungslosigkeit. Aber auch Peer Steinbrücks Ziel, Rot-Grün, ist perdu.
       Er weiß das, die Grünen wissen das. Und für die Wiederauflage eines
       schwarz-roten Regierungsbündnisses gibt es schon länger Anzeichen, da hätte
       es München nicht gebraucht.
       
       Eine Mehrheit der Bürger wünscht die Neuauflage der Großen Koalition. Jenes
       Bündnisses also, das der SPD bis 2009 zwar vier Jahre Macht beschert hat –
       das die Partei als kleineren Partner aber auch nachhaltig geschwächt hat.
       
       Drei Jahre hat die große alte SPD danach an sich gearbeitet. Der neue
       Vorsitzende Sigmar Gabriel bemühte sich, die Flügel zu einen und den
       Genossen neues Selbstvertrauen einzuhauchen. Aber dann, im Herbst 2012,
       trat Peer Steinbrück als Kanzlerkandidat an. Der Agenda-Befürworter, der
       Ministerialbürokrat mit Schnösel-Attitüde. Jener Peer Steinbrück, der
       Sozialromantiker verachtete – ausgerechnet er wurde SPD-Kanzlerkandidat mit
       Ausschließlichkeitsanspruch auf Rot-Grün. Dieser Plan darf als gescheitert
       angesehen werden.
       
       ## Demut oder Perspektive?
       
       Bevor dieses Scheitern am kommenden Sonntag in Zahlen ausgedrückt werden
       kann, formuliert Peer Steinbrück dieser Tage noch einmal seinen
       Machtanspruch. Bei einem SPD-Ergebnis von 25 oder 26 Prozent könnte er sein
       Gesicht wahren. Bei einem niedrigeren Ergebnis dürfte es Krach geben in der
       Partei.
       
       Schon wahr, er „schuldet denen was“ nach diesem loyalen Wahlkampf, das sagt
       er immer wieder über seine SPD. Nur was? Demut oder eine bundespolitische
       Perspektive? Vergangene Woche erst bekannte er im kleinen Kreis, auch über
       den Wahlabend hinaus noch „im Fahrersitz“ bleiben zu wollen, das sei
       bereits so abgesprochen.
       
       Von Rot-Grün, gar Rot-Rot-Grün war da eher nicht die Rede. Also als
       Verhandlungsteilnehmer bei möglichen Koalitionsgesprächen mit der Union?
       Warum sollte er es nicht halten wie Ex-SPD-Kanzler Gerhard Schröder, der
       sich nach der verlorenen Wahl 2005 mit der CDU an einen Tisch gesetzt hat,
       um aus der Niederlage noch das Beste herauszuhandeln?
       
       Die Frage „Weitere vier Jahre Opposition oder vier Jahre Macht?“ stellen
       sich dieser Tage viele in der SPD. Der linke Parteiflügel bemüht sich, noch
       im Voraus die Große Koalition auszuschließen, den Bann soll der
       SPD-Parteikonvent gleich nach der Wahl verhängen. Aber Peer Steinbrück ist
       für Macht.
       
       ## Angriffslustig und zugewandt
       
       Man kann das beobachten in diesen letzten Wahlkampftagen. Der
       Kanzlerkandidat hat sich offensichtlich berappelt. Seine Verwandlung in
       diesen angriffslustigen, dabei zugewandten Politiker, der sichtlich Spaß am
       Zuhören und Erklären hat, war schmerzhaft. Vom hochfahrenden Anwärter, der
       von seinen gebeutelten Genossen gleich mal „Beinfreiheit“ einforderte, über
       den medial gejagten „Pannen-Peer“ inklusive öffentlichen Tränen und
       Stasi-Vorlauf.
       
       Inzwischen ist er einer, der die Kanzlerin frontal angeht, dem die Leute
       gern zuhören und dessen Stinkefinger-Foto ihn wohltuend vom inhaltsleeren
       Rauten-Hype unterscheidet. Der Applaus bei Steinbrücks Open-Air
       Veranstaltungen wird schon länger nicht mehr von den anwesenden Jusos
       herbeigeklatscht. Bei jedem seiner Auftritte, überall im Land, ist es
       rappelvoll. Und anders als zu Beginn des Wahlkampfes kommen die Leute nicht
       mehr, um jemandem beim Stolpern zuzuschauen. Sie wollen wissen, was die SPD
       anzubieten hat. Peer Steinbrück ist der Verkäufer.
       
       „Wenn Sie den flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn wollen, wählen Sie
       die SPD! Wenn Sie 850 Euro Solidarrente wollen, wählen Sie die SPD!“, ruft
       er am Ende jeder Klartext-Veranstaltung – während des „Werbeblocks“ – den
       versammelten Menschen zu. Dann, verschwörerisch: „Wir können die loswerden
       am 22. September. Denn das Wir entscheidet, und das Wir, das sind Sie.“
       
       Zum Beispiel in Würzburg. Auf dem Viehmarktplatz steht das weiße Kuppelzelt
       der SPD. Zum Klartext mit Peer Steinbrück sind tausend Menschen gekommen.
       Als er die Bühne entert, wird es richtig stürmisch. Johlen, Klatschen,
       Stampfen. Wem derart frenetisch applaudiert wird – der muss am Wahlabend
       meinen, im falschen Film zu sein. Warum, fragt man sich unwillkürlich,
       haben diese begeisterten Massen eigentlich irgendwann aufgehört, ihr
       Kreuzchen bei der SPD zu machen?
       
       ## Steilvorlage für die Presse
       
       Steinbrück beantwortet in Würzburg Publikumsfragen. Es geht um
       Spekulationen auf Nahrungsmittel, Rente und Leiharbeit. Die Leute fragen
       ihn nach dem Ehegattensplitting, der Vermögensteuer und dem SPD-Konzept
       gegen Rechtsradikalismus. Er erklärt griffig, was dazu im Wahlprogramm
       steht und wie das Rentenkonzept aussieht. Bei der Vermögensteuer bleibt er
       vage, gegen die Kanzlerin teilt er aus.
       
       „Die wartet seit vier Jahren überall ab“, schimpft er, „wo ist ihre
       Richtung, ihr Kompass?“ Mehr hat er nicht im Köcher – den Deutschen geht es
       im europäischen Vergleich gut, jeder weiß das. Schließlich diese Frage:
       „Herr Steinbrück, warum machen die Medien Politik gegen Sie?“ Eine
       Steilvorlage, am Pressetisch spitzt man die Ohren.
       
       „Die“, tönt Steinbrück, „sind ganz gut im Austeilen, aber ziemlich schwach
       im Einstecken. Einige von denen wissen ganz genau, wie die Wahl ausgeht.“
       Was er damit zu transportieren versucht: Die Wahl geht so aus, wie ich es
       euch sage: mit mir als Kanzler. Er muss das sagen, noch ist Wahlkampf.
       Eigentlich schade, dass sein Sonntag schon vorbei ist. Aber bis dahin gilt
       noch Wehners Wort: Weitermachen!
       
       17 Sep 2013
       
       ## AUTOREN
       
 (DIR) Anja Maier
       
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